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Panorama: Kurzer Prozess

Nicht einmal vier Stunden dauerte die Beratung der Geschworenen. Dann stand das Urteil fest.

Nicht einmal vier Stunden dauerte die Beratung der Geschworenen. Dann stand das Urteil fest. Andrea Pia Yates ist schuldig. Der psychisch schwer kranken Mutter, die im Sommer vergangenen Jahres ihre fünf Kinder in der Badewanne ertränkt hatte, droht nun die Todesstrafe. "Das wirft uns zurück in die Zeit der Hexenjagd, als angeblich dämonisierte Frauen umgebracht wurden", sagte anschließend ihr Verteidiger, George Parnham. Ehemann Russell, der als Computerexperte bei der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa arbeitet, stammelte bloß "Oh, mein Gott" und "Das ist unglaublich, unglaublich". Er hatte während der Urteilsverkündung seinen Kopf in beiden Händen vergraben, die Augen waren nach unten gerichtet. Der US-Bundesstaat Texas, der ohnehin als todesstrafensüchtig und juristisch extrem rigide gilt, hat seinen Ruf erneut bestätigt.

Das Absurde ist: Kein Prozess-Beteiligter hat bestritten, dass Andrea Yates seit mindestens zwei Jahren psychisch schwer krank ist. Sie litt an einer postpartalen Psychose, hatte nach der Geburt ihres vierten Kindes zweimal versucht, sich selbst das Leben zu nehmen, war mehrfach für jeweils längere Zeit in die Psychiatrie eingewiesen worden, nahm in unregelmäßigen Abständen starke Medikamente. "Wenn diese Frau nicht geistig krank ist, dann ist es niemand", hatte ihr Anwalt während des Prozesses gesagt, der insgesamt 17 Tage gedauert hat. "Sie war zur Tatzeit dermaßen psychotisch, dass sie absolut überzeugt davon war, das Richtige zu tun." Die 37-Jährige hatte nach ihrer Verhaftung gesagt, sie habe die Kinder töten müssen, damit sie in den Himmel kommen. Anderfalls hätte der Satan, dessen Stimme sie öfter gehört habe, die Seelen der Kinder in die Hölle gerissen.

Für die Schuldproblematik entscheidend ist in Texas jedoch allein die Frage, ob Andrea Yates zur Tatzeit wusste, dass ihre Handlung verboten ist. Dagegen sprach, dass sie nach der Tat sofort die Polizei verständigt und auf die Beamten einen rationalen Eindruck gemacht hatte. Als Beleg dafür wurde unter anderem die Tatsache gewertet, dass sie den Polizisten etwas zu trinken anbot, zuvor die Gläser reinigte und ihnen sofort den Ort zeigen konnte, an dem normalerweise die Haustürschlüssel versteckt waren. Außerdem hatte sie mit dem Verbrechen gewartet, bis ihr Mann das Haus verlassen hatte und sie mit den fünf Kindern alleine war. Aus alledem schloss die Anklage, dass sie durchaus in der Lage gewesen sei, zwischen "richtig und falsch" zu unterscheiden. So sah es auch die Jury.

"Es geht hier nicht um Sympathie", sagte der Anklagevertreter in seinem Schlussplädoyer an die Adresse der zwölf Geschworenen, acht Frauen und vier Männer, gerichtet. "Sie sollen aufgrund der Fakten und Gesetze entscheiden, nicht aus Sympathie für das Schicksal dieser Frau." Wenig später redete sich der Ankläger dermaßen in Rage, dass er sich später bei der Vorsitzenden Richterin für die Lautstärke entschuldigen musste. "Vielleicht glaubte Frau Yates ja tatsächlich, ihre Kinder eines nach dem anderen ertränken zu müssen", brüllte er, "aber das ist nicht das Gesetz in Texas."

Jetzt droht der ehemaligen Krankenschwester, die in der Haft mit Psychopharmaka behandelt wurde, die Todesstrafe. Am Dienstag, während der Urteilsverkündung, stand sie ausdruckslos vor der Richterin, ihr Verteidiger hielt einen Arm um sie. Als die das Wort "schuldig" hörte, blinkerten nur ihre Augenlider. Von der Geschwindigkeit der Jury-Beratung waren sämtliche Juristen überrascht.

Sie hatten eine langwierige Prozedur, womöglich ein Patt erwartet. Das Strafmaß - als Minimum 40 Jahre Haft ohne Begnadigungsmöglichkeit - wird ab Donnerstag nach einem gesonderten Verfahren von denselben Geschworenen festgesetzt.

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