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Panorama: Lady als Kracher

Anke Engelke löst Harald Schmidt bei Sat 1 ab – wechselt der jetzt ins Erste?

Bei Sat 1 heißt es, Anke Engelke war erste Wahl. Nicht nur für Senderchef Roger Schawinski, sondern wohl auch für ihren Vorgänger Harald Schmidt. Zumindest hat der ahnungslose Late Night Talker sich so spontan erklärt, als er von der Nachfolgeregelung hörte. Jetzt gehen alle drei erst einmal in die Schweiz in Urlaub: Engelke und Schawinski ins Bündnerland – getrennt natürlich –, Schmidt nach Lenk im Wallis.

Während Schmidt seine kreative Pause über einen längeren Zeitraum genießen will (er soll behauptet haben, noch mit niemandem verhandelt zu haben), beginnen für Engelke im Mai 2004 drei stressige Jahre – vier Mal in der Woche auch Humor zu produzieren, ist eine andere Welt als ihr wöchentlicher „Ladykracher“, der nun ausfällt. So sehr die Wahl von Anke als erstklassiger Coup des neuen Sat-1-Chefs Schawinski gelobt wird: Der Schweizer hat sich damit nicht nur neue Freunde geschaffen. Andere Entertainmentgrößen hatten sich Hoffnung auf Schmidts Nachfolge gemacht, sagt Hugo Egon Balder, der mit „Genial daneben“ bei Sat 1 arbeitet. Favorit von Schmidt soll neben Anke Engelke Hape Kerkeling gewesen sein, heißt es bei Bonito TV in Köln, der Produktionsfirma der „Harald Schmidt Show“. Anke Engelke hat auf jeden Fall den Segen von Schmidt, den Beobachter wiederum bereits bei der ARD sehen wollen. Es könnte – höchste Spekulationsstufe – dann zur direkten Konkurrenz von Engelke und Schmidt kommen: Privat gegen Öffentlich-Rechtlich, 38-jährige Frau gegen 46-jährigen Mann, weiblicher Humor gegen männlichen, der ultimative Late-Night-Kick wäre das.

Anke Engelke wusste vor Freude am Dienstag weder ein noch aus. „Es ist die größte Herausforderung, die das deutsche Fernsehen bietet“, sagte sie. „Für jeden, der Spaß an Unterhaltung hat, ist Late Night die schönste Sache der Welt.“ Sat-1-Chef Schawinski hatte gleich mehrere Superlative für das neue Engagement übrig: „Anke Engelke ist nicht nur Deutschlands witzigster, sondern auch sein vielseitigster weiblicher Star.“ Sie mache großartige Interviews, perfekte Sketch-Comedy, sie singe grandios, fasziniere mit Witz, Spontaneität und Charme. Anke Engelke steht wieder vor einem Karrieresprung: Sie ist Deutschlands erfolgreichste Comedy-Frau. Ihre Sketch-Reihe „Ladykracher“ wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis und dem Deutschen Comedy-Preis gewürdigt .

Die Entertainerin hat ihren Drei-Jahres-Vertrag mit einem Gesamtwert von 40 Millionen Euro am Montag unterschrieben. Über ihr Honorar wurde nichts bekannt. Engelke wird die Show mit ihrer Firma Ladykracher produzieren. Sie ist ein Joint-Venture von Engelke mit der zum Viva-Konzern gehörigen Firma Brainpool, die bereits für ProSieben die Late-Night-Show „TV Total“ mit Stefan Raab produziert. Brainpool-Geschäftsführer Jörg Grabosch sagte, Engelke sei als Frau nicht direkt mit Schmidt vergleichbar, sie sei freundlich und weltoffen. Sie werde sich jeden Tag ein aktuelles Thema mit Gästen herauspicken. Ein ständiger Partner – wie Manuel Andrack bei Schmidt – sei nicht vorgesehen. Laut Grabosch ist unter dem Arbeitstitel „Late Night mit Anke“ eine Mischung ähnlich wie in der Anfangszeit der „Harald Schmidt Show“ geplant: Einspielfilme, Außenreportagen, Studio-Aktionen, Geplänkel mit Kollegen wie Olli Dittrich und Persiflagen.

Rund 70 Beschäftigte werden sich um das Format kümmern. Mit der Einbindung von Brainpool und Ladykracher haben sich die letzten Erwartungen zerschlagen, dass doch noch die Produktionsfirma Bonito TV, die Harald Schmidt gehört, den Zuschlag für den lukrativen Dauer-Sendeplatz bei Sat 1 erhält.

In der Branche wird der Einstieg von Anke Engelke in die Late Night unterschiedlich beurteilt. Experten gehen davon aus, dass die in Montreal geborene Diplomatentochter eine der besten Lösungen ist. Allerdings wurde auch Kritik laut. „Engelke ist keine Leitfigur für Halb-Intellektuelle“, urteilte der Medienexperte Lutz Hachmeister. Sie sei häufig schrill und laut, Schmidt sei eine in sich ruhende Figur aus dem Grotesk- Theater.

Am Dienstagabend dann die 1363. und letzte „Harald Schmidt Show“. Schmidt hielt sich an die Maxime von Ex-Teamchef Franz Beckenbauer: „Bloß im Endspiel nicht die Taktik ändern.“ Es wurde eine fast normale Sendung, allerdings kam statt des Wasserträgers Sven RTL-Star Günther Jauch auf die Bühne, stellte wortlos das obligatorische Glas Wasser auf Schmidts Schreibtisch und ging wieder. Ein Höhepunkt: eine Szene aus Samuel Becketts „Endspiel“. Schmidt in der Rolle des Blinden Hamm, Redaktionschef Andrack als Diener Clov, in weiteren Rollen das Show-Ensemble. Andrack: „Irgendetwas geht seinen Gang.“ Schmidt: „Gut. Geh nur.“ Zum Liebling des Jahres wurde Michel Friedman, von wegen „zweiter Chance“, gekürt. Der „Werkschor“ aus Mitarbeitern der Show intonierte „White Christmas“, aber auf Wunsch Schmidts mit deutschem Text: „Süß singt der Glockenturm: Weihnacht.“ Seiner Nachfolgerin Anke Engelke bekundete Schmidt, sie sei „genau die Richtige für diesen Job“. Das war’s.

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