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Lena in einem ihrer vielen Outfits. Foto: dapd

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Panorama: Lena sucht Spaß

Grand-Prix-Siegerin trägt schwer am eigenen Erbe

Lena soll Spaß haben, so lautet am Montagabend Stefan Raabs Credo im zweiten Teil des Liedercastings „Unser Song für Deutschland“. Nur wenn Lena Spaß hat, haben wir ihn alle. Es ist die Formel, die Deutschlands Titelverteidigung beim Eurovision Song Contest in den Bereich des Möglichen rücken und Deutschland abermals in eine Wohlfühlrepublik verwandeln soll. Aber Lena hat keinen Spaß. Ob es daran liegt, dass sie nie dem Post-Abiturstress entronnen ist – jedenfalls trägt sie auch die sechs Songs des Abends wie eine Leistungsschülerin vor. Mehr darauf bedacht, keine Fehler zu machen, als von etwas angetrieben, das unbedingt gesagt werden musste.

„Man kann keine eigenen Gefühle haben, weil sie einem eingetrichtert werden“, sagt sie, angesprochen auf ihren persönlichen Favoritensong. Und das ist exakt das Problem. Was vor einem Jahr noch als charmante Lösung des ewigen deutschen Grand-Prix-Dilemmas betrachtet wurde, liegt nun bleischwer um den Hals einer Sängerin, die nach einer eigenen Stimme sucht und nicht in der Lage ist, ihr Publikum, das wenige, das sie mit 1,82 Millionen Zuschauern noch hat, zu verführen.

So hatte sich Raab sein nationales Beglückungskonzept vermutlich nicht vorgestellt. Diesmal saßen mit Anke Engelke und Joy Denalane zwei halbwegs unbestechliche Powerfrauen neben dem Jury- Präsidenten. Die beiden erkannten die guten Songs und die Schwächen der schlechten sofort. Bügelten eine Peinlichkeit wie „Teenage Girls“ ab, die viel zu offensichtlich auf Lenas Zielgruppe hin bei einem Londoner Autorinnenduo bestellt worden war („beknackter Text“). Aber dem König der Lena-Show wagten sie dann doch nicht ins Gesicht zu sagen, dass sein abgehangen-einfallsloser Seventies-Soul bei „Mama Told Me“ nur jemandem einfallen kann, dessen Begeisterung für diese Musik über „Blues Brothers“ nie hinausgelangt ist. Folgerichtig wurde das Raab-Stück ins Finale gewählt. Niemandem schien aufzufallen, dass Lena vieles nicht ist, vor allem keine Soulröhre.

Überhaupt waren es die besseren Songs, die diesmal Lenas Defizite besonders deutlich hervortreten ließen. Zum Beispiel die Unfähigkeit, eine etwas kompliziertere Melodie zu treffen und ihr dort, wo sie vor der Entfaltung steht, emotionale Kraft zu geben. Trotzdem hat Raab wieder recht behalten. Die Zuschauer filtern das Beste heraus. Diesmal kamen zwei sehr schöne langsame Lieder weiter. Vor allem „Push Forward“ von zwei Berliner Komponisten scheint Lena an einem wunden Punkt zu treffen, wenn sie sich wünscht, auf die Rücklauftaste drücken zu können. Mit Spaß hat das nichts zu tun.

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