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Kritik aus den eigenen Reihen: Türkei verschärft Internetzensur

Seit Monaten steht die Türkei wegen der Blockade Tausender Internetportale international in der Kritik. Doch die islamisch-konservative Regierung in Ankara zeigt sich unbeeindruckt.

Sie will jetzt die Zensur im Internet sogar noch verschärfen. Der Innen- und der Justizminister hätten beschlossen, bei der Polizei eine „Zentralstelle für die Verfolgung von Internetverbrechen“ einzurichten, meldeten mehrere türkische Medien. Die neue Fahndungsbehörde soll „schädliche Webseiten“ aufspüren, binnen 24 Stunden per Gerichtsbeschluss blockieren lassen und Strafverfahren gegen die Betreiber einleiten.

Dabei waren die türkischen Behörden schon bisher nicht zimperlich mit dem Verbot vermeintlich gefährlicher Internetseiten. So ist der Zugang zu dem Videoportal YouTube seit über zwei Jahren gesperrt. Der Grund: über YouTube wurden einige Videoclips verbreitet, in denen der türkische Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk angeblich verächtlich gemacht wurde. Jüngst haben die türkischen Behörden auch eine Anzahl von Google-Diensten gesperrt. Insgesamt sind in der Türkei etwa 5000 Internetadressen auf Beschluss der Behörden blockiert. Die Verbote stützen sich auf ein Gesetz, das 2007 von der islamisch-konservativen Regierung konzipiert worden war. Es ermächtigte die Zensurbehörde, den Zugang zu Internetseiten auch ohne Gerichtsbeschluss zu blockieren.

Die EU, mit der die Türkei über einen Beitritt verhandelt, und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) haben die türkischen Internet-Zensurpraktiken mehrfach deutlich kritisiert. Der britische Europa-Abgeordnete Richard Howitt wirft der Türkei vor, sie stelle sich mit ihrer Internetzensur in eine Reihe mit Ländern wie Nordkorea, Iran und Vietnam.

Auch in der Türkei wächst die Kritik. Die Internet Technologie-Vereinigung (Inted) will gegen die Verbote vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen. Die Zensurpraktiken seien „eine Verletzung unserer Grundrechte und der Meinungsfreiheit“, sagt Yaman Akdeniz, Juraprofessor an der Istanbuler Bilgi Universität.

Sogar der türkische Staatspräsident Abdullah Gül kritisierte die Internetzensur in seinem Land. Sie behinderten die „Integration der Türkei mit der Welt“, schrieb Gül kürzlich auf dem Internetportal Twitter. Vielleicht wird ja auch dieser Dienst jetzt verboten.

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