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Komasaufen: Gefährliche Vorbilder

Keine Sportschau ohne Bierwerbung: Laut einer Studie verführt Werbung Jugendliche zum Trinken.

Berlin - Dieses Vorprogramm ist Pflicht: Keine Sportschau und kein Tatort ohne Bierwerbung, kein Musikmagazin ohne Whiskyreklame. Es erstaunt also kaum, dass nur ein bis zwei von hundert Heranwachsenden angeben, solche Werbung für alkoholische Getränke noch nie gesehen zu haben.

Neu ist allerdings, dass nun auch aus Deutschland wissenschaftliche Daten vorliegen, die die Befürchtung stützen, dass die Werbung bei den Jugendlichen Wirkung zeigt: Je mehr Alkoholwerbung 10- bis 17-Jährige anschauen und je besser sie sie kennen, desto mehr trinken sie auch.

Für die Studie, die die DAK beim Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel in Auftrag gegeben hat, wurden 3400 Schüler und Schülerinnen aus 174 Klassen in Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein befragt. Klares Ergebnis: Die Gruppe mit dem höchsten Werbekontakt konsumierte gleichzeitig auch am meisten alkoholische Getränke. Jungen – die immer noch deutlich mehr trinken als Mädchen – erinnerten sich dabei häufiger an Details der Werbespots und an bestimmte Marken als Mädchen. Fragten die Wissenschaftler nach der Bekanntheit von Werbung für Handys oder Süßigkeiten, dann zeigte sich dieser Geschlechterunterschied dagegen nicht.

Verführen die Bilder der sich gut gelaunt zuprostenden jungen Erwachsenen Heranwachsende also dazu, früher damit anzufangen und mehr zu trinken, als ihnen guttut? Für Zigaretten hat das schon eine ganze Reihe von Studien gezeigt. Man könnte einwenden, dass – wie bei der Werbung für Waschmittel oder Hustensaft – ohnehin nur diejenigen hingucken, die schon zuvor Interesse an den Produkten hatten. Dagegen spricht allerdings, dass schon die Zehnjährigen Detailkenntnisse bei den Alkoholika bewiesen.

Die jüngsten „Komasäufer“, die mit einem Vollrausch in die Notaufnahme von Krankenhäusern eingeliefert werden, sind heute nur zwei Jahre älter. Den Daten der DAK zufolge ist die Rate dieser Einweisungen Minderjähriger in den letzten vier Jahren um 36 Prozent gestiegen.

Insgesamt trinken die Jugendlichen inzwischen weniger, doch das Phänomen der „Binge-Drinker“, die auf einen Schlag große Mengen Alkohol konsumieren, hat deutlich zugenommen. „Hier zeichnet sich eine deutliche Trennung zwischen zwei Gruppen von Jugendlichen ab“, beobachtet Vivantes-Kinder- und Jugendpsychiater Oliver Bilke. Möglicherweise sind die Vieltrinker zugleich diejenigen, die stärker auf die Welt der schönen Bilder reagieren. „Anfällig für solche Schlüsselreize sind einerseits die Ausprobierer, die impulsiveren Jugendlichen, andererseits aber auch depressive und traumatisierte Heranwachsende“, sagt Bilke. Bilder vom unabhängigen Leben junger Erwachsener sind aber für alle 14- bis 18-Jährigen attraktiv: Das sind die Vorbilder, denen man nachstrebt.

Anlässlich der Vorstellung der neuen Studie betonte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Sabine Bätzing denn auch, Alkoholwerbung solle in Deutschland künftig vor der Ausstrahlung auf Befolgung der Regeln für den Jugendschutz geprüft werden. Jugendpsychiater Bilke hält es zusätzlich für wichtig, dass schon Kinder Medienkompetenz erwerben und lernen, die „Machart“ von Werbespots zu durchschauen. Allerdings können sie diese kritische Sicht nur von Erwachsenen lernen, die selbst im Umgang mit Bier, Wein und Schnaps souverän wirken. Adelheid Müller-Lissner

Adelheid Müller-LissnerD

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