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Amoklauf Köln

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Kölner Amoklaufalarm: Haben Beamte den Selbstmord verschuldet?

Am Ende war es nur noch tragisch: Einer der beiden mutmaßlichen Amokläufer von Köln brachte sich mit einem Sprung vor eine Straßenbahn ums Leben. Jetzt werden Vorwürfe gegen die Polizei laut.

Nach dem Amok-Alarm an einem Kölner Gymnasium und dem Selbstmord eines verdächtigen Schülers ist die Polizei massiv unter Druck geraten. Psychologen und Medien hielten den Beamten vor, sie hätten den Selbstmord des 17-Jährigen möglicherweise mitverschuldet. Ein weiterer Vorwurf lautete, der Jugendliche sei der Polizei nach einem Gespräch entwischt, was Kölns Polizeipräsident Klaus Steffenhagen aber bestritt. Kritiker warfen der Polizei zudem vor, sie habe sich bei einer Pressekonferenz am Sonntagabend vorschnell gefeiert. Ein zweiter verdächtiger Schüler im Alter von 18 Jahren war vorübergehend festgenommen worden, ist inzwischen aber wieder frei und wird nicht mehr beschuldigt.

Der "Kölner Stadt-Anzeiger" und die "Kölnische Rundschau" berichteten, dass der 17-Jährige kurz vor seinem Selbstmord aus einem Gespräch mit der Polizei weggelaufen sei. Der Sprecher der Bezirksregierung Köln, August Gemünd, bestätigte, dass der Jugendliche "unmittelbar im Anschluss" an das Gespräch mit der Polizei aus der Schule verschwunden sei, obwohl noch seine Schultasche dort gestanden habe und zwei Freunde auf ihn gewartet hätten.

Der stellvertretende Schulleiter Michael Wagenführ sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", die Beamten hätten dem Jungen gegenüber angekündigt, ihn nach Hause begleiten und sein Zimmer ansehen zu wollen. Daraufhin habe er einen Gang zur Toilette vorgegeben und sei geflohen. Die Suche nach ihm blieb ergebnislos. Der 17-Jährige nahm sich mit einem Sprung vor eine Straßenbahn das Leben.

Eltern waren vor dem Gespräch nicht informiert

Der Jugendliche war zuvor dazu befragt worden, warum er Bilder eines Schulmassakers auf einer Website veröffentlicht hatte. Zunächst waren noch zwei Lehrer - darunter Wagenführ - dabei, "dann hat die Polizei die Lehrer gebeten, den Raum zu verlassen", sagte Gemünd.

Nach Angaben von Gemünd, der sich auf den stellvertretenden Schulleiter berief, hatte die Polizei auch entschieden, die Eltern des Jugendlichen vor dem Gespräch nicht zu informieren. Der Jugendstrafverteidiger Siegmund Benecke sagte im WDR-Fernsehen, es sei gesetzlich vorgeschrieben, dass der Erziehungsberechtigte vor einer Vernehmung eines Jugendlichen informiert werden müsse. Die Polizei sei indirekt mitschuldig am Selbstmord des 17-Jährigen. Polizeipräsident Steffenhagen sagte dagegen, die Eltern müssten nur bei einer Vernehmung informiert werden, nicht aber bei einer "Gefährdeansprache", wie sie hier erfolgt sei.

Gedenken in Emsdetten

Nach vagen Hinweisen auf einen möglichen Amoklauf in einem Gymnasium in Kaarst bei Düsseldorf wurde die Schule am Dienstag vorübergehend geschlossen. Nach der Durchsuchung des Gebäudes gab die Polizei Entwarnung. In Emsdetten gedachten die Schüler der Geschwister-Scholl-Realschule mit Eltern und Lehrern der Opfer des Amoklaufs, bei dem vor genau einem Jahr ein ehemaliger Mitschüler 37 Menschen verletzt und sich dann erschossen hatte.

Wegen einer Amoklauf-Schmiererei auf einer Mädchentoilette wird an diesem Mittwoch das Märkische Gymnasium in Schwelm geschlossen bleiben. Die Schmiererei, die bereits am Freitag entdeckt worden war, gibt als Datum für die Tat den 21. November an. Die Polizei geht mit Blick auf den Jahrestag des Amoklaufs von Emsdetten von Trittbrettfahrern aus.

Pläne schon vor Wochen aufgegeben

Noch am Sonntagabend hatte es bei der Kölner Polizei geheißen, zwei Schüler hätten bei einem Amoklauf Mitschüler und Lehrer des Georg-Büchner-Gymnasiums töten wollen. Am Montag teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass beide Schüler schon vor vier Wochen ihren Plan aufgegeben hätten. Der 18-Jährige wurde freigelassen.

Die Kölner Staatsanwaltschaft stärkte der Polizei den Rücken: Bei dem Gespräch der Polizei mit dem 17-Jährigen am Freitag sei keine Selbstmordgefahr erkennbar gewesen. "Es bestehen daher keine Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung mit der Polizei. Die ursprünglich für Montag geplante Pressekonferenz zu dem geplanten Amoklauf sei auf Sonntag vorverlegt worden, um Ängsten in der Bevölkerung zu begegnen.

75 Hinweise auf Amokläufe in einem Jahr

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bezeichnete den Selbstmord als "tragisch": "Es ist empörend, der Polizei dafür die Schuld in die Schuhe schieben zu wollen", sagte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg. Die Kölner Zeitung "Express" warf der Polizei dagegen eine "denkwürdige Verschleierung von Tatsachen" vor.

Hinweise auf mögliche Amok-Taten sind keine Seltenheit. Allein die Polizei in Nordrhein-Westfalen hat seit dem Amoklauf von Emsdetten innerhalb eines Jahres 75 solche Hinweise gehabt. Die meisten dieser Fälle hätten in einem Gespräch von Polizei oder Schulleitung mit dem verdächtigen Schüler bereinigt werden können, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. In 22 Fällen habe es eine psychologische Betreuung von Schülern bis zum Krankenhausaufenthalt gegeben. 14 Fälle hätten strafrechtliche Konsequenzen wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz nach sich gezogen. (mit dpa)

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