zum Hauptinhalt

Panorama: Leichtsinn oder Unglück?

Haben Urlauber und Wanderführer leichtsinnig gehandelt, als sie nach sintflutartigen Regenfällen die Bergschlucht auf der Kanareninsel La Palma durchwanderten? Dies werfen jedenfalls Einheimische und Naturbehörden jenen Ausflüglern vor, die in der "Schlucht der Ängste" von einer Flutwelle überrascht worden waren.

Haben Urlauber und Wanderführer leichtsinnig gehandelt, als sie nach sintflutartigen Regenfällen die Bergschlucht auf der Kanareninsel La Palma durchwanderten? Dies werfen jedenfalls Einheimische und Naturbehörden jenen Ausflüglern vor, die in der "Schlucht der Ängste" von einer Flutwelle überrascht worden waren. Am Tag des Unglücks, an dem drei deutsche Touristen starben, sei vor Wanderungen in dem steil abfallenden und Wasser führenden Gebirgstal gewarnt worden.

Zugleich wurde die Zahl der Opfer, die in den vergangenen beiden Tagen schwankte, nach unten korrigiert: Alle bislang als vermisst Gemeldeten seien aufgetaucht, hieß es am Donnerstag, es bleibe demzufolge bei derzeit drei Toten. Gleichwohl gehe die Suche weiter. Die Todesopfer kommen alle aus Deutschland: Ein Mann aus Offenbach, eine Frau aus Nürnberg und eine weitere Wanderin aus Sachsen.

Ein Sprecher des Tui-Reisekonzerns bestätigte, dass eines der weiblichen Todesopfer zu einer Tui-Gruppe gehörte, die unter Führung der Alpinschule Innsbruck eine Wanderung durch den berühmten "Barranco de las Angustias" (Schlucht der Ängste) machte. Die Alpinschule versicherte am Donnerstag, dass dem erfahrenen Bergführer der Gruppe "keine Warnung bekannt gewesen ist". Auch der lokale Wetterbericht für diesen Tag habe keinen Warnhinweis enthalten. "Den ganzen Tag über hatte die Sonne geschienen. Es war unmöglich, das Unwetter vorherzusehen", erklärt der Bergführer Marco Lozano. Die anderen beiden Todesopfer waren den Angaben zufolge auf eigene Faust in dem Tal unterwegs.

Rund 200 Urlauber, davon rund 100 aus Deutschland, entkamen am Dienstagnachmittag nur knapp einer Schlammlawine, die sich nach heftigen und stundenlangen Regenfällen die kilometerlange Felsschlucht herabgewälzt hatte. Die meisten Touristen, die in höher liegende Unterstände und Höhlen flüchten konnten, mussten bis zum nächsten Tag auf ihre Rettung warten.

Ein spanischer Wanderer bekannte nach seiner Bergung, dass ihn ein Einheimischer wegen des Regens vor der Schluchtbegehung gewarnt hatte. Doch er habe dies nicht ernst genommen bis dann plötzlich aus dem Nichts die Flut kam: "In 30 Sekunden stieg der Wasserspiegel um drei Meter."

Auch ein Sprecher des Nationalparkes, zu dem die Schlucht gehört, sprach von Leichtsinn. Es habe für den Unglückstag und auch schon am Vortag eine Unwetterwarnung für die Kanarischen Inseln gegeben. Auf Hinweisblättern in spanischer, deutscher und englischer Sprache werde davon abgeraten, die steile Schlucht, durch die ein Gebirgsbach fließt, nach Regenfällen zu durchqueren. Der Bürgermeister des unterhalb der Schlucht liegenden Ortes Tazacorte, Angel Rodriguez, sagte: "Die Einwohner von La Palma wissen, dass man besser nicht durch das Bachbett geht, wenn es die ganze Nacht zuvor geregnet hat."

Freilich wurde am Donnerstag auch gegen die Parkverwaltung der Vorwurf erhoben, die Besuchergruppen trotz des schlechten Wetters in die Schlucht und den oberhalb liegenden Bergkrater hineingelassen zu haben. Ein spanischer Wanderführer, der sich mit einer Urlaubergruppe im letzten Moment auf höheres Terrain retten konnte, sagte hingegen, "die Flutwelle ist nicht vorhersehbar gewesen". Alles sei sehr schnell gegangen. Von seinem Zufluchtsort aus habe er sehen können, wie mehrere Wanderer von der Wasser- und Geröllwelle mitgerissen wurden. "Es gab keine Chance, ihnen zu helfen." Unterdessen versuchten die Tourismusbehörden auf den Kanarischen Inseln, die Urlauber nach den schweren Unwettern der letzten Tage zu beruhigen.

Auf La Palma zum Beispiel wurden nach dem Schluchtunglück zahlreiche Reise-Stornierungen registriert. Auch auf den Nachbarinseln Gran Canaria, Fuerteventura und Lanzarote ging nach den schweren Unwetterschäden der letzten Tage die Angst um, dass die Urlauber im Winter ausbleiben könnten. Sintflutartige Regenfälle hatten auf den Kanarischen Inseln Millionenschäden angerichtet. Auf Gran Canaria trieb das Unwetter mehrere Hoteliers und Ladenbesitzer in den Touristenhochburgen an der Südküste in den Ruin. Dutzende von Angestellten wurden entlassen. Der Regen hatte Hotelhallen, Souvenir-Shops und Restaurants meterhoch unter Wasser gesetzt.

Ralph Schulze

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false