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Panorama: Koks und Kohle

An neun von zehn Euroscheinen klebt Rauschgift

Ist jeder Mensch ein Drogendealer? Kokain, Heroin, Ecstasy – es gibt wohl kaum einen, der damit noch nicht gehandelt hat. Die gute Nachricht: Die Mengen, mit denen wir Tag für Tag handeln, sind extrem gering, sie liegen im Mikrogrammbereich (millionstel Gramm). Sie brauchen also keine Angst vor einer strafrechtlichen Verfolgung zu haben. Außerdem können Sie nichts dafür, dass Sie ein Dealer sind.

Denn die Droge haftet an den Geldscheinen in Ihrem Portemonnaie. Fritz Sörgel und seine Kollegen vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg haben unsere Banknoten unter die chemische Lupe genommen und festgestellt: An neun von zehn Euroscheinen klebt Kokain. Sörgels nüchterner Kommentar dazu: „Das ist schon beunruhigend.“ Auf Nachfrage im Nürnberger Institut hieß es: „Der Herr Professor wird sich dazu derzeit nicht äußern.“ Details will der Experte nämlich exklusiv am heutigen Mittwochabend in der Sendung „stern TV“ offenbaren (RTL, 22 Uhr 10).

Allerdings sind die Details der Studie bereits weitgehend bekannt. Und Herr Sörgel ist nicht der Erste, der Banknoten auf Drogenspuren untersucht hat. Schon Ende der 90er Jahre analysierte die Firma Mass Spec Analytical im britischen Bristol die Banknoten ihrer Majestät. Die Resultate übertrafen die „beunruhigenden“ Ergebnisse der jetzigen Nürnberger Wissenschaftler sogar: Über 99 Prozent aller Scheine, fanden die Briten heraus, hatten sich mit Kokain bekleckert. Es gab kaum eine untersuchte Banknote, so das Fazit der Forscher damals, die „sauber“ geblieben war.

In Nürnberg haben die Forscher insgesamt 700 Euro-Noten auf Drogenspuren getestet. Im Januar 2002 – also kurz nach der Währungsumstellung – waren nur zwei von 70 Scheinen kontaminiert. Bereits wenige Monate später, im August 2002, war die „Durchseuchungsrate“ auf 90 Prozent gestiegen. 0,4 Mikrogramm Kokain pro Schein registrierten die Forscher im Schnitt – auf den größeren Scheinen (100, 200, 500 Euro) fanden sie in der Regel nur wenig Stoff. Die höchste Drogenmenge zeigte sich auf einem spanischen Schein – sechs Milligramm Kokain.

Doch wie kommt das Kokain überhaupt auf die Geldscheine? Banknoten werden bekanntlich gern dazu benutzt, Drogen durch die Nase zu schnupfen. Die Scheine bestehen aus reiner Baumwolle, und Kokainkristalle bleiben daran leicht haften. „Dann gibt sich die Droge von Schein zu Schein weiter“, sagt der Drogenexperte Fritz Pragst von der Berliner Charité. „In der Bank, in Zählmaschinen, im Geldbeutel.“

Das heißt: Die meisten Scheine dienen nie als Schnupfvehikel – sie stecken sich an anderen, kokainverseuchten Bankoten an. Immerhin, so ergab die Studie aus Bristol: Bei jeder 20. britischen Banknote war die Menge der Kokainreste so hoch, dass man sie wahrscheinlich direkt als Schnupfschein benutzt hatte. Da sich die meisten Scheine nur indirekt mit Kokain beschmutzen, besteht kein Grund für Alarm. Einerseits. Beunruhigend sind andere Zahlen. So ergab eine Erhebung des Instituts für Therapieforschung in München, dass rund eine Million Deutsche schon einmal Kokain versucht haben. Und das Suchtpotenzial der Droge ist hoch. „Doch was das Geld betrifft, keine Sorge“, sagt Experte Pragst, „Sie können an Ihren Scheinen schnuppern ohne süchtig zu werden.“

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