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Kritik: Schulddebatte in Sachsen

In Sachsen beschweren sich die Menschen über fehlende Informationen über das Hochwasser. Nun wird nach Schuldigen gesucht.

„Ganz Sachsen wusste Bescheid, nur wir nicht!“ Pensionsbetreiber Andreas Wendler aus Görlitz ist nicht der Einzige, der sich über ungenügende Warnungen vor dem katastrophalen Hochwasser in Sachsen beschwert. Während am Fluss in der deutsch-polnischen Grenzstadt am Samstag die ersten Evakuierungen liefen, wurde in anderen Ortsteilen noch unwissend munter gefeiert. Selbst direkt an der Neiße saßen Menschen in ihren Wohnungen, ohne etwas von der drohenden Gefahr zu ahnen. Zu diesem Zeitpunkt versank im 35 Kilometer entfernten Zittau ein ganzer Stadtteil im Wasser der Neiße. Aus dem benachbarten Polen rollte nach einem Dammbruch bereits eine Flutwelle auf Görlitz zu.

Vielerorts regt sich seit Samstag in Sachsen Kritik. Die erinnert an die Situation im Katastrophensommer 2002, als eine Jahrhundertflut in etlichen Teilen des Landes eine Spur der Verwüstung hinterließ und viele Todesopfer forderte. Auch damals beschwerten sich die Betroffenen über fehlende Vorwarnungen und unzureichende Informationen. Im Nachgang wurde nicht nur viel für den Hochwasserschutz getan, auch das Melde- und Alarmsystem ist komplett geändert worden. So werden Warnungen vor Hochwasser von einem eigens eingerichteten Zentrum direkt an die Verantwortlichen in die Kommunen gegeben, die dann handeln müssen. So war es auch am vergangenen Wochenende.

Sachsens Umweltminister warnt vor vorschnellen Schuldzuweisungen

Weshalb sich nun aktuell wieder Menschen über fehlende Informationen beschweren, dürfte nach den äußerst kritischen Medienberichten in den kommenden Tagen ein Thema für die Politik sein. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) relativierte am Montag erst einmal: Er habe Verständnis für die Kritik von Bürgern, es müsse jedem Einzelfall nachgegangen werden. „Aber aus der Perspektive des Landes und den Erfahrungen der letzten beiden Tage kann ich berichten, dass der Großteil der Menschen zufrieden gewesen ist.“ Sachsens früherer Umweltminister Steffen Flath warnte sogar vor vorschnellen Schuldzuweisungen. „Im Augenblick geht es ums Aufräumen, ums Helfen, darum, die Infrastruktur wieder in Ordnung zu bringen.“ Sachsens Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau gab Volkes Stimme wieder: „Die Leute waren oft nicht schnell genug informiert.“ Die Warnung der Menschen in den Kommunen sei unzureichend gewesen. Sie hätte gern, dass alle Kommunen eine Sirene anzuschaffen müssen. Schließlich hatten etliche Menschen die Durchsagen der Polizei nicht gehört, die am Samstagabend - wie in Görlitz - per Lautsprecher warnte.

Die Debatte über Probleme und Schuld dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen. Nach der Jahrhundertflut 2002 wurden minutiös etwa die Protokolle der Katastrophenschützer ausgewertet. Das dauerte damals einige Monate. Auch jetzt wird noch genau festzustellen sein, wer wann Informationen etwa über den drohenden Starkregen, die steigenden Wasserstände oder die anrollende Flutwelle vom gebrochenen Staudamm aus Polen weitergab.
Dass einige Alarmketten nicht funktionierten, steht außer Frage. Welche Konsequenzen gezogen werden, wird sich zeigen. Ärger und Wut bei Pensionsbetreiber Wendler aus Görlitz und bei anderen bleiben. (dpa)

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