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Panorama: „Klinsi, mach dein Ding“

Die meisten Fans nehmen dem Bundestrainer den Rücktritt nicht übel. Sie verstehen ihn, bedanken sich und trauern ein bisschen

Berlin - Jürgen Klinsmann, der Profi, nimmt offenbar Rücksicht auf die Interessen seiner Familie: zwei Kinder, die in den USA aufgewachsen sind, und eine Frau, die aus den USA stammt. Sie hätte er nach Deutschland verpflanzen müssen mit dem Risiko, in einem halben Jahr von „Bild“, verwöhnten Fans und halsstarrigen Granden des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wieder verjagt zu werden. Eigentlich logisch, dass er den Vertrag als Bundestrainer nicht verlängerte.

Wer aber jetzt in den vielen deutschen Online-Foren stöbert, um herauszufinden, wie Volkes Stimme sich zu „Klinsis“ Entscheidung gegen Deutschland äußert, dürfte trotzdem baff sein. Die negativen Einträge kann man an einer Hand abzählen. Es herrschen Realismus, Verständnis, Respekt und sogar Dankbarkeit.

Wenige Wochen nachdem Wolfgang Büscher in „Cicero“ daran erinnerte, dass wohl in keiner Kultur der Vorwurf des Verrats so schwer wiegt wie in der deutschen, kommt der Begriff bei der gefühlt wichtigsten Personalentscheidung des Landes nicht vor. Kaum jemand, der „Verräter!“ schreit, kein Wort von „Fahnenflucht“, vom „Im-Stich-Lassen“ der Mannschaft und der Fans. Auch der Sozialneid, der sich rund um Klinsmanns Domizil im sonnigen Kalifornien so oft ausgetobt hatte, spielt kaum eine Rolle. Dabei hat Klinsmann bei seiner Absage vielleicht sogar auf seine Frau gehört – so was ist beim DFB seit Jahrzehnten verpönt und führte bisher bei vielen Fans und Journalisten zu Spott und Hohn (man denke an Bodo Illgner, Bernd Schuster oder Thomas Häßler). Diesmal aber nichts dergleichen. Möglich, dass dies noch kommt, wenn der Frust sich festgesetzt hat. Bisher aber bleibt ein Fazit: Ein deutscher Liebling trifft eine Entscheidung, die Millionen vor den Kopf stößt – und statt verstoßen zu werden, erntet er Verständnis und Lob für Konsequenz, Ehrlichkeit und Mut. Sollte dieses Land tatsächlich ein wenig anders sein als vor vier Wochen? Ist das der viel zitierte „Klinsi-Effekt“? Langsam werden sie unheimlich, die „Weltmeister der Herzen“.

Nana Heidhues und Karin Wollschläger haben Reaktionen auf Klinsmanns Rücktritt aus dem Internet gesammelt:

„Danke, Jürgen Klinsmann, für die wunderschöne Zeit!“

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„Klinsmann muss bleiben, ohne ihn sind wir verloren ...“

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„Nach all den Beschimpfungen und Kampagnen wundert mich nicht, dass er geht. Er hat aus einer Bolzplatzmannschaft eine Kampf- und Spieltruppe gemacht. Alle Achtung!“

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„Danke für alles, Klinsi! Du hast den Deutschen in Zeiten von Angela Merkel, Hartz IV und 19 Prozent Mehrwertsteuer das Lächeln wiedergegeben.“

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„Gönnen wir dem nicht immer geliebten Revolutionär des Fußballs nun eine neue Herausforderung.“

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„Schade, dass Klinsmann geht. Wenn man sich ansieht, was er als Neuling geleistet hat, wird einem klar, was für ein großes Kaliber er als Trainer ist.“

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„Klinsmann ist gegen einen starken Strom geschwommen und hat dabei Unglaubliches erreicht. Wir sollten ihn zum Vorbild nehmen. Er hat aus den Steinen, die ihm in den Weg gelegt wurden, sein Siegerpodest gebaut. Ein großartiger Mensch, dem ich alles Gute wünsche.“

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„Hätten alle die Einstellung von Klinsi, würde nach der Feier keiner mehr sauber machen. Da sähe es ganz schön dreckig aus im neuen, ach so schönen Partyland.“

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„Geld, Geld, Geld ist nicht alles. Vor allem wenn man schon Millionen auf dem Konto hat. Es sei ihm vergönnt. Er hatte einen Vertrag, den hat er erfüllt, man trennt sich in Freundschaft und nimmt eine neue Aufgabe an. Völlig legitim. Daran gibt es nichts zu bemängeln.“

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„Der Abgang kommt mir hasenfüßig vor. Die Begründung wegen der Familie scheint mir ein Vorwand zu sein. Mit Querschlägern aus Verband und Presse muss jeder Nationalcoach leben. Das gehört zum Geschäft und ist kein Lamento wert.“

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„Klinsi, mach dein Ding und lass dich nicht unterbuttern! Familie ist das Wichtigste für den größten Erfolg im Leben. Schade, dass wir so einen starken Menschen als Trainer verlieren.“

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„So ist das eben. Es weiß doch keiner, was die Absprache mit seiner Frau war. Vielleicht hat sie gesagt: ,Okay, aber nach der WM ist Schluss.‘ An so was muss man sich halten.“

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„Anstatt jetzt Gas zu geben, verkriecht er sich nach Hause zu Frauchen und Kindern und überlässt das Feld wieder den Trainerrentnern mit ihren verstaubten Uraltmethoden. Da hat er den einfachen Weg gewählt und den deutschen Fußball im Stich gelassen.“

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„Danke, Herr Klinsmann. Es war die beste, schönste, geilste und beeindruckendste Weltmeisterschaft einer Deutschen Elf, die ich bisher erlebt habe! “

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„Ganz Medien-Deutschland und sämtliche Lichtgestalten des deutschen Fußballs haben vor der WM auf ihn eingeprügelt. Alles, was er machte, war angeblich falsch. Kritik von morgens bis abends. Der Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt ist genau der Stinkefinger, den man dem DFB viel öfter zeigen sollte.“

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„Dumm gelaufen, DFB. Dumm gelaufen, Bild-Zeitung. Dumm gelaufen, Deutschland. “

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„Es gibt nur einen wahren Jürgen, und der heißt Klinsmann! Alle folgenden Jürgens oder andere Raubkatzen werden es schwer haben, die Sympathien der Leute zu erbeuten und diesen Superstar-Status zu erlangen. Klinsi, du bist der Beste! Respekt und viel Erfolg bei allem, was du machst!“

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„Ich hoffe, dass Joachim Löw Klinsis Visionen weiterträgt und in die gleiche Richtung schaut. Aber nicht nur Löw, sondern auch wir werden jetzt Geduld haben müssen, damit es nachher heißt: ’54 – ’74 – ’90 – 2010 …“

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„Jetzt werden aus den Klinsmännern die LÖWen.“

Gefunden auf www.tagesspiegel.de, www.bild.de, www.11freunde.de, www.kicker.de und www.spiegel.de

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