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Panorama: Macht die Muscheln nicht mies

Experten warnen vor rohen Schalentieren. Viele sind mit Hepatitis A infiziert. Aber Genießer können sich schützen

Darf man noch Miesmuscheln und Austern essen? Und im Hafen von Genua einen Teller Spaghetti Vongole bestellen? Hans-Dieter Nothdurft, Professor am Münchener Tropeninstitut, hat manchem Genießer den Appetit gründlich verdorben. Das Institut empfahl gestern im Vorfeld der Urlaubssaison, sich beim Verzehr von rohen Muscheln vor einer Hepatitis-A-Infektion in Acht zu nehmen. Denn das Virus – ein Verursacher der Gelbsucht – nistet sich in Muscheln ein: 40 Prozent der Miesmuscheln, die italienische Mikrobiologen aus der Region um Neapel kürzlich untersucht haben, enthielten Spuren des menschlichen Hepatitis A-Virus.

Die Forscher hatten Miesmuscheln auf verschiedenen Märkten der Region gekauft und insgesamt 240 Exemplare mit sehr empfindlichen Nachweismethoden untersucht. Bei 20 Prozent der Miesmuscheln entdeckten sie nicht nur Erbsubstanz des Krankheitserregers, sondern auch lebensfähige Viruspartikel. Jede fünfte Muschel hätte also einen Menschen infizieren können.

„Eine einzige verseuchte Miesmuschel kann ausreichen, um sich anzustecken", sagte Professor Nothdurft gestern in München. Miesmuscheln wirken wie ein Bumerang für Umweltverschmutzer: Infizierte Menschen scheiden das Virus aus. Werden Abwässer ins Meer geleitet, nehmen die Miesmuscheln die Krankheitserreger auf und reichern sie in ihrem Körper an. Die Muscheln werden zwar stichprobenartig auf das Darmbakterium Escherichia coli untersucht, welches Verunreinigungen mit Fäkalien anzeigen soll. 200 Bakterien pro 100 Gramm Muschelfleisch gelten als obere Grenze. Aber selbst wenn die Prüfungen korrekt erfolgen, lässt sich nicht völlig ausschließen, dass die Meerestiere Hepatitis-Viren enthalten.

Die italienische Untersuchung bezog sich nur auf Miesmuscheln. Dennoch warnte das Tropeninstitut auch vor Gefahren durch andere Muscheln. Das Risiko ist nicht bei allen Muscheln gleich. „Miesmuscheln wachsen sehr gut in verunreinigtem Wasser", erläutert Nothdurft. „Deshalb ist bei ihnen das Risiko besonders hoch."

Bei Austern sei es deutlich geringer, da die Tiere nur in relativ sauberem Wasser gedeihen. Ausschließen lasse sich aber eine Infektion auch durch Austern nicht.

Etwa die Hälfte der Infizierten merken gar nicht, dass sie sich angesteckt haben, weil sie keine Symptome bekommen. Bei den anderen 50 Prozent entwickeln sich nach einer durchschnittlichen Inkubationszeit von sechs Wochen Krankheitszeichen wie Gelbsucht (Gelbfärbung der Haut und der Augenbindehäute), Müdigkeit und Appetitlosigkeit. Von diesen harmlosen Verläufen gibt es aber Ausnahmen: Statistisch bei einem von tausend zuvor gesunden Menschen ruft das Virus innerhalb von wenigen Wochen ein Leberversagen hervor, und häufiger noch bei Menschen, die vor der Infektion eine angegriffene Leber hatten. Oft kann dann nur eine Organtransplantation das Leben retten.

Eine spezielle Therapie gegen Hepatitis A gibt es nicht. Wer krank wird, kann sich nur ins Bett legen, auf Alkohol verzichten und auf Schonkost umstellen. Aber man kann vorbeugen.

Eine aktive Immunisierung mit abgetöteten Viren verhindert die Infektion. „Wer gegen Hepatitis A geimpft ist, hat einen fast hundertprozentigen Schutz", erläutert Nothdurft. Geimpft wird zwei Mal innerhalb von sechs Monaten. Schon zwei Wochen nach der ersten Impfung haben sich bei den meisten Menschen Antikörper gebildet, die einen gewissen Schutz bieten.

Ungeimpfte sollten die Meeresfrüchte nur gekocht genießen. Mindestens 70 Grad Celsius über zwei Minuten: So lassen sich die Viren abtöten. Um diese Mindesttemperaturen im gesamten Muschelfleisch zu erreichen, sollten die Tiere wenigstens zehn Minuten in kochendem Wasser gegart werden. Konservierte Muscheln aus Gläsern oder Dosen werden von den Herstellern in der Regel sterilisiert und sind damit ungefährlich. Keine Angst also vor Spaghetti Vongole.

Gerade in Süditalien aber beträufelt man die Schalentiere gern nur mit Zitrone und isst sie roh – nicht nur Austern, auch Miesmuscheln. In der Region um Neapel haben sich schon Hunderte mit dem Hepatitis-A-Virus über Muschelfleisch infiziert. In Deutschland wurden in diesem Jahr bislang keine vermehrten Heaptitis-A-Infektionen beobachtet, teilte das Robert-Koch-Institut in Berlin mit. Dennoch rät das Tropeninstitut auch hier: impfen oder kochen.

Nicola Siegm, -Schultze

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