zum Hauptinhalt
324062_3_xio-fcmsimage-20100218232444-006000-4b7dbe2c4f279.heprodimagesfotos826201002192vm4.jpg

© dpa

Ludwigshafen: Rache für schlechte Noten

Sichtlich verstört laufen Schüler umher. Überall haben Mitglieder einer Spezialeinsatzgruppe der Polizei Stellung bezogen. Die Berufsschule in Ludwigshafen ist abgesperrt und längst evakuiert. Ein ehemaliger Schüler hat in Ludwigshafen einen seiner Lehrer erstochen.

Sichtlich verstört laufen Schüler umher. Überall haben Mitglieder einer Spezialeinsatzgruppe der Polizei Stellung bezogen. Die Berufsschule in Ludwigshafen ist abgesperrt und längst evakuiert. Schüler und Lehrer versuchen an den Absperrbändern Informationen zu bekommen. Wieder hat es einen Amokalarm gegeben. Die Polizei wird später deutlich machen, dass sie das Wort Amok vermeiden möchte.

Einer ihrer Lehrer wurde getötet – als mutmaßlicher Täter ein 23-Jähriger festgenommen. Für viele dauerte es quälend lange, bis diese Gewissheit herrscht. Rasch hatte unter den Schülern das Wort „Amoklauf“ die Runde gemacht, mehrere Schüsse sollen angeblich gefallen sein und der Täter sei noch im Gebäudeinneren. Erinnerungen an Amokläufe wie vor einem Jahr in Winnenden wurden wach. Endlich gibt Polizeisprecher Michael Lindner Entwarnung, der Verdächtige ist gestellt. Lindner steht inmitten einer Traube von Journalisten, das Handy permanent am Ohr, und beantwortet Fragen.

Erst nach und nach werden erste Einzelheiten bekannt: Der Mann soll gegen 10 Uhr mehrere Lehrer in der Berufsbildenden Schule Technik 2 angegriffen und dabei einen Lehrer so schwer verletzt haben, dass dieser wenig später starb.

Mit einem Großaufgebot ist die Polizei angerückt, unter ihnen schwarz gekleidete Spezialeinsatzkräfte mit Maschinenpistolen. Schnell riegeln die Beamten den Tatort, einen Bau mit Flachdach, komplett ab. Etwa 1000 Schüler waren hinausgeschickt worden. „Erst gab es einen Feueralarm und wir sollten raus“, erzählt ein Jugendlicher und will gleich danach wissen, auf welchem Sender er später zu sehen sein wird. Über den Kameras kreist mittlerweile ein Hubschrauber.

Später teilen Justiz und Polizei erste Ermittlungsergebnisse mit. Die Vernehmung des Täters ergab, dass er aus Wut über schlechte Noten gehandelt hat. Der 23-Jährige habe die Tat gestanden, sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft Frankenthal, Lothar Liebig. Gegen den Mann werde wegen Mordes ermittelt. Als Motiv gab er laut Liebig an, er habe als früherer Schüler der Berufsschule eine große Wut auf den 58-jährigen Lehrer empfunden, weil dieser ihm viel zu schlechte Noten gegeben habe. Der Lehrer erlitt laut Polizei mindestens eine Stichverletzung.

Der Verdächtige schoss zudem mehrfach mit einer Schreckschusspistole.

Trotz Erster-Hilfe-Maßnahmen starb der Lehrer am Fundort auf einer Kellertreppe, wie der Einsatzleiter der Polizei, Franz Leidecker, sagte. Das Opfer werde obduziert. Der 23-Jährige soll am heutigen Freitag dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Staatsanwaltschaft gehe von „niedrigen Beweggründen“ und damit Mord aus. Der Mann habe auch mehrere andere Lehrer angegriffen, diese blieben aber unverletzt.

Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) kündigte bei der Pressekonferenz an, dass die Schule am Freitag und Samstag geschlossen bleibe. Sichtlich mit den Tränen kämpfend, sagte Bildungsministerin Ahnen: „Die gesamte Landesregierung drückt ihre tiefe Trauer aus.“ Eine solche entsetzliche Tat stelle alles infrage: „Man überlegt, was hätte man noch mehr tun können.“ Bundespräsident Horst Köhler forderte eine verstärkte „Kultur der Aufmerksamkeit“. „Das ist ein Langzeitthema, das uns beschäftigen wird“, sagte er. mit dpa

Johanna Reick, Andreas Lang[Ludwigshafen]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false