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Im Militäreinsatz. Russen und Amerikaner setzen Delfine seit den 60er Jahren vor allem zu Aufklärungszwecken ein. Das Bild zeigt einen US-Delfin mit Kamera.

© AFP

Krim: Kampf-Delfine der Ukraine von Russen übernommen

Auf der Krim haben die Russen die Delfin-Spezialeinheit der ukrainischen Schwarzmeerflotte übernommen. Seit dem Kalten Krieg in den 60er Jahren haben Sowjets und Amerikaner Meeressäuger eingesetzt - vor allem zu Aufklärungszwecken.

Die Lage auf der Krim bleibt ernst – aber sie hat auch ihre skurrilen Seiten. Während die Übernahme der ukrainischen Marine durch die russische auf der Halbinsel noch in vollem Gange ist, wurde dieser Tage bekannt, dass eine ungewöhnliche Spezialeinheit der ukrainischen Seestreitkräfte zwischen die Fronten geraten ist: die Kampf-Delfine von Sewastopol.

Der Einheit gehören auch Seelöwen an

Bislang dienten die militärisch ausgebildeten Seetiere in der ukrainischen Schwarzmeerflotte, die in der Küstenstadt im Südwesten der Krim stationiert ist. Im selben Hafen liegt auch die russische Schwarzmeerflotte vor Anker, die ihren Teil des Areals in den vergangenen zwei Jahrzehnten von der Kiewer Regierung pachtete. Seit dem Anschluss der Halbinsel an Russland hat das russische Militär damit begonnen, Schritt für Schritt den ukrainischen Teil der Flotte zu übernehmen. Im Rahmen dieses erzwungenen Seitenwechsels wurde nun auch die ukrainische Delfin-Staffel in die russische Marine überführt. Das erfuhr die Moskauer Nachrichtenagentur RIA Novosti von einem Mitarbeiter des Sewastopoler „Okeanariums“, einer maritimen Militärforschungseinrichtung, die noch aus Sowjetzeiten stammt.

Auch im kalifornischen San Diego werden Meerestiere ausgebildet

Wie viele Kampftiere in Sewastopol stationiert sind, ist nicht bekannt. Der Mitarbeiter des Okeanariums verriet lediglich, dass zu seiner Einheit neben Delfinen auch ein paar Seelöwen gehören.

Weltweit gibt es nur zwei Marinestützpunkte, die Delfin-Einheiten ausbilden und einsetzen: Der eine befindet sich in Sewastopol, der andere im kalifornischen San Diego. Beide Programme wurden etwa zeitgleich gestartet, in den 60er Jahren, als sich die Sowjetunion und die USA im Wettrüsten des Kalten Krieges mit immer neuen martialischen Innovationen zu übertrumpfen suchten.

Sehen Sie hier ein Video über Kampf-Delfine in San Diego

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Viele Legenden ranken sich um die Delfin-Einheiten

Viele Legenden ranken sich um die Delfin-Staffeln, über deren tatsächliche Einsätze nicht allzu viel bekannt ist. Immer wieder wurde in den vergangenen Jahrzehnten über Delfine spekuliert, die mit am Körper befestigten Harpunen Jagd auf feindliche Taucher machen, Minen unter Wasser deponieren oder in Kamikaze-Einsätzen gegnerische Schiffe in die Luft sprengen. Sowohl die US-Navy als auch die sowjetische und später die ukrainische Marine haben jedoch wiederholt dementiert, Delfine zu Tötungs- oder Selbsttötungseinsätzen auszubilden.

Tatsächlich ist es eher der hervorragende Ortungssinn der Wassertiere, der Delfine für militärische Aufklärungsmissionen interessant macht. So werden die in Sewastopol eingesetzten Tiere unter anderem dazu ausgebildet, im Dienst der Marine feindliche Taucher zu lokalisieren, Minen aufzuspüren und unter Wasser militärische Ausrüstungsgegenstände einzusammeln.

Der ungenannte Mitarbeiter des Okeanariums berichtete RIA Novosti zudem von einem Forschungsprogramm, das es ermöglichen soll, die von Delfinen zur Orientierung eingesetzten Ultraschallimpulse in computerlesbare Signale umzuwandeln – damit wären die Tiere sozusagen als mobiles Echolot einsetzbar. Leider, fügte der Mann hinzu, hätten jedoch die Geldmittel der ukrainischen Marine nicht gereicht, um das Programm am Laufen zu halten. Er brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass der Delfin-Staffel unter russischer Führung mehr Geld zugewiesen werde.

Angeblich sollen Tiere an Iran verkauft worden sein

In finanzielle Schieflage war die Delfin-Einheit von Sewastopol bereits nach der ukrainischen Unabhängigkeit geraten. In den 90er Jahren begann das Okeanarium, seine Tiere auch für therapeutische Zwecke zu vermieten, etwa für Schwimmkurse mit autistischen Kindern. Im März 2000 wurde gerüchteweise berichtet, die Marine habe aus Finanznot knapp 30 ausgebildete Kampfwassertiere an den Iran verkauft – darunter neben Delfinen und Seelöwen angeblich auch drei Kormorane sowie einen weißen Beluga-Wal. Eine Moskauer Boulevardzeitung kommentierte damals entsetzt, die ukrainische Armee verscherbele „die Geheimwaffen der Sowjetarmee“.

Die Nachricht vom Seitenwechsel der Krim-Delfine dürfte patriotisch gesinnte Russen also freuen. Wie überhaupt Moskaus Übernahme der ukrainischen Marine derzeit in den russischen Staatsmedien frenetisch bejubelt wird. Am Mittwoch wurde der letzte ukrainische Widerstand gebrochen, seitdem weht über allen 193 Militärstützpunkten auf der Krim die russische Flagge. Von den 61 Schiffen der ukrainischen Schwarzmeerflotte hat Russland 51 beschlagnahmt, den übrigen gelang die Flucht in ukrainische Hoheitsgewässer. Umstritten ist, wie viele der etwa 18 000 auf der Krim stationierten ukrainischen Soldaten zu Russland übergelaufen sind. Der Kiewer Verteidigungsminister sprach am Dienstag von mindestens 4500 fahnentreuen Ukrainern, der russische Generalstabschef dagegen von nur 1500 Soldaten, die derzeit in einem Sammellager bei Sewastopol ihre Überführung aufs ukrainische Festland erwarten.

Die Delfine von Sewastopol dürfte niemand gefragt haben, auf welcher Seite sie lieber dienen wollen. Ob ihre frei lebenden Artgenossen im Schwarzen Meer sie nun als Landesverräter betrachten, wurde nicht bekannt.

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