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Mexiko: Die Rache der Kartelle

Am blutigsten Wochenende seit Jahresbeginn sind in Mexiko mindestens 80 Menschen ums Leben gekommen. Dass sich darunter zwei Angestellte des US-Konsulats von Ciudad Juarez und der US-amerikanische Ehemann einer der beiden befinden, macht die Vorgänge zu einem Politikum.

Am blutigsten Wochenende seit Jahresbeginn sind in Mexiko mindestens 80 Menschen ums Leben gekommen. Dass sich darunter zwei Angestellte des US-Konsulats von Ciudad Juarez und der US-amerikanische Ehemann einer der beiden befinden, macht die Vorgänge zu einem Politikum. Alle drei wurden offenbar von Auftragskillern eines Drogenkartells umgebracht. Dem Ehepaar lauerten die Mörder nach einem Empfang am Samstag auf und erschossen es kurz vor dem Grenzübergang in ihrem Auto vor den Augen ihres weinenden Babys. US-Präsident Obama erklärte sich zutiefst betroffen und verlangte Aufklärung der Verbrechen. Das US-Außenministerium sprach von einem „Racheakt gegen diejenigen, die sich gegen die Kartelle aussprechen und eine Bedrohung für sie darstellen“ und empfahl Angehörigen von Mitarbeitern der Konsulate im Norden Mexikos die Rückreise in die Heimat. Außerdem warnte das Ministerium erneut vor Reisen ins Nachbarland. Auch das Auswärtige Amt in Deutschland hat eine Warnung ausgesprochen. Es ist allerdings ein US-Bürger, den die mexikanischen Behörden für das besonders blutige lange Ferienwochenende mit 35 Toten im pazifischen Badeort Acapulco verantwortlich machen: Edgar Villareal alias „Barbie“. Der einstige Chefkiller des Drogenbosses Arturo Beltran Leyva will in die Fußstapfen seines bei einer Polizeirazzia erschossenen Chefs treten und bekriegt andere Kartelle. Auf seine Rechnung gehen demnach die geköpften Leichen, die im Badeort Acapulco oberhalb der Strandpromenade abgelegt wurden – inmitten des langen Ferienwochenendes in Mexiko, das tausende Badegäste für einen Kurzurlaub in Acapulco genutzt hatten. In den frühen Morgenstunden am Sonntag kam es außerdem in der Nähe eines Hospitals zu einer Schießerei, bei der neben acht Banditen auch eine Passantin in einem vorbeifahrenden Taxi vom Kugelhagel erfasst und getötet wurde. In der nordöstlich von Acapulco gelegenen Ortschaft Ajuchitlan del Progreso löste eine Hausdurchsuchung mitten im Ort am helllichten Tag eine dramatische Schießerei aus.

Seit 2006 kamen 17 000 Menschen im Drogenkrieg ums Leben. Die Grenzstadt Ciudad Juarez hat sich mit 120 Morden pro 100 000 Einwohnern zur gewalttätigsten Stadt der Welt entwickelt. Bei den Toten handelt es sich hauptsächlich um Auftragsmörder und Handlager der Kartelle. Auch die Mobilisierung von 50 000 Soldaten hat dem Blutvergießen kein Ende bereitet. Kritiker fordern, vom militärischen Ansatz zur Bekämpfung des Drogenhandels abzurücken. Der Drogenkrieg sei gescheitert, sinnvoller sei eine am europäischen Modell angelehnte Strategie der Prävention und Toleranz, erklärten kürzlich die Ex-Präsidenten Fernando Henrique Cardoso aus Brasilien, Ernesto Zedillo aus Mexiko und César Gaviria aus Kolumbien. „Der gescheiterte Krieg“, heißt das Buch des mexikanischen Ex-Außenministers Jorge Castaneda und des Ex-Präsidentenberaters Rubén Aguilar, in dem die beiden darlegen, warum der Schaden des Drogenkrieges größer ist als sein Nutzen, und in dem sie Calderóns Drogenkrieg als Strategie der politischen Legitimation bezeichnen. Calderón hatte 2006 nach Betrugsvorwürfen nur hauchdünn gegen seinen linken Widersacher gewonnen.

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