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Panorama: "Maya": Supermächte im Tropenwald

China, Indien, Mesopotamien, Ägypten - zahlreiche außereuropäische Hochkulturen der Geschichte erfahren bei uns ihre Beachtung. Mesoamerikanische und südamerikanische Gesellschaften hingegen nehmen wir, zu Unrecht, nicht in den Blick.

China, Indien, Mesopotamien, Ägypten - zahlreiche außereuropäische Hochkulturen der Geschichte erfahren bei uns ihre Beachtung. Mesoamerikanische und südamerikanische Gesellschaften hingegen nehmen wir, zu Unrecht, nicht in den Blick.

Es ist an der Zeit, auch die Maya in die großen alten Kulturen der Weltgeschichte einzureihen, denn die Forschung ist in den vergangenen Jahren rapide vorangekommen. Die lange fixierte, romantisch-exotische Skizze von Pyramiden bauenden Mathematikern im mittelamerikanischen Regenwald hat begonnen, sich in ein komplexes, farbenprächtiges Gemälde zu verwandeln. Nach der Klischeevorstellung waren die Maya ein friedliebendes, maisanbauendes Volk, das sein Leben damit zubrachte, den Unbilden des Dschungels zu trotzen. Seine Herrscher und Priester schufen mit Hieroglyphen beschriftete Steindenkmäler und fanden darüberhinaus die Muße für esoterische Zeitberechnungen und Himmelsbeobachtungen bis durch plötzliche, unerklärliche Ereignisse der Untergang der Maya-Kultur besiegelt war. Dieses zwar tiefe Bewunderung weckende, gleichwohl stückwerkhafte Wissen wird von den Forschungsergebnissen der letzten zwei Jahrzehnte nachhaltig überrollt.

Der Prachtband "Maya - Gottkönige im Regenwald" beleuchtet so differenziert wie auf dem aktuellstem Stand der Forschung die unterschiedlichsten Facetten der uns nach wie vor Rätsel aufgebenden Maya-Kultur - von den Anfängen im zweiten vorchristlichen Jahrtausend bis heute. Die "esoterischen Maismenschen" entpuppen sich hier als kluge Feldbauern, die in tropischen Sumpfgebieten Hochbeete anlegten, komplexe Bewässerungssysteme planten und errichteten, und intensiven Gartenbau betrieben. Regiert wurden die miteinander konkurrierenden Stadtstaaten der Maya in der sogenannten "klassischen Zeit", also in den Jahren zwischen 250 und 900 nach Christus, von selbstbewussten Königen, die ihren Machtanspruch von göttlicher Herkunft ableiteten und in luxuriösen Palästen der großen Städte residierten.

Wichtiger Teil der höfischen Kultur war die Hieroglyphenschrift, in der man auf unzähligen Steindenkmälern die Chronik der dynastischen Geschichte - Inthronisierungen, Kriege, Genealogien - aufzeichnete. Dank der Aufsehen erregenden Fortschritte bei der Entzifferung der Mayaschrift kristallisiert sich für die Forscher ein politisches System heraus, in dem die zwei Tieflandorte Tikal und Calakmul gegenüber anderen, hierarchisch untergeordneten Städten, den Status von Supermächten einnahmen.

In dieser patriarchalisch geprägten Gesellschaft spielten die Frauen bedeutender Dynastien in Zusammenhang mit der Heiratsdiplomatie eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Vorstellung von Harmonie und Friedfertigkeit im Zusammenleben der Königtümer bei den Maya ist nunmehr definitiv überholt. Fest steht heute, dass politische Machtverschiebungen vor allem auf blutige Kriege mit wechselnden Allianzen, auf Intrigen und Tragödien antiker Dimensionen zurückzuführen sind.

Neben den großen historischen Zügen der dynastischen Geschichte verfolgt dieser hervorragend bebilderte Band auch die technischen und intellektuellen Errungenschaften der Maya-Kultur. Das Verwenden der Materialien wird beschrieben, Obsidian - das Metall der Maya, Jade - das grüne Gold der Maya. Um die ausgefeilte Astronomie geht es, um Mathematik, wie um die architektonischen Höchstleistungen der Pyramidenbauer oder die Kunst der klassischen Vasenmalerei.

Das blutige rituelle Ballspiel, das den Kampf göttlicher Zwillinge gegen die Herren der Unterwelt symbolisiert, und damit den Kampf widerstreitender Mächte, - ein Spiel, das einer Opferung gleich, immer tödlich endete - ist nur ein Aspekt der ausführlich erläuterten religiösen Vorstellungen. Gebührenden Raum finden darüberhinaus auch die Kapitel über die spanische Zeit, die Maya in der Gegenwart und die Geschichte der Foschung.

Mit seiner überaus reichen Bebilderung und dem Großformat mag der Eindruck eines Coffee-Table-Books entstehen. In Wahrheit ist dieses Buch, - dafür bürgt auch Herausgeber Nikolai Grube, einer der namhaftesten Maya-Forscher, - das aktuelle und seriöse Werk über die Maya.

Maria Gaida

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