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Mein Garten EDEN: Die Droge auf dem Fensterbrett

Orchideen sind Göttinnen, wurden im alten China als solche geehrt, durften nur in Palastgärten unter besonderer Obhut wachsen. Die schönsten aber verbargen sich in tropischen Urwäldern, auf Baumwipfeln und in Astgabeln.

Orchideen sind Göttinnen, wurden im alten China als solche geehrt, durften nur in Palastgärten unter besonderer Obhut wachsen. Die schönsten aber verbargen sich in tropischen Urwäldern, auf Baumwipfeln und in Astgabeln. Reisende Missionare haben sie entdeckt – wundervolle geheimnisvolle Blumen, wie Schmetterlinge und Papageien. Nach Europa kamen sie vor etwa 200 Jahren, wurden gehandelt wie Gold, eine einzige Knolle aus Brasilien kostete vor 100 Jahren noch 40 000 Goldmark.

Bis heute gelten sie als Luxusblumen, obwohl es sie inzwischen im Supermarkt zu kaufen gibt. Man bringt niemals eine Orchidee als Nebensächlichkeit mit, nur zu festlichen Anlässen. Zwei Mal bekam ich eine Orchidee im Topf geschenkt. Oh, ich bewunderte sie. Stellte fest, dass sie fast keine Wurzeln hatten, wie ernähren die sich? Sie schauten mich aus magischen Gesichtern an und schwiegen. Ich goss sie, kaufte Orchideendünger. Sie sahen mich an, dann bildeten sich an jeder halb erblühten Knospe große Tränen. Orchideen weinen, bevor sie sterben, das bestätigte mir ein Fachmann. Und 99 Prozent aller Zimmerorchideen sterben, weil sie zu viel gegossen werden, sagte er. Sie verfaulen.

Neulich bekam ich wieder eine Orchidee, zum Muttertag, zu dem ich früher immer Hortensien kriegte. Ich hab mich gefreut und war insgeheim erschrocken. Eine Phalaenopsis, stand auf dem Kärtchen, das im Topf steckte. Und dass sie halbschattig und warm gehalten werden möchte. „Bei richtiger Behandlung blüht sie bis zu zwölf Monate lang.“ Ich kaufte ein Buch, „Orchideen – Kunstwerke der Natur“, mit herrlichen Farbfotos illustriert. Meine Phalaenopsis war weiß, ein reines, duftiges Weiß. Es gibt auch violette, orangerote, zitronengelbe, gepunktete, gestreifte, zartrosa Exemplare, alle mit grünen, festen Blättern und kahlen Stängeln, an denen Rispen der schmetterlingsähnlichen Blüten hängen.

Ihren Namen erhielten sie vor langer Zeit von dem griechischen Philosophen Theophrast. Er nannte sie „Orchis“, was „Hoden“ bedeutet und sich auf die doppelt verdickten Wurzelknollen bezog. Sie sind keine Schmarotzer, auch wenn sie in den Rinden von tropischen Bäumen sitzen. Ein Hauch von Ablagerungen in Astgabeln und Spalten genügt ihnen. Feuchtigkeit holen sie sich mit ihren Wurzeln aus der Luft. Auch bei mir auf dem Fensterbrett kommen sie mit wenig aus. Zwei, drei Schnapsgläschen Wasser lassen sie sich pro Woche servieren. Mehr Pflege brauchen sie nicht, sie wollen ihre Ruhe, sind sich selbst genug. Seit ich sie in diesem Sinn behandle, blühen und blühen sie. Sie, sage ich. Denn ich habe längst nicht mehr nur eine Phalaenopsis, sondern inzwischen 23 Stück, alle Fensterbretter voll. Orchideen sind Drogen, wenn man damit anfängt, kann man nicht mehr aufhören. Ursula Friedrich

Ursula Friedrich

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