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Loveparade: Erste Ermittlungsergebnisse lassen viele Fragen offen

Der NRW-Innenminister und die Polizei erheben schwere Vorwürfe gegen den Veranstalter der Loveparade. Was folgt daraus?

Aufgeklärt ist die Loveparade-Katastrophe nicht. Es ist ein Baustein, den der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) und der Polizei-Inspekteur des Landes, Dieter Wehe, am Mittwoch präsentiert haben. Der aber kann Grundlage für weitere Aufklärung sein.

Wie stellt die Polizei den Ablauf dar?

Am Ende seines Vortrages stockt dem Inspekteur der Polizei die Stimme. Obwohl der Mann schon viele kritische Situationen beherrscht und einen klaren Kopf behalten hat, überwältigen ihn in dem Moment die Gefühle, als er von den vielen Toten auf der Rampe zum Loveparade-Gelände spricht. In den Minuten zuvor hatte er alle vermeintlichen Fehler und Versäumnisse des Veranstalters fast wie ein Buchhalter aufgelistet, die in der Konsequenz zu den Toten von Duisburg geführt hätten. Geschäftsmäßig berichtet er von Sicherheitskonzepten, von den Auflagen und Versprechen des Veranstalters, um dann hinzuzufügen: „Da wurde gegen klare Absprachen verstoßen.“

So zeichnet sich am Tage vier nach der Katastrophe vor allem das Bild eines offenbar hoffnungslos überforderten Veranstalters ab, den eine offenbar ebenfalls überforderte Stadtverwaltung weder bremsen, noch lenken konnte. Genau bei der Stadt und beim Veranstalter lag allerdings die Verantwortung für das Veranstaltungsgelände, nicht bei der Polizei. Erst auf Nachfrage habe diese die Genehmigung von den Behörden erhalten – am Samstag, dem Tag der Parade.

Dass die Polizei, wie Loveparade-Chef Rainer Schaller behauptet hat, die gegenteilige Anweisung gegeben haben soll, kann Wehe nicht nachvollziehen. Schaller hatte gesagt, dass die Schleusen am Tunnelaufgang auf Wunsch der Polizei geöffnet worden waren, doch Wehe hatte dafür keinen Beleg. Allerdings gibt er zu, dass dies gegen 13 Uhr 30 so gewesen sei, als sich 20 000 zunehmend wütende Raver vor den Schleusen stauten, die nur zur Hälfte besetzt gewesen seien. Da sei das Gelände noch kaum gefüllt gewesen.

Verstöße gegen die Auflagen habe es auch bei den Ordnern gegeben. Im Eingangsbereich, vor allem an der Rampe, sollten 150 Ordner des Veranstalters dafür sorgen, dass sich die Menschen auf dem Gelände verteilen; auf den Videos haben die Ermittler aber nur einige wenige identifiziert. Die zugesagte Kameraüberwachung versagte ebenfalls.

Wie reagiert der Veranstalter?

Einerseits zurückhaltend. Die Äußerungen von Jäger und Wehe würden „viele Fragen aufwerfen“. Die Vorwürfe müssten überprüft werden und man werde die Staatsanwaltschaft unterstützten, sagte Rainer Schaller. Auch Videos von sechs Kameras habe man den Ermittlern übergeben. Andererseits bleibt er letztlich bei seinem Vorwurf gegenüber der Polizei. Schaller kündigte in seiner Stellungnahme auch die Einrichtung eines Hilfsfonds an, um den Angehörigen der Opfer „schnell und unbürokratisch zu helfen“.

Wie verhält sich der Bürgermeister und könnte er einfach zurücktreten?

Am Mittwoch blieb er weiter spurlos verschwunden – aber im Amt. Formal ist Adolf Sauerland (CDU) kommunaler Wahlbeamter und als solcher kann er sein Amt nicht einfach niederlegen. Er muss einen Entlassungsantrag bei der Bezirksregierung Düsseldorf stellen und diese muss darüber entscheiden. „So etwas geht in der Regel dann aber schnell“, sagte ein Sprecher. In dem Entlassungsantrag muss auch der Zeitpunkt stehen, zu dem er sein Amt aufgeben will. „Noch liegt uns aber kein Antrag vor“, versicherte der Sprecher. Ob Sauerland im Falle eines Rücktritts seine Altersbezüge einbüßt oder nicht, muss das Landesamt für Besoldung und Versorgung entscheiden.

Sauerland könnte aber auch von den Duisburger Bürgern abgewählt werden. Voraussetzung dafür ist ein Abwahlverfahren, das vom Stadtrat eingeleitet werden muss. Angesichts der Kräfteverhältnisse in dem kommunalen Gremium ist dies jedoch unwahrscheinlich. Laut nordrhein- westfälischer Gemeindeordnung müssen mindestens 50 der 75 Duisburger Stadtratsmitglieder der Einleitung des Abwahlverfahrens zustimmen. Derzeit stellt die CDU 25 Sitze, als Ratsvorsitzender hat Sauerland ebenfalls Stimmrecht. Die anderen Parteien und Wählergruppierungen kommen auf 49 Sitze. (SPD 30 Sitze, Grüne sechs, Linke sechs, FDP drei, DWG drei sowie ein Fraktionsloser). Zur Einleitung des Abwahlverfahrens müsste Sauerland also den Rückhalt seiner Partei verlieren. Käme es zu einem solchen Antrag, wären die Einwohner zur Abstimmung gerufen und könnten mit einfacher Mehrheit seine Ablösung beschließen. Allerdings ist eine Wahlbeteiligung von mindestens 25 Prozent notwendig. Ein Nachfolger ist dann innerhalb einer Frist von sechs Monaten zu wählen.

Wie hat sich der Rat der Stadt verhalten?

Der Rat der Stadt Duisburg hat die Loveparade einstimmig beschlossen. Einige Ratsmitglieder sind zurückhaltend mit Kritik. „Als wir die Pläne gesehen haben, haben wir schon gefragt, warum das Gelände so abgesperrt sein muss. Darauf war die Antwort: Das sei das beste Sicherheitskonzept“, sagt Frank-Michael Rich, Ratsherr der Grünen und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Verkehr, der an der Entscheidungsfindung beteiligt war. Es entsteht aber auch der Eindruck, dass vor allem die Kosten im Mittelpunkt der Sorge der Abgeordneten standen. Im Februar 2010 knüpfte der Rat auf Antrag der SPD seine grundsätzlich schon erteilte Zustimmung zu dem Fest nachträglich an die Bedingung, dass es die Stadt nichts kosten dürfe. Die Sozialdemokraten fühlten sich aber insgesamt auch schlecht informiert. „Wir mussten extra eine Sondersitzung einberufen, sonst hätten wir darauf gar keine Antwort erhalten“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Uwe Linsen.

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