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Astor

© laif

Mäzenin: Die Lady von New York

Brooke Astor war Mittelpunkt der guten Gesellschaft – mit großem sozialem Engagement. Sie starb mit 105.

Man kann ihr nicht entkommen in dieser Stadt, die sonst so leicht jeden verschluckt. In der prächtigen öffentlichen Bibliothek an der 42. Straße haben sie der Eingangshalle ihren Namen gegeben, im Metropolitan Museum of Art findet sich ihre Plakette unter den großen Geldgebern, im Zoo in der Bronx benannten sie ein Elefantenbaby nach ihr. Überall in New York finden sich Spuren von Roberta Brooke Astor, geborene Russell, die am Montag auf ihrem Sommersitz vor den Toren der Stadt 105-jährig verstarb. Mit ihr geht eine Generation, die noch aus dem alten amerikanischen Geldadel stammt, inzwischen verdrängt von den Königen der Wall Street, die mit ihren Milliarden die Astors wie die „nouveaux pauvres“ erscheinen ließen, die neuen Armen, wie Brooke Astor einst selbst scherzte.

An ihren Salons teilzunehmen, in ihren ausschweifenden Kreis von Freunden aufgenommen zu werden, ließ sich nicht mit Geld kaufen. Mit guten Taten schon eher, mit guten Manieren und vor allem mit Charme, auf den Brooke Astor so viel Wert legte. Es galt als die ultimative Auszeichnung im New Yorker Gesellschaftsleben, zu einer ihrer häufigen Partys eingeladen zu werden. Abgehalten in ihrem Apartment an der Fifth Avenue, wo der Ballsaal 400 Menschen fasst, den Klub der „Four Hundred“, einst gegründet von Brooke Astors Großmutter.

Gleichzeitig war sich Brooke Astor nie zu schade, auf die Straße zu gehen. Wenn ihre Stiftung gab, ob Millionen für eine Universität oder ein paar tausend Dollar für neue Feuerleitern in Harlem, sah sie sich die Sache immer selbst an.

Stets tauchte sie in voller Montur auf, im Designer-Kleid, sündhaft teuren Schuhen, Juwelen um den Hals und immer mit Hut. „Wenn ich nach Harlem gehe oder nach Chinatown und ich bin nicht fein gekleidet und trage keinen Schmuck, dann denken die Leute, ich spreche mit ihnen von oben herab“, verriet sie einst der „New York Times“, „sie erwarten, Mrs. Astor zu sehen, keine blasse alte Lady. Und ich habe nicht vor, sie zu enttäuschen.“ 200 Millionen Dollar verteilte sie so in der Gesellschaft, das meiste in New York. Verglichen mit den Stiftungen der Rockefellers, der Carnegies und der Fords war ihre eher klein. Doch wenn Brooke Astor ein Projekt für gut befand, dann folgten oft die anderen. Ihre Worte galten als Gütesiegel, ihre Taten als vorbildlich. „Geld ist wie Dünger“, sagte sie einst, „es kann nur seinen Zweck erfüllen, wenn es verteilt wird.“

Geboren am 30. März 1902 in Portsmouth, New Hampshire, wuchs sie in sorgenfreien, aber keineswegs reichen Verhältnissen auf. 16 Jahre jung, heiratete sie Brooke John Dryden Kuser, einen reichen republikanischen Politiker. Die Ehe war ein Desaster, Kuser trank, ging fremd und schlug sie. 1930 ließ sie sich scheiden, ein ungeheurer Schritt in der damaligen Gesellschaft. Zwei Jahre später heiratete sie Charles Marshall, einen Investmentbanker, „die Liebe meines Lebens“. Als der 1952 überraschend an einem Herzinfarkt starb, musste sie, 44 Jahre alt, erstmals für ihren Lebensunterhalt arbeiten. Brooke Marshall nahm einen Job als Magazin-Redakteurin an, gab aber nach wenigen Monaten dem intensiven Werben von Vincent Astor nach. Der Erbe der deutschstämmigen Astor-Familie, die vor 200 Jahren mit Pelz- und Opium-Handel ein Vermögen machte, und dessen Vater John Jacob Astor beim Untergang der Titanic starb, versprach ihr Liebe, Anerkennung, ein gutes Leben – und Geld. Fünf Jahre später starb Vincent Astor, der Herausgeber von „Newsweek“, und hinterließ seiner Frau ein 60-Millionen-Dollar-Erbe und eine Stiftung mit ebenso viel Vermögen. „Damit wirst du riesigen Spaß haben, Pookie“, hatte er versprochen.

Er sollte recht behalten. Brooke Astor engagierte sich für ihre Stadt und für die Gesellschaft. Und genoss ihr Leben. Gefragt, warum sie trotz zahlreicher Verehrer nicht wieder geheiratet habe, sagte sie: „Ich will einfach niemanden, der um zehn Uhr an meinem Ärmel zieht und mir sagt, es sei Zeit, nach Hause zu gehen.“ Sie pflegte zu scherzen: „Wenn ich nicht einschlafen kann, zähle ich all die Liebhaber, die mir begegnet sind. Aber ich schlafe ein, lange bevor ich am Ende der Liste angekommen bin.“ Erst nach ihrem 100. Geburtstag zog sie sich aus dem öffentlichen Leben zurück.

Noch zu ihren Lebzeiten folgte ein hässlicher Erbschaftsstreit, in dem ihr Enkel Philip Cryan Marshall seinen Vater beschuldigte, er bereichere sich an ihr. Es kam zum Vergleich, eine gute Freundin Brooke Astors und eine Bank übernahmen die Vormundschaft. Die stolze alte Dame bekam von all dem nichts mehr mit, sie litt an Alzheimer. Was auf ihrem Grabstein stehen wird, hatte sie ohnehin längst festgelegt: „Ich hatte ein wundervolles Leben.“

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