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Techniker und Ingenieure am Montag auf der Baustelle des ehemaligen Stadtarchivs.

© dpa

Kölner Stadtarchiv: Schwierige Suche nach Schuldigen

Fünf Jahre nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs beginnt die Justiz Ermittlungen gegen 89 Personen. Sie will damit sicherstellen, dass keine Verjährung eintritt. Die Schuld ist nach wie vor ungeklärt und es ist fraglich, ob es jemals Klarheit geben wird.

Fast fünf Jahre ist der Einsturz des Kölner Stadtarchivs inzwischen her. Der Jahrestag der Katastrophe setzt nun die Staatsanwaltschaft unter Druck. Gestern eröffnete sie ein Ermittlungsverfahren gegen 89 Verdächtige wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und Baugefährdung. Damit will Oberstaatsanwalt Torsten Elschenbroich verhindern, dass die Tatbestände verjähren und ein Gerichtsverfahren nicht mehr möglich ist.

Die Kölner Staatsanwaltschaft nennt keine Namen

Gegen wen konkret ermittelt wird, wollte die Staatsanwaltschaft am Montag nicht sagen. Es handele sich um Verantwortliche bei den Kölner Verkehrsbetrieben (KVB) sowie Bauarbeiter, Statiker, Ingenieure und andere Mitarbeiter der Baufirmen. Mitarbeiter der Stadt Köln sind laut Staatsanwaltschaft nicht angeklagt. Dass gleich gegen 89 Personen ermittelt wird, liegt daran, dass bis heute nicht klar ist, warum das Stadtarchiv eingestürzt ist, und die Staatsanwaltschaft sich alle Optionen offenhalten will. Das Ermittlungsverfahren sei nur eingeleitet worden, um die Verjährung zu verhindern und nicht weil es neue Erkenntnisse gebe, hieß es in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Erst wenn die genaue Unglücksursache gefunden ist, kann ein Gerichtsverfahren eingeleitet werden.

Suche nach einem angeblichen Loch in der Wand

Das Kölner Stadtarchiv war am 3. März 2009 gegen Mittag eingestürzt. Unter dem Gebäude hatte sich ein Hohlraum gebildet. Wie dieser entstanden ist, darüber wird in Köln seit Jahren gestritten. In der Nähe des Stadtarchivs wurde damals im Auftrag der KVB eine Station für eine neue U-Bahn-Linie gebaut. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass ein Loch in einer der Wände, die die Baugrube stabilisieren sollten, den Einsturz ausgelöst haben könnte. Laut „Kölner Stadtanzeiger“ soll das Loch im September 2005 und damit rund dreieinhalb Jahre vor dem Einsturz entstanden sein, als Bauarbeiter auf ein Hindernis aus Metall stießen.

Luftaufnahme einen Tag nach dem Einsturz des Stadtarchivs am 3. März 2009.
Luftaufnahme einen Tag nach dem Einsturz des Stadtarchivs am 3. März 2009.

© dpa

Dieses Hindernis hätten die Bauarbeiter nicht entfernt und so eine Lamelle in der Wand beschädigt. Durch das Leck soll später Wasser in die Baugrube geflossen sein, das abgepumpt werden musste. Das Wasser habe dabei über die Jahre große Mengen Sand aus dem Gelände unter dem Stadtarchiv mitgerissen und so den Hohlraum entstehen lassen, vermutet die Staatsanwaltschaft. Die beteiligten Baufirmen haben eine andere Erklärung für den Einsturz. Sie behaupten, das Wasser sei nicht durch ein Loch in die Baugrube geflossen, sondern habe sich unter den Wänden hindurchgedrückt. Wenn das stimmt, würde die Baufirmen und die KVB als Auftraggeber nicht mehr die Hauptschuld treffen.

Ein sogenanntes Besichtigungsbauwerk soll gebaut werden

Um das Rätsel des Einsturzes zu lösen, sind seit Jahren Gutachter auf dem Gelände unterwegs. Die KVB lässt momentan ein sogenanntes Besichtigungsbauwerk errichten – ein Schacht, damit auch die Stelle, an der das Loch in der Wand sein soll, untersucht werden kann. Da sie sich in 20 Metern Tiefe und damit unter dem Grundwasserspiegel befindet, werden die Bauarbeiter voraussichtlich noch bis Sommer brauchen, um das Besichtigungsbauwerk fertigzustellen. Dann sollen Taucher die Wände absuchen. Ihr Einsatz soll gefilmt und live an den Gerichtsgutachter übertragen werden.

Anschließend könnte die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen einige der 89 Verdächtige, die nun im Fokus der Ermittler stehen, eröffnen. Auch Zivilprozesse sind möglich. Das Unglück wird Köln also noch viele Jahre beschäftigen. Auch die Restaurierung der verschütteten Dokumente ist eine Mammutaufgabe. Die Urkunden, Karten und Bücher aus dem Schlamm zu suchen, dauerte zwei Jahre. Die Bergungsspezialisten schafften es dabei, etwa 95 Prozent des Archivbestandes zu retten. Momentan werden die wertvollen Stücke getrocknet, gereinigt und Stück für Stück zusammengesetzt.

Malte Buhse, Jan Guldner[Köln]

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