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Markenzeichen Provokation: Walter Mixa: Der Watschenmann

Provokationen waren das Markenzeichen des Augsburger Bischofs Mixa. Dann wurde ihm eine Lüge zum Verhängnis. Als er seinen Fehler einsah, war es schon zu spät.

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Zwischen sanft geschwungenen Hügeln liegen die unzähligen Spargelfelder, für die das oberbayerische Donau-Isar-Land bekannt ist. Mittendrin: Schrobenhausen, 30 Kilometer von Ingolstadt entfernt. Es ist Saisonbeginn, die Gaststätten in der Altstadt der 16 000 Einwohner zählenden Stadt werben mit frischen Spargelgerichten. Schrobenhausen, 1200 Jahre alt, ist eine bayerische Bilderbuchstadt mit Stadtmauer, Spargelmuseum und der Stadtpfarrkirche St. Jakob. Doch seit drei Wochen bringt der Geist des früheren Stadtpfarrers Walter Mixa Unruhe in das Städtchen.

Es geht um finanzielle Ungereimtheiten, um Misshandlungen und um „Watschen“, die Mixa ehemaligen Heimkindern gegeben haben soll. „Der Herr Bischof hat um Vergebung gebeten. Also muss schon was an den Vorwürfen dran sein“, sagt eine 70-jährige Schrobenhausenerin. Und die Katholikin fügt resolut hinzu: „Herrschaftzeiten, jetzt muss endlich wieder Ruhe einkehren.“ Wie viele hier empfindet sie Walter Mixas Rücktrittsgesuch vom Mittwochabend bei Papst Benedikt XVI. als große Erleichterung.

Der Rückzug des Augsburger Bischofs Walter Mixa war ein Abschied auf Raten. Vor drei Wochen wird Mixa, von 1975 bis 1996 Stadtpfarrer in Schrobenhausen, erstmals mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe in den 70er und 80er Jahren Kinder, die im Kinderheim St. Josef lebten, mit der Faust, mit einem Stock oder mit einem Teppichklopfer malträtiert. Doch der 68-Jährige schweigt. Am Ostersonntag predigt er im Augsburger Dom über Sünde und Buße und sagt öffentlich, er habe „zu keiner Zeit in irgendeiner Form Gewalt gegen Kinder oder Jugendliche angewendet“. Danach entschwand er für ein paar Tage nach Ancona in den Urlaub.

Das bringt seine eigene Diözese in Rage. „Ich gönne jedem Bischof nach Ostern Ruhe. Aber doch nicht in so einer Situation“, sagt ein Augsburger Katholik kopfschüttelnd.

Erst nach Tagen, als die Vorwürfe immer massiver werden, gibt Mixa zu, dass er auch Ohrfeigen ausgeteilt haben könnte. Aber damals, sagt er, sei das doch normal gewesen. Statt Reue zu zeigen, präsentierte er sich als rechthaberischer alter Mann.

Deshalb ging es vielen bayerischen Katholiken zunächst gar nicht so sehr um die „Watschen“. Auch ein gestandener älterer Herr in Schrobenhausen sagt, er finde die Geschichte mit den Ohrfeigen nicht der Rede wert. Vielerorts im ländlichen Bayern ist das heute noch gängige Meinung. Aber die „Winselei“ von Mixa, sagen viele hier, dass er die Ohrfeigen zwei Wochen lang nicht zugegeben hat, das sei nicht nur ein Fehler gewesen, sondern unverzeihlich. Und katholische Geistliche sehen das ebenso: „Auch ein Bischof kann Fehler machen, muss dann aber ehrlich dazu stehen. Das erwartet die Öffentlichkeit von kirchlichen Würdenträgern“, sagt Bernhard Ehler, der Sprecher des 35-köpfigen Priesterrats der Augsburger Diözese.

Dieser Priesterrat ist so etwas wie ein Scharnier zwischen dem hohen Würdenträger Mixa und der Basis, den Priestern, die in den Gemeinden jede Stimmungsschwankung aufnehmen. Und eben hier an der Basis, dort, wo man nach dem Gottesdienst noch vor der Kirche zusammensteht und redet, wurde die Unruhe fortan immer größer. „Die Glaubwürdigkeit der Kirche ist in Gefahr, das trifft uns ins Mark“, sagt Ehler.

Warum hat man hinter den dicken Mauern der Bistumszentrale nicht erkannt, wie aufgebracht die Gläubigen waren und welche Gefahr das Verhalten des Bischofs für die Kirche darstellte? Die Pressesprecherin des Bistums sah noch wenige Tage vor dem Rücktrittsgesuch keinen Anlass zum Handeln. „Ich habe volle Kirchen gesehen, ich habe viele aufmunternde Mails erhalten“, sagt sie. „Es gibt keinen Grund für den Bischof, sein Amt ruhen zu lassen.“

Der Diözesanratsvorsitzende Helmut Mangold sah das etwas anders und forderte Mixa zur „völligen Offenheit“ auf. Auch die Priester begannen gegen ihren Bischof zu rebellieren. Von der Kanzel aus predigten viele ihr Misstrauen und forderten ihn indirekt zum Rücktritt auf. Auch seine Bischofsbrüder Robert Zollitsch aus Freiburg und Reinhard Marx aus München versuchten ihn in Gesprächen zum Handeln zu überreden.

Seit Tagen lag der Zwischenbericht des Ingolstädter Anwalts Sebastian Knott vor, den die Waisenhausstiftung als Sonderermittler eingesetzt hatte. Und darin ging es nicht bloß um Ohrfeigen, da redeten Opfer auch von massiven Schlägen. Und dann waren da auch noch diese finanziellen Merkwürdigkeiten. Mit Stiftungsgeldern wurde ein offensichtlich völlig überteuerter und möglicherweise gefälschter Piranesi-Stich in Höhe von 43 000 Mark gekauft – aktueller Schätzwert 2000 Euro. Weinrechnungen in den Jahren 1993 bis 1996 beliefen sich auf rund 5400 Mark. Weitere Weinkäufe über rund 5800 Mark wurden bis 1999 aus Mitteln des Heims bezahlt. Ungeklärt ist weiter, wieso eine 1996 angeschaffte Personenwaage fast 2000 Mark oder eine Couchgarnitur aus dem Jahr 1992 fast 10 000 Mark gekostet hat. Sogar ein Solarium wurde auf Rechnung der Stiftung für 6051,53 Mark angeschafft.

Fehler im Umgang mit Stiftungsgeldern räumte Mixa schließlich ein. Er ließ die bischöfliche Finanzkammer und einen Anwalt die Details prüfen. Aber das genügte nun nicht mehr, die Katholiken erwarteten etwas anderes von ihm. Es ging nicht um Buchhaltung, es ging um Herzenswärme, um das Gefühl, dass man die Kirche wieder als moralische Instanz wahrnehmen möchte.

43.000 Euro für ein Bild, das heute nur noch 2000 Euro wert ist

Aber Sensoren für diese Gefühle hatte Mixa offenbar nicht. Erst die offene Forderung von Zollitsch und Marx, er möge „eine Zeit der geistlichen Einkehr“ einlegen, zwang Mixa letztlich zum Handeln. „Ich bedaure, dass der Rückzug von Bischof Mixa unter diesen Umständen passieren musste. Aber er war notwendig, weil Schaden von der Kirche abgewendet werden muss, wie es der Bischof in seiner Erklärung auch selbst gesagt hat“, sagt der Sprecher des Priesterrates.

Es war nicht das erste Mal, dass Mixa in einen Skandal involviert war. Als Militärbischof der Bundeswehr wird er 2002 auf der Rückreise von einem Truppenbesuch in Mazedonien und im Kosovo mit 400 000 Mark im Handgepäck aufgehalten. Im Auftrag des Bischofs von Skopje habe er das Geld bei einer Kirchenbank einzahlen wollen, sagt er damals zu seiner Entschuldigung.

Oder die Sache im Februar 2007: Die 27 deutschen Ortsbischöfe waren gerade zu einer Pilgerreise in Israel angekommen. Die Begegnung mit Mitbruder Walter Mixa fällt an diesem ersten Abend im Pilgerhotel kühl aus, keiner hat wirklich Lust, mit ihm zu sprechen. Am Tag zuvor hatte Mixa bei Sabine Christiansen im Fernsehen das Wort „Gebärmaschine“ zu relativieren versucht. „Gebärmaschinen“ hatte er jene Frauen genannt, die schnell wieder ins Berufsleben zurückkehren, nachdem sie ein Baby bekommen haben. Mixa war von Politikern aller Parteien gescholten worden, der Aufschrei in den Medien war groß. Auch die meisten Bischöfe fanden, er hätte so ein Wort nicht in den Mund nehmen dürfen.

Aber Mixa ist seine Äußerung nicht peinlich. Stattdessen verkündet er den mitreisenden Journalisten stolz, er habe diese Äußerung bewusst getan. „Benutze ich das Wort Gebärmaschine, dann hört jeder hin, der Skandal ist da“, sagt Mixa.

Dass Provokationen zu Mixas Programm gehören, bewies er auch vergangenes Jahr, als die katholische Kirche wegen der Annäherung von Papst Benedikt XVI. an die ultrakonservativen Piusbrüder weltweit in der Kritik stand. Entzündet hatte sie sich an Piusbruder Bischof Richard Williamson, der die Existenz der Gaskammern in Auschwitz leugnete. Als der Skandal schon ein paar Wochen alt war, sagte Mixa: „Es hat diesen Holocaust sicher in diesem Umfang mit sechs Millionen Getöteten gegeben. Wir haben diese Zahl durch Abtreibungen aber bereits überschritten.“ Nicht nur der Zentralrat der Juden empörte sich. Auch zu Hause im Bistum sind viele Mixas Zuspitzungen und Provokationen mehr und mehr leid.

Zwei Monate später setzte der Bischof noch eins drauf. In seiner Osterpredigt 2009 in der Augsburger Marienkathedrale warnte er vor einem zunehmend aggressiven Atheismus in Deutschland. „Wo Gott geleugnet oder bekämpft wird, da wird bald auch der Mensch und seine Würde geleugnet und missachtet. Eine Gesellschaft ohne Gott ist die Hölle auf Erden.“ Auch diese Warnung stieß Mixa nicht aus, ohne eine Parallele zum Nationalsozialismus zu ziehen und den Atheisten dafür die Hauptschuld zu geben.

Auch beim Missbrauchsskandal machte Mixa von sich reden. Die sexuelle Revolution der 68er sei mit schuld daran, dass es zu Übergriffen auch von Geistlichen auf Kinder und Jugendliche gekommen sei, verkündete er vor zwei Monaten.

Bei Journalisten kamen Mixas zugespitzte Aussagen allerdings oft gut an. Während die meisten anderen Bischöfe gerne diplomatisch abgefederte, staubtrockene Sätze sagen, liefert der Augsburger Bischof Süffiges. Zweimal im Jahr treffen sich die deutschen Bischöfe zu Vollversammlungen in schönen Hotels irgendwo in Deutschland. Journalisten sind zwar eingeladen, darüber zu berichten, müssen aber die Tage damit verbringen, auf Fluren herumzulungern. Von den meisten Bischöfen erhaschen sie höchstens mal einen Blick, einen kurzen Satz. Anders Bischof Mixa: Er stellt sich gerne zu den Presseleuten, feixt und schmunzelt mit ihnen – und ist auch dann noch zum Gespräch bereit, wenn die anderen Kollegen längst wieder im Sitzungssaal verschwunden sind. Mixa ist freundlich, kann nicht nur austeilen, sondern auch zuhören. Manchmal kann er sogar richtig rührend sein, etwa wenn er Bundeswehrsoldaten an ihren Einsatzorten besucht und ihnen die Angst zu nehmen versucht.

Bei seinen eigenen Pfarrern und auch im Domkapitel aber hat er sich mit seiner zunehmend selbstherrlichen Art am Ende immer mehr Feinde gemacht. Schon in seiner Amtszeit als Bischof von Eichstätt von 1996 bis 2006 war er nicht unumstritten. Er führte kirchliche Ehrentitel wie Monsignore oder Geistlicher Rat wieder ein, die zuvor nach jahrelangen Diskussionen abgeschafft worden waren. In seiner Augsburger Zeit hieß das Bischofshaus gegenüber dem Dom plötzlich „Bischofspalais“. Und hatte man früher einen „Termin beim Bischof“, so hatte man bei Bischof Mixa seit Beginn seiner Amtszeit 2005 eine „Audienz“. Auch damit ist es jetzt vorbei.

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