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Lörrach: Im Kampf mit dem Leben

Sabine R. war aus dem Haus der Familie ausgezogen und schlief auf einer Matratze in ihrem Büro.

Ein Haus steht am Waldrand. Der Dorfbach plätschert ruhig vorbei. Rote Bastelherzen hängen in den Fenstern. Eine Schwarzwald-Idylle. Hier in dem kleinen Ort Häg-Ehrsberg war Sabine R. einmal glücklich verheiratet.

Einige Kilometer weiter. Die Markus-Pflüger-Straße am nördlichen Rand der Lörracher Innenstadt ist ein recht beschauliches Quartier – ein paar alte Villen, das Krankenhaus und gepflegte Stadthäuser. Hier hatte Sabine R. ihr Anwaltsbüro.

Vor einigen Monaten zerbrach das Glück. Eine Nachbarin soll Reportern gesagt haben, dass ihr Mann eine andere Frau kennengelernt habe. Bestätigt ist diese Information bisher nicht. Aber die 41-jährige Anwältin trennte sich im Juni von Mann und Kind und zog nach Lörrach. Am Sonntagabend löschte sie dort ihre Familie aus. Bei ihrem anschließenden Amoklauf mit 300 Schuss Munition in der Tasche schoss sie auf der Straße und in dem Krankenhaus auf jeden, dem sie begegnete. Am Ende waren vier Menschen tot, 18 verletzt. Sie selbst brach – getroffen von 17 Polizeikugeln – tot zusammen.

Nach den Erkenntnissen von Polizei und Staatsanwälten war Sabine R. getrieben von ihren Beziehungsproblemen. Nach der Trennung bahnte sich ein Sorgerechtsstreit an. Sie litt auch unter einer Fehlgeburt, die sie 2004 hatte – in der Klinik, in der sie schießend durch die Gänge zog und einen Pfleger tötete.

Ob die zerbrochene Beziehung die Ursache war oder der Auslöser, ist unklar. Ehemalige Kollegen beschrieben die Frau als schwierig. Sie hatte lange Beschwerdebriefe an die Anwaltskammer geschrieben und darin andere Anwälte der Unfähigkeit bezichtigt.

Sabine R. hatte sich in ihrer Lörracher Kanzlei, die sie im Dezember bezogen hatte, notdürftig ein Zimmer eingerichtet. Sie hatte sich dort eine Matratze hingelegt. In dem Büro hatte der Sohn die Mutter am Sonntag besucht. Als der Vater ihn abholen wollte, kam es zu der tödlichen Tragödie und dem anschließenden Amoklauf im gegenüberliegenden St.-Elisabethen-Krankenhaus.

Das am Dienstag veröffentlichte Obduktionsergebnis zeigt: Die Frau schoss gezielt in Kopf und Hals ihres Mannes, eines 44 Jahre alten gelernten Schreiners. Ihren Sohn schlug sie bewusstlos und erstickte ihn dann mit einer Plastiktüte.

Die aus Ludwigshafen stammende Frau hatte sich bis 1996 im nordbadischen Mosbach in einem Schützenverein engagiert. Zuletzt hatte sie die Berechtigung für vier Waffen. Eine davon war die Tatwaffe.

Staatsanwalt Dieter Inhofer nannte die Frau „psychisch angespannt“. In psychiatrischer Behandlung sei sie aber nicht gewesen. Anzeichen für einen drohenden Amoklauf habe es nicht gegeben. Sie war den meisten Nachbarn ihrer Kanzlei nicht bekannt. Streit gab es, so berichten es Nachbarn, mit dem früheren Arbeitgeber der Frau, einem Privatunternehmen.

Ein mögliches Motiv für den Amoklauf nannte der Mediziner Kurt Bischofberger, seit 1994 Chef der Gynäkologie an dem Lörracher Krankenhaus: Eine Fehlgeburt könne Auslöser für große psychische Belastungen und Schäden sein. „Es ist ein Trauma, das verarbeitet werden muss und mit dem jede Frau unterschiedlich umgeht.“ Ob dies die Tat ausgelöst habe, werde sich jedoch nie klären lassen.

Ein gefallenes Kreuz prägt seit vielen Jahren den Innenhof der Klinik. Was früher häufig als eine allzu düstere Symbolik kritisiert wurde, ist nun ein passender Ort für Trauer. Blumen und Kerzen haben die Menschen hier niedergelegt. „Du warst mein bester Kindergartenfreund“, steht auf einer Karte.

Derweil werden letzte Aufräumarbeiten erledigt. Ein Hochdruckreiniger säubert das Pflaster von den letzten Spuren der Tat. mit dpa

Willi Adam

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