zum Hauptinhalt

Panorama: Man muss nur fest daran glauben

Wie zwei deutsche Christen es geschafft haben, ein Krankenhaus in den Anden zu bauen

Von Michael Schmidt

Berlin - Natürlich glaubt Klaus John an Wunder. Sein eigenes Leben ist ohne Gottes Wirken darin gar nicht erzählbar. Warum? Nun: Vor 30 Jahren traf der heute 47-Jährige seine Frau Martina, in der elften Klasse des Elly-Heuss-Gymnasiums in Wiesbaden. „Wir stellten fest, dass wir haargenau die gleichen Lebensziele hatten: Wir wollten Medizin studieren, um in einem Land der Dritten Welt etwas zu bewegen.“ Drei Jahrzehnte, ein paar Rucksackreisen und zahlreiche mal verzweifelte, mal hoffnungsfrohe Gebete später ist ihr Traum wahr geworden. Im September 2007 hat ihr Krankenhaus, ein Missionshospiz für die Nachfahren der Inkas in Perus Anden, den Betrieb aufgenommen. Im April kommen Operationssäle und Bettenhäuser hinzu.

Die Geschichte der Johns erzählt von der Kraft des Glaubens. Eines Glaubens, der, wie eine peruanische Zeitung schrieb, nicht nur Berge versetzt, sondern „an Geldbörsen gerüttelt und Herzen tief bewegt hat, der eine heillose Bürokratie, tiefe Skepsis und glatte Absagen überwunden, viele blockierte Straßen freigelegt, mathematische Argumente zerlegt und der erreicht hat, dass Katholiken und Protestanten zusammenarbeiten“.

Klaus John, ein Chirurg, der Schach und Langstreckenlauf zu seinen Hobbys zählt – „die perfekte Verbindung von strategischem Denken und Geduld“ –, spricht stets, als könne er es selbst gar nicht erwarten, zum guten Ende zu kommen mit der Erzählung von seiner Vision und wie sie Wirklichkeit wurde; von seiner Frau Martina und den Kindern Natalie, 13 Jahre alt und in Südafrika geboren, Dominik, 11 und in Neubrandenburg zur Welt gekommen, und Florian, 7, der in Ecuador geboren wurde. Während einer ersten Reise durch Peru 1991, damals noch ohne Kinder, sahen sie die Not der Quechuas. Die Berglandindianer Perus stellen fast die Hälfte der Bevölkerung des Landes, aber sie leben am Rande der Gesellschaft. In Armut, in Häusern ohne Fenster, ohne Strom, ohne Wasser, medizinisch unterversorgt. „Zwar gibt es in jedem Ort Krankenstationen“, sagt John. „Aber oft fehlen Medikamente, Ausstattung und Ärzte.“ Auf 10 000 Bewohner kämen weniger als drei Ärzte. In Deutschland seien es, zum Vergleich, 33. In der Praxis bedeute das: Lungenerkrankungen werden nicht behandelt; Hautinfektionen, Würmer und Durchfall sind ein Riesenproblem.

Anfang 2002 wollten sie nicht länger planen, sondern tun. Darum gründeten sie im August mit acht anderen Christen im Thüringer Wald den Verein Diospi Suyana: Der Name stammt aus der Quechua-Sprache und bedeutet „Wir vertrauen auf Gott“. Die Wahl des Ortes fiel auf Curahuasi, an der asphaltierten Panamericana zwischen Cusco und Lima gelegen. Hier fahren täglich 50 Busse in beide Richtungen, so können die Patienten das Hospital erreichen. Nach ersten Berechnungen war klar: Um es ihrem großen Vorbild Albert Schweitzer (1875–1965) nachzutun, der nach Afrika ging und aus eigenen Mitteln ein Tropenhospital mit Leprastation baute, würden sie sechs Millionen US-Dollar brauchen. Unmöglich? So schien es. Zunächst.

Sie stellten ihren Lebenstraum vor, warben in deutschen Universitäten, Schulen und Firmen. Die Reaktion: „Ihr habt da eine tolle Idee, aber wir stecken gerade in einer Wirtschaftskrise.“ Dem Zweifel folgte der Trotz. Inzwischen sind 21 000 Einzelspenden eingegangen, 50 deutsche und zahlreiche peruanische Firmen halfen mit Sachspenden, Betten, Geräten, Tragen. In vier Jahren kamen sechs Millionen Dollar zusammen.

Für John nicht das einzige Beispiel dafür, dass „Gott aus einer Niederlage einen Sieg machen“ kann. Sie begannen, das Krankenhaus zu bauen. Doch der Zoll hielt die Sachspenden aus Übersee zurück. Was tun? Zahlreiche Artikel und TV-Reportagen über die „Engel in den Anden“ machen sie schließlich so bekannt, dass die First Lady Perus, Pilar Nores de García, Patin ihrer „Kathedrale der Liebe“ wird – seitdem, sagt John, hat er mit der peruanischen Bürokratie keine Schwierigkeiten mehr.

Nun brauchen sie qualifizierte Mitarbeiter, die bereit sind, für ein paar Jahre in den Bergen zu leben und auf einen gut dotierten Job in der Heimat zu verzichten – „und auch die gibt es wirklich“, sagt John. „Das sind Leute, die auch eine Vision haben.“ Sie müssen sich einen Freundeskreis aus Spendern aufbauen und bekommen 1000 Dollar brutto im Monat. So viel wie peruanische Ärzte. „Reich wird man nicht. Aber glücklich.“

Insgesamt sollen sie künftig im Diospi Suyana Hospital 100 000 Patienten jährlich behandeln können. Unter Bedingungen, die denen eines deutschen Kreiskrankenhauses gleichen: Mit vier Operationssälen, einer Intensivstation, Notaufnahme, Röntgenabteilung mit einem Computertomografen, Apotheke, Wäscherei, Werkstatt. Die Behandlung ist günstig, aber nicht kostenlos: „Damit würden wir die Quechua zu Bettlern degradieren“, sagt John. Das reicht allerdings nicht, um den Betrieb zu finanzieren. Dafür brauchen die Johns weiterhin Spenden. Der Chirurg will sich nicht nur um die medizinische Versorgung kümmern, er will den Menschen eine Perspektive geben. Deshalb entstanden Frauenkreise und Kindergruppen, wo sie spielen und lernen sowie aufgeklärt werden. Wer Interesse hat, dem will er die Möglichkeit einer guten Ausbildung in der Klinik geben.

Ob er selbst den Laptop für seine Vorträge in aller Welt je wieder gegen das Skalpell eintauschen wird? Ausgeschlossen ist das nicht, sagt John. Auf der anderen Seite – als Chirurg habe er 700-mal im Jahr operiert, in seinem Krankenhaus können 100 000 Patienten behandelt werden. Für ihn besteht daher kein Zweifel: „Mit der Spendentrommel habe ich meinen Wirkungsgrad enorm erhöht.“

www.diospi-suyana.org/

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false