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Panorama: Kulturrevolution 2.0

Zum ersten Mal sagt Peking offen, wie China die Welt erobern will: im Kampf um die Köpfe

Auf dem Weg zur führenden Weltmacht lässt sich China nicht aufhalten. Unauffällig, aber systematisch kauft Peking auf der ganzen Welt Land, um sich auf lange Sicht Bodenschätze und Anbaufläche zu sichern, systematisch wird der Export ausgebaut, systematisch wird die eigene Währung zur Weltleitwährung aufgebaut, um eines Tages den Dollar abzulösen. Um die USA als Weltmacht Nummer eins hinter sich zu lassen, muss aber ein Feld noch völlig neu erobert werden. Es geht um die einst als „US-Kulturimperialismus“ geschmähte Ausstrahlung der amerikanischen Kultur. Gegen die Anziehungskraft dessen, was Ernest Hemingway, Coca-Cola, Steven Spielberg, Steve Jobs und Lady Gaga verkörpern, hat China bisher nicht viel entgegenzusetzen.

Es gleicht einer Sensation, was das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas am Dienstag beschlossen hat. „Die Kultur wird immer mehr zu einem bedeutenden Element umfassender nationaler Stärke und Wettbewerbsfähigkeit“, heißt es in dem Beschluss. Chinas kultureller Einfluss solle weltweit ausgebaut werden. China solle mehr herausragende Kulturprodukte herausbringen und damit das Ausland begeistern. „Wir spüren die dringende Aufgabe, unsere Bemühungen zu verstärken, den Einfluss der chinesischen Kultur weltweit auszubauen“, heißt es in dem offiziellen Dokument, das die „Volkszeitung“, Sprachrohr der Partei, in einem Leitartikel aufgriff.

Es ist das erste Mal, dass Peking offen postuliert, die Welt kulturell zu erobern.

„Soft Power“ heißt das Stichwort, das die Experten benutzen. Dabei geht es nicht um Geld oder Wirtschaft. Es geht um Ideen. Um die Köpfe der Menschen. Um die Werte, nach denen die Menschen leben wollen und sollen.

Mit dem Beginn des wirtschaftlichen Aufstiegs und den wachsenden internationalen Verflechtungen musste Chinas Führung feststellen, dass es um das Image des von ihr geprägten autoritären Kapitalismus schlecht bestellt ist. Viel Geld hat man schon in den vergangenen Jahren aufgewendet, um das zu ändern. Aushängeschild der Imagepflege sind die Konfuziusinstitute, die seit 2004 weltweit wie Pilze aus dem Boden schießen. Hunderte solcher Institute gibt es mittlerweile. Und Chinas staatliche Medien können auf großzügige Mittel zurückgreifen, um internationale Ausgaben ihrer Zeitungen herauszubringen. Nicht zuletzt dienten Großveranstaltungen wie die Weltausstellung 2010 oder die Olympischen Spiele 2008 dazu, China ins rechte Licht zu rücken.

Auch wenn diese Bemühungen schon seit Jahren auf Hochtouren laufen, bilden die neuen Richtlinien zur „kulturellen Reform“, die jetzt formuliert wurden, doch einen Einschnitt. Zum einen, weil erstmals ein kulturimperialistischer Anspruch formuliert wird, den man Chinas Führung bisher eher zugesprochen hatte, als dass sie ihn selbst ausgesprochen hätte. Zum anderen, weil der Eindruck erweckt wird, als wolle man nicht nur einfach wie bisher seinen „Sozialismus chinesischer Prägung“ als für die Volksrepublik notwendige Lösung verteidigen. Vielmehr haben die Wirtschaftskrisen in den USA und Europa Pekings Machthaber scheinbar zur Überzeugung gebracht, dass ihr System als Modell für andere Länder taugt.

Zuletzt war es die US-Schuldenkrise, die China aus der Deckung lockte. Scharf kritisierte Peking die politischen Machtspiele in Washington. So scharf, dass sich nicht wenige Beobachter die Augen rieben. Asiatische Zurückhaltung, das von Peking viel gepriesene Prinzip der Nichteinmischung in die Angelegenheit anderen Staaten – wenig war von dem zu sehen, was die chinesische Außenpolitik in den letzten Jahren geprägt hatte.

Natürlich spielte in der harschen Reaktion die Sorge um chinesische Investitionen eine Rolle. Etwa 1,2 Billionen US-Dollar hält Peking in amerikanischen Staatsanleihen. Doch die Misere der USA galt Chinas Parteistrategen offenbar auch als Startschuss, um an der globalen Vorherrschaft westlicher Werte zu kratzen. Spätestens mit der Herabstufung der amerikanischen Kreditwürdigkeit scheint manch Parteifunktionär die Zeit für einen Systemvergleich gekommen zu sehen. Zu ihnen gehört Chinas Vize-Außenministerin Fu Ying. „Der Westen glaubt, dass nur sein System funktioniert. Das mag für manche Länder so sein, aber wie man an der jüngsten Finanzkrise sieht, haben auch sie gelegentlich Schwierigkeiten. Demokratie allein bringt eben noch kein Essen auf den Tisch“, sagte Fu dem „Spiegel“.

Aber der Aufruf des ZK zu „kulturellen Reformen“ ist nicht nur als Kampfansage nach außen gemeint, sondern richtet sich auch nach innen. Dabei sticht besonders der Begriff der „kulturellen Sicherheit“ heraus. Was Chinas Führung darunter versteht, wird erst im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen chinesische Internetnutzer deutlich. Chinas Führung fürchtet den kulturellen Kontrollverlust, wenn Chinas Jugend über das Internet westliche Konsumgüter, westliche Lebensart und westliche Kultur annimmt.

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