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Körpermaße: Deutschland geht in die Breite

Die Körpermaße der Deutschen sind neu vermessen worden – Kleiderkäufer werden es danken. Denn immer mehr Kunden stellen in der Umkleidekabine fest, dass die Kleidermaße nicht den Körpermaßen entsprechen.

Wer einen „altmodisch“ schlanken Körper hat, mit Durchschnittsmaßen von vor 15 oder 30 Jahren, hat es beim Kleiderkaufen leicht. So lange ist es her, dass die Körpermaße in Deutschland systematisch gemessen wurden. Immer mehr Kunden stellen in der Umkleidekabine fest, dass die Kleidermaße nicht den Körpermaßen entsprechen. Letztere haben sich in den letzten Jahrzehnten teilweise stark verändert, wie eine repräsentative Reihenmessung des Textilforschungszentrums Hohenstein Institute und der Ergonomiefirma Human Solutions zeigt.

Ganz besonders wachsen die Deutschen in die Breite: um 4,1 Zentimeter umfangreicher sind die Taillen von Frauen im Vergleich zu 1994, um 4,4 Zentimeter die von Männern im Vergleich zu 1980. Auch die Hüften sind umfangreicher: bei Frauen um 1,8 Zentimeter, bei Männern um 3,6 Zentimeter. Die neue Messung sei daher „dringend notwendig“ gewesen, sagt Studienleiter Martin Rupp von den Hohenstein Instituten. „Der Zeitabstand, vor allem zu der letzten Reihenmessung von Männern 1980, war wirklich sehr lange.“ Allerdings hätten die Unternehmen auch selbst den Markt beobachtet und teilweise Kleidungsgrößen angepasst. „Durch die Studie wissen sie jetzt aber im Detail, wie sich die Maße verändert haben“, sagt Rupp.

So hat sich der Brustumfang von Frauen durchschnittlich um 2,3 Zentimeter vergrößert, der von Männern um 7,3 Zentimeter. Auch die Körpergröße ist noch gestiegen: um knapp einen Zentimeter bei Frauen, um 3,2 Zentimeter bei Männern. Mit zunehmendem Wohlstand sind Menschen in den Industrieländern in den vergangenen Jahrzehnten ohnehin immer größer geworden. Das könnte an der besseren Ernährung liegen oder auch an der flächendeckenden medizinischen Versorgung. „Doch eigentlich sind das nur Vermutungen“, sagt Rupp. Der Trend bestätige sich durch die aktuelle Messung, werde aber langsam abgebremst. Warum das so sei, könne die aktuelle Forschung ebenfalls noch nicht beantworten. „Man könnte versuchen, es damit zu erklären, dass die Zeit des Friedens und Wohlstands jetzt schon sehr lange anhält und sich dann irgendwann das Größenwachstum verlangsamt. Vielleicht gibt es aber auch eine biologische Grenze für das Größenwachstum“, sagt Rupp.

Gemessen wurden 44 einzelne Körpermaße. Neben der Kniehöhe sowie dem Waden- und Handgelenksumfang wollten die Forscher auch wissen, wie stark sich die Schultern neigen und welchen Abstand die Brustpunkte haben. Ein althergebrachtes Maßband musste dafür allerdings keiner der Ingenieure in die Hand nehmen: Vermessen wurde berührungslos mit modernster 3-D-Scannertechnologie. Insgesamt 13 362 Männer, Frauen und Kinder im Alter zwischen 6 und 87 Jahren wurden gemessen.

Finanziert wurde die Studie von den einzelnen Unternehmen, die an den Messergebnissen interessiert sind, etwa 100 Firmen aus Bekleidungs- und Autoindustrie.

Besonders stark werden sich die Ergebnisse auf die Bekleidungsindustrie auswirken. Konfektionsgrößen für Frauen haben die Hohenstein Institute bereits angepasst: „Bei der Größe 36 wird die Taille einen Zentimeter breiter sein“, sagt Rupp. Denn die Institute legen in den „Hohensteiner Maßtabellen“ seit 1957 die Maße für die Konfektionsgrößen fest, auf deren Basis Firmen dann Kleidung herstellen. Über das Größensystem für die Männer gibt es derzeit noch Diskussionen. Frühestens ab kommendem Jahr könnten die neuen Konfektionsgrößen dann im Handel erhältlich sein. Auch in eine europaweite Vereinheitlichung von Konfektionsgrößen sollen die erhobenen Daten einfließen.

Die Autoindustrie hat ebenfalls Interesse an den Daten der Studie. Veränderungen in den Körpermaßen müssen auch für die Entwicklung neuer Fahrzeuge berücksichtigt werden. So müssen Sitze und Gurte angepasst werden.

Karin Schädler

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