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Die 17-jährige Banty Panghal bearbeitet im Boxing Club Bhiwani in Indien einen Punchingball. Bhiwani hat sich in den vergangenen Jahren einen Ruf als Box-Hauptstadt Indiens erarbeitet. Nicht mehr nur Männer, sondern auch immer mehr Frauen in Bhiwani lernen Boxen.

© dpa

Kleinstadt Bhiwani: In Indiens Box-Stadt schlagen nun auch die Mädchen zu

In der indischen Kleinstadt Bhiwani steht BBC nicht für einen britischen Fernsehsender, sondern für Bhiwani Boxing Club. Dort trainieren Bhiwanis berühmteste Söhne - und vermehrt auch Töchter.

Die ersten schwachen Sonnenstrahlen kämpfen sich durch Morgendunst und Staub, als ein schriller Ton die indische Kleinstadt Bhiwani aus dem Schlummer reißt. Box-Trainer Jagdish Singh steht im Hof seiner Akademie und treibt seine Schützlinge an. In der linken Hand hält er die Stoppuhr, in der rechten die Trillerpfeife. Nach 30 Sekunden ertönt ein neuer Pfiff. Dann noch einer. Zwei Stunden lang schickt Singh die jungen Männer und Frauen so von einer Trainingsstation zur nächsten: Seil hochklettern, Langhantel stemmen, einarmige Liegestütze machen, Kugel werfen, im Hocken springen, Sandsack schlagen, Punchingball bearbeiten, mit Hammer auf Reifen hauen. In der Monsun-Hitze tropft der Schweiß auf den groben Steinboden. Bhiwani ist eine eigentlich unauffällige Stadt im Norden Indiens, in der es mehr Schlaglöcher als Bäume gibt. Doch in den vergangenen Jahren hat sich Bhiwani einen Ruf als Box-Kapitale des Subkontinents erarbeitet.

Überall an den Straßenrändern joggen Menschen, mindestens acht Box-Clubs stehen im Ort verteilt. Bei den Olympischen Spielen in Peking kamen alle drei indischen Viertelfinalisten aus Bhiwani. Zunächst waren es nur Männer, die Profisportler werden wollten. Doch mittlerweile stülpen sich auch die Frauen die klobigen roten oder blauen Handschuhe über. Savita Gothra (50 Kilogramm) and Sakshi Dhanana (54 Kilogramm) gewannen im Mai die Box-Weltmeisterschaften der Junioren im taiwanesischen Taipeh. Soniya Gothra (48 Kilogramm) gewann dort Silber. Dabei sind es gar nicht die Medaillen, nach denen so viele junge Menschen in Bhiwani streben. „Es geht mir vor allem darum, einen sicheren Job zu bekommen. Mama will, dass ich zur Polizei gehe“, sagt etwa die 15-jährige Nithi Dhaka. Der indische Staat nämlich vergibt ein gewisses Kontingent an Jobs - bei Polizei, Armee, Paramilitärs und Bahn - an erfolgreiche Sportler. Viele seiner Schützlinge sähen den Box-Club als einen möglichen Weg aus der Armut, sagt Coach Singh.

„Indien ist ein sehr korruptes Land. Normalerweise brauchen wir hier entweder Geld oder Zugang zu einem Parlamentsabgeordneten oder zumindest zu einem lokalen Politiker, um irgendetwas erreichen zu können“, meint er. Doch stünden die Familien der angehenden Boxer vor vielen Problemen. Das fange bei den Gebühren für seinen Club an und höre bei den Schuhen, die vom intensiven Training alle zwei Monate kaputt gingen, noch nicht auf. „Eigentlich brauchen die Mädchen eine ausgewogene Ernährung“, sagt Singh. Tatsächlich äßen sie oft nur Fladenbrot und Linsen. „Manche Eltern können nur einmal pro Woche eine Flasche Milch mit dem Bus schicken.“ Immerhin, sagt die 17-jährige Rajini Singh, habe sie dank dem Boxen mehr Selbstvertrauen bekommen. „Ich fühle mich nun sicher, weil ich weiß, dass ich mich verteidigen kann.“

Das meint auch die gleichaltrige Banty Panghal. „Wir sind im Club 13 Mädchen, die füreinander einstehen. Zusammen sind wir sehr stark.“ Eine wichtige Absicherung in einem Land, in dem sexuelle Übergriffe auf Mädchen und Frauen an der Tagesordnung sind. Als die Mädchen in ihre Wohngemeinschaft zurückkehren und der Trainer nicht mehr in Hörweite ist, erzählt die 22-jährige Priyanka Chaudhary noch eine Geschichte. „Wir waren mit den Fahrrädern unterwegs, als uns ein Typ entgegenkam, der immer blöde Kommentar von sich gab. Er dachte, wir seien ja Mädchen, und würden nichts machen.“ Doch diesmal schnappten sich die jungen Frauen den Kerl. „Wir schlugen ihn zusammen und schleppten ihn auf die Polizeistation.“ (dpa)

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