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Marburger Landgericht: Angeklagte räumen Misshandlung ein

Vor dem Marburger Landgericht müssen sich vier Jugendliche wegen einer brutalen Quälerei eines jungen Mannes verantworten. Das Opfer lebt heute schwerbehindert in einem Pflegeheim.

Mit Geständnissen von drei Angeklagten hat der Prozess gegen vier junge Leute vor dem Marburger Landgericht begonnen, die einen 22-jährigen Mann aus dem nordhessischen Frankenberg fast zu Tode gequält haben. Das Opfer ist seitdem schwer behindert und wird lebenslang im Rollstuhl sitzen. Heute lebt er in einem Pflegeheim. Mit Videobildern demonstrierte die Staatsanwaltschaft, wie sehr der 22-Jährige unter den Folgen der Misshandlung leidet. Sie zeigen einen völlig hilflosen jungen Mann, der kaum sprechen und sich kaum bewegen kann.

Das Geschehene tue ihr sehr leid, ließ eine Angeklagte über ihren Rechtsanwalt ausrichten. Dies sei ein "furchtbarer Einschnitt" in ihr Leben gewesen. Angesichts der Bilder des Opfers flossen Tränen bei den weiblichen Angeklagten. Die Männer schienen ungerührt. Die vier Angeklagten - damals zwischen 17 und 22 Jahre alt - und ihr Opfer hatten sich am Abend des 24. Januar dieses Jahres in der Wohnung eines der Täter in Frankenberg getroffen. Sie tranken Wodka und Bier. Als es zum Streit mit dem 22-jährigen kam, lebten sie ihre "Lust an Gewalt" an dem auffallend kleinen und zierlichen Mann aus, sagte Staatsanwältin Yvonne Vockert vor Gericht. Grundlos hätten sie ihn massiv misshandelt und gequält. Abdruck einer Schuhsohle im Gesicht des Opfers

Einer der Männer hielt ihm ein Klappmesser an den Hals. Sie traten und schlugen ihn, bis er wehrlos auf dem Boden lag. Sie hauten ihm ein Stuhlbein und leere Flaschen über den Kopf. "Bordsteinkicken"  nannten sie die brutalen Tritte, bei denen sie abwechselnd auf seinen Kopf sprangen, dabei den Fuß drehten und wieder absprangen.

Als sich das Opfer gar nicht mehr regte, brachten ihn drei der Angeklagten - der Vierte war früher gegangen - zu einem Parkplatz des Frankenberger Landratsamtes. Anonym informierten sie gegen 2.40 Uhr den Rettungsdienst. In der Klinik wurden lebensgefährliche Hirnblutungen festgestellt. Die Schädeldecke des Mannes musste geöffnet werden, weil er sonst an den Blutungen gestorben wäre. Die Polizei kam den Tätern später unter anderem deshalb auf die Spur, weil sich auf dem Gesicht des Opfers der Abdruck einer Schuhsohle fand.

"Ich war ein bisschen komisch drauf"

Nur eine Angeklagte suchte zum Prozessauftakt nach einer Erklärung für die brutale Misshandlung. Sie habe ihre Psychopharmaka - die heute 24-Jährige leidet an einer Borderline-Störung - eine Woche lang nicht genommen: "Ich war ein bisschen komisch drauf an dem Tag", sagte sie. Zudem hatte sie mit dem 22-Jährigen einen Streit. Sie hatte zwar am gleichen Abend mit ihm Schluss gemacht, zitierte ihn aber wieder herbei, nachdem er offenbar zu seiner Ex-Freundin gegangen war. Dann habe sie ihn ins Gesicht geschlagen. Einer der Mitangeklagten habe ihr und ihrer Freundin gezeigt, wie das Schlagen und Treten "richtig" gehe.

Drei der Angeklagten sind wegen schwerer Körperverletzung angeklagt. Ein 22-jähriger Gerüstbauer muss sich zudem wegen versuchten Mordes verantworten. Er verließ die Wohnung vor den anderen, weil er am nächsten Morgen arbeiten musste. In einem Brief an das Gericht versicherte er, dass er das Opfer nur zweimal gegen das Bein getreten habe und die anderen noch habe zurückhalten wollen. Als er ging, habe er gedacht, dass sich die Situation beruhigt habe. Dagegen geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass er die Wohnung verließ, ohne etwas dafür zu unternehmen, dass der junge Mann gerettet würde. Der Prozess ist auf vier Verhandlungstage bis zum 31. Oktober angesetzt. Es wurden 25 Zeugen und drei Sachverständige benannt.

Gesa Coordes[ddp]

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