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Außer mit Luftverschmutzung hat Berlin auch mit Lärm zu kämpfen. Selten sind die Lösungen dabei so einfach wie auf diesem Bild.

© Valentin Flauraud/epa/dpa

Lärm in der Hauptstadt: Berlins Weg zu einer leiseren Stadt

400.000 Berliner sind durch Verkehrslärm potenziell gefährdet. Einklagbare Grenzwerte gibt es nicht – dafür aber bald einen neuen Lärmaktionsplan.

Berlin ist entlang vieler Hauptverkehrsstraßen nicht nur ungesund dreckig, sondern auch zu laut. Was dagegen getan wird, muss das Land demnächst wieder der EU berichten – im Lärmaktionsplan, der alle fünf Jahre erneuert werden muss. 2018 ist der dritte seiner Art fällig; am kommenden Mittwoch beginnt die Öffentlichkeitsbeteiligung.

Vor allem nachts hat die Stadt – genauer: haben ihre Bewohner – ein Lärmproblem. Fast 400.000 Menschen sind potenziell gesundheitsschädlichen Pegeln über 55 Dezibel ausgesetzt; 340.000 davon durch Autoverkehr, die anderen durch Lärm von Bahnen aller Art.

Diese Zahlen der Umweltverwaltung stammen von Ende 2017. Sie liegen noch über denen von 2013, sind aber nach Auskunft der Fachleute wegen verfeinerter Datengrundlage nicht vergleichbar. Das gelte ausdrücklich auch für den Eisenbahnverkehr, der aktuell rund 36.000 Menschen die Nachtruhe raubt.

Der neue Lärmaktionsplan soll vor allem die wachsende Stadt im Fokus haben – mit dem Ziel, dass keine neuen Bereiche mit hohen Lärmbelastungen entstehen. Tagsüber gelten 65 Dezibel als Grenze, oberhalb der es nicht nur lästig, sondern gesundheitsschädlich werden kann. Das betrifft ein paar Menschen weniger als der nächtliche Lärm, aber ebenfalls mehr als 200.000. Misslich für die Betroffenen: Im Unterschied zur Luftqualität sind die Lärmwerte nur Zielgrößen ohne einklagbare Limits.

Tempo 30 für den Lärmschutz

Passiert ist einiges seit dem vergangenen Lärmaktionsplan: Nach Auskunft der Umwelt- und Verkehrsverwaltung gilt mittlerweile an 116 Hauptstraßenkilometern in Berlin nachts Tempo 30 aus Lärmschutzgründen. Vor fünf Jahren waren es 82 Kilometer. Der Effekt ist laut mehreren Untersuchungen deutlich wahrnehmbar.

Das Umweltbundesamt (UBA) kam in einer Studie zu dem Schluss, dass das real gefahrene Tempo zwar nur um etwa 17 km/h sinkt, wenn 30 statt 50 km/h angeordnet sind. Aber die extreme Raserei und damit auch die als besonders unangenehm empfundenen Lärmspitzen gingen deutlich zurück. Und die Reisezeit der Autos verlängerte sich real nur um höchstens zwei Sekunden pro 100 Meter, wie Messfahrten in Berlin ergeben hätten.

Ob die nächtlichen Tempo-30-Strecken an Hauptstraßen weiter ausgedehnt werden können, „bleibt abzuwarten“, teilt die grün geführte Umweltverwaltung vage mit. Parallel wird seit einigen Jahren verstärkt in lärmmindernden Asphalt investiert, der etwas teurer sei als herkömmlicher, aber auch einen spürbaren Effekt habe. Wobei Straßenschäden und Kopfsteinpflaster ohnehin zu den akustischen „Dauerbrennern“ gehören, wie aus der früheren Bürgerbeteiligung bekannt ist.

BVG setzt auf Elektrobusse

Zu den lokalen Lärmspitzen können auch anfahrende Dieselbusse gehören. Ab Ende 2020 soll die Busflotte der BVG den Grenzwert von 77 Dezibel einhalten, der vor rund zehn Jahren noch vom Gros der Busse überschritten wurde. Elektrobusse wären laut der Stadt Frankfurt am Main zehn Dezibel leiser als Diesel, also subjektiv nur etwa halb so laut. Aber die bleiben vorerst die Ausnahme in Berlin.

Die Anwohner der eigentlich umweltfreundlichen S-Bahn müssen sich überwiegend noch lange gedulden, bis es vor ihren Fenstern leiser wird: Die schon vor Jahren diskutierte schalltechnische Nachrüstung der häufigsten Baureihe 481 „wäre nur durch gravierende Veränderungen an den Drehgestellen und Radsätzen möglich“, heißt es bei der Bahn. Damit würden die in den 1990ern konstruierten, nach heutigen Standards nicht mehr zulassungsfähigen Waggons ihren Bestandsschutz verlieren.

Also bleiben sie so laut wie bisher. Dasselbe gilt für die West-Berliner Baureihe 480 aus den 1980ern, die dank kürzlich erneuerter Getriebe und Lager jetzt zumindest wieder so leise fährt wie zu Beginn ihres Lebens. Und die DDR-Baureihe 485 soll ab 2021 sukzessive ausgemustert werden.

Flugverkehr bleibt laut

Leiser wird es vor allem da, wo die Bahn ihre Trassen saniert hat. 53 Kilometer seien seit 2001 geschafft worden, teilt das Unternehmen mit, zuletzt die Stettiner Bahn in Pankow. Aktuell stünden Ausbauvorhaben wie die Strecken in Richtung Frankfurt (Oder), Dresden und Stettin an, bei denen Lärmschutzwände errichtet werden. Und zwei Drittel der Güterwagen der DB seien auf „Verbundstoffsohlen“ umgerüstet worden. Diese Bremstechnik schont die Räder und senkt sowohl das Roll- als auch das Bremsgeräusch der oft besonders lauten Güterzüge.

Ein Spezialthema bleibt der Flugverkehr, der vor allem um Tegel hunderttausende Anwohner plagt. Mit Eröffnung des BER konzentriert sich der Krach auf den Südosten und das Umland. Und er wird sich auf den Tag konzentrieren, der zwar von 5 bis 24 Uhr dauern kann, aber zumindest nicht mehr die aktuell in Schönefeld erlaubten Nachtflüge enthält.

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