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Der rote Planet: Menschheitstraum - und doch ein unwirtlicher Brocken aus Staub, Schotter und Felsen.

© Michel Penke, dpa

MarsOne: Ein Berliner auf dem Weg zum Mars

Eine Reise zum Mars: Das ist es, was sich Michael Knops wünscht. Der Berliner Arzt will seinen Kindheitstraum Wirklichkeit werden lassen - auch wenn er dafür nie wieder zur Erde zurückkehren wird.

Michael Knops, 40 Jahre alt, lächelt verschmitzt in die Kamera. „Ich verdiene es nicht, auf der Erde zu sterben“, sagt er. Bei seinem Bewerbungsfilm für die Reise zum Mars ist Humor gefragt. Zu absurd ist die Vorstellung, alles hinter sich zu lassen: Familie, Beruf, den Planeten Erde. Zu verrückt ist die Vorstellung, bereits in wenigen Jahren auf dem Mars herumzuspazieren. Michael Knops ist Bewerber für das Marsprogramm, das kürzlich Furore machte, weil kein Rückflug vorgesehen ist. Ein Rückflug sei zu teuer und technisch zu kompliziert. Mars One heißt die Stiftung, die der Niederländer Bas Lansdorp ins Leben gerufen hat. Bis 2025 sollen die ersten Astronauten auf dem Mars landen. Finanziert werden soll das ehrgeizige Vorhaben durch Fernsehübertragungsrechte in der ganzen Welt.

Ob die Technik überhaupt schon so weit ist, Menschen auf den Mars zu transportieren, ist fraglich. Vom jahrzehntelangen Überleben einer etwa 40-köpfigen Crew ganz zu schweigen. Auch was passiert, wenn eines Tages der Stiftung das Geld ausgeht, steht in den Sternen. Deshalb hagelte es sofort Kritik an dem Unterfangen.

Mehr als 200 000 Freiwillige melden sich aus 140 Ländern

Doch für das Projekt braucht es neben ausgefeilter Technik und vieler Milliarden vor allem Menschen, die bereit sind, ihr restliches Leben auf einem lebensfeindlichen Planeten zu verbringen. 210 Tage dauert der Flug in einer engen Kapsel zum Mars. Und auch dann bleibt das Leben auf wenige Container beschränkt. Biolabor, Krankenstation, Gemeinschaftsraum. Das Leben auf dem Mars wäre von Funktionalität geprägt. Will man vor die Tür gehen, muss ein Raumanzug her. Sandstürme und Temperaturschwankungen von über 100 Grad sind die Normalität. Und doch meldeten sich 202 586 Freiwillige aus 140 Ländern. Ein Viertel der Bewerber kommt aus den USA. Nur ein Prozent aus Deutschland.

Michael Knops aus Berlin ist einer von ihnen. „Man muss schon verrückt sein“, sagt er, „sich auf eine Rakete zu setzen und sich auf den Mars schießen zu lassen. Aber das bin ich.“ Bei der Auswahl der angehenden Astronauten sind professionelle Kriterien entscheidend. Wer Fähigkeiten mitbringt, die auf dem Mars Leben retten können, liegt klar vorne.

Und Michael Knops kann Leben retten. Er macht es jeden Tag. Als Assistenzarzt an der Berliner Charité versorgt er auf der Intensivstation schwerkranke Patienten. In Köln geboren und aufgewachsen in den USA und Mittelamerika, studiert er zuerst Informatik. Doch als er nur noch hinter dem Bildschirm sitzt, verwirft er seinen Lebensplan. Er beginnt erneut zu studieren – mit 31 Jahren. Dieses Mal Medizin. In Berlin. Es ist endlich etwas, das auch mit Menschen zu tun hat. Während seines Studiums meldet er sich freiwillig für eine Studie bei der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt. Der menschliche Körper in der Schwerelosigkeit soll erforscht werden. Das Auswahlverfahren ist hart. Acht Probanden kommen am Ende durch. Michael Knops ist einer davon. Zweimal drei Wochen muss er nun ununterbrochen in einem Bett liegen, das am Kopfende um sechs Grad abgesenkt ist. Das Blut läuft ihm in den Kopf. Muskeln und Knochen bilden sich zurück. Nach drei Wochen kann Knops nicht mehr gehen. Die Pfleger müssen ihn stützen, als er das erste Mal aus dem Bett steigt. Doch das Erlebnis bestätigt Michael Knops nur in seinem Wunsch. Auch er will eines Tages ins All.

Nachdem er seinen Doktor in der Tasche hat, beginnt er selbst zu forschen: der menschliche Körper in extremer Umwelt. Wie funktioniert der Stoffwechsel bei großer Kälte? Egal ob in der Antarktis oder im noch kälteren All. Was kann die Medizin gegen Erschöpfungssyndrome tun, an denen Astronauten so häufig chronisch leiden? Wie bekämpft man Muskel- und Knochenschwund in der Schwerelosigkeit? Knops besucht Kongresse für Weltraummedizin, lernt Astronauten und Mitarbeiter der ESA kennen. Mit seiner Forschung knüpft er Kontakt zum Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln. Arbeitet zeitweise mit am Institut.

Als die ESA 2008 neue Astronauten ausbilden will, bewirbt er sich begeistert. Doch da sein Medizinstudium noch nicht abgeschlossen ist, wird er abgelehnt.

Wie jeder Junge träumt er davon, Astronaut zu werden

Durch Zufall stößt er dann 2013 im Internet auf das Projekt Mars One und zögert keine Sekunde. Er macht ein Bewerbungsvideo, schreibt einen Lebenslauf. Jetzt wartet er, ausgewählt zu werden. Ausgewählt für eine der sechs bis zehn vierköpfigen Crews, die nach und nach im Zwei-Jahres-Abstand auf den Mars geschickt werden. Denn nur alle zwei Jahre stehen die Planeten in einer günstigen Konstellation.

40 Astronauten sucht die Stiftung aus den über 200 000 Bewerbern nach und nach aus. Gesundheitschecks und psychologische Untersuchungen werden sie über sich ergehen lassen müssen. Bis 2015 sollen die Namen der Glücklichen bekannt gegeben werden. Dann stehen sieben Jahre lange Trainingseinheiten für die zukünftigen Astronauten an: Leben in der Schwerelosigkeit. Crashkurse in Raumfahrttechnik und Medizin. Und nicht zuletzt das Züchten von Nahrung im Biolabor. „Für Pflanzen habe ich kein gutes Händchen“, sagt Michael Knops. „Ich habe nur zwei Yuccapalmen zu Hause. Aber die halten sich monatelang über Wasser – auch wenn ich sie nicht gieße.“ Er hofft eher auf seine Qualifikation als Informatiker und Mediziner. Und seinen unbedingten Willen ins All zu fliegen.

Ob auf den Mond oder den Mars ist ihm egal. Hauptsache weit weg.

Wie fast jeder Junge träumt er als Kind davon, Astronaut zu werden. Baut Flugzeuge aus Legosteinen und interessiert sich für Technik. Doch anders als bei den meisten meint er es ernst. Er macht Praktika bei der ESA. Mit 18 Jahren beginnt er in seiner Freizeit eine Pilotenausbildung. Viel Geld kann er dafür nicht entbehren, doch nach zwei Jahren hat er endlich den begehrten Pilotenschein. Einmotorige Cessna fliegt er seitdem. In Kürze will er die Prüfung für den Verkehrspilotenschein ablegen.

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Vier- bis fünfmal pro Jahr steigt er in eine Maschine und fliegt nach Usedom oder über die Umgebung. „Ich sehe mir dann Berlin und Brandenburg von oben an“, sagt Knops. Fliegen war schon immer sein Traum. Die kleine Cessna gegen eine Rakete zum Mars einzutauschen, das ist es.

Michael Knops will hoch hinaus. Hinaus aus der Erdatmosphäre und die Erde von draußen sehen. „Meine Hauptmotivation ist einmal die Erde zu verlassen – egal wie“, sagt er und kaut aufgeregt auf seiner Lippe herum. Ein wenig Pioniergeist funkelt in seinen Augen. Jedes Mal wenn er in ein Flugzeug steigt, ist das für ihn ein Ereignis. Halb schwerelos durch die Lüfte zu fliegen, sei ein wunderbares Gefühl. Doch eine Cessna fliegt nicht hoch genug. Die Atmosphäre zu verlassen, schafft sie nicht. Ins All kommt man nur als Astronaut. Michael Knops fühlt sich gut vorbereitet auf ein Leben auf dem Mars. „Informatik, Medizin, meine Fliegerei – was kann da schon als Nächstes kommen? Eigentlich nur die Raumfahrt.“ Wohin er für den Rest seines Lebens geschickt wird – ob auf den Mond oder den Mars –, ist ihm egal. Hauptsache weit weg.

Nur 40 Menschen für den Rest des Lebens

Und wenn er sich etwas vornimmt, zieht er es auch durch. Hartnäckig sei er; unbeirrt von seinem Ziel überzeugt. Drei Jahre arbeitete er auf seinen derzeitigen Job auf der Intensivstation hin. Forscht und wartet, bis sich endlich eine Gelegenheit bietet. Mit dieser Haltung will er auch auf den Mars. Klappt es nicht in der ersten Runde bei Mars One, will er sich wieder und wieder bewerben. Bis die Sterne irgendwann günstig für ihn stehen.

Manchmal gibt es Momente des Zweifels. Auf der Reise zum Mars wäre er eingepfercht in eine winzige Kapsel. Nur ein anderer Astronaut mit an Bord. Für sieben unendlich lange Monate. „Das ist hart. Da kann man sich nicht aus dem Weg gehen“, sagt Michael Knops.

Auch nach der Landung auf dem Mars gäbe es nur 40 Menschen, die er für den Rest seines Lebens noch zu Gesicht bekäme. Das stört ihn nicht. Derzeit forscht er zu den psychischen Belastungen, die bei Isolation entstehen. Das Leben in einer kleinen Siedlergemeinschaft macht ihm keine Angst. Man könne da ja mal rausgehen und den Planeten erkunden, wenn man sich auf den Geist geht.

Seine Kollegen an der Charité wissen von seinen Ambitionen. Seiner Mutter hat er von seinem Plan, auf den Mars zu ziehen, noch nichts erzählt. „Und mein Papa denkt, der Micha, der ist ein bisschen bescheuert“, sagt Dr. Michael Knops und lacht, „man muss schon eine Portion Verrücktheit mitbringen. Eine andere Sicht auf die Welt – so wie Kolumbus.“

Michel Penke

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