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Panorama: Meyer-Werft: Unschuldig an "Estonia"-Unfall

Gutachten vorgestellt / Streitigkeiten bei der offiziellen Untersuchung begünstigen die SchiffsbauerVON JÖRGEN DETLEFSEN STOCKHOLM.Die Papenburger Meyer-Werft will sich kein Mitverschulden an der Estonia-Katastrophe vorwerfen lassen.

Gutachten vorgestellt / Streitigkeiten bei der offiziellen Untersuchung begünstigen die SchiffsbauerVON JÖRGEN DETLEFSEN STOCKHOLM.Die Papenburger Meyer-Werft will sich kein Mitverschulden an der Estonia-Katastrophe vorwerfen lassen.Eine von ihr bestellte Expertenkommission trug am Donnerstag in Stockholm das Ergebnis einer Untersuchung vor, wonach nicht der Erbauer, sondern die Eigner für den schlechten Zustand des Schiffes verantwortlich gewesen seien.Bei dem Untergang der Estonia am 28.September 1994 in der Finnischen Bucht waren 852 Menschen gestorben. Der Vorsitzende der Kommission, Peter Holtappels, Hausanwalt des Schiffbauers, trug das Ergebnis des, wie er versicherte, "objektiven und unabhängigen" Gremiums vor: Die Vorderpartie des Schiffes mit dem Bugvisier, das sich in der Sturmnacht öffnete und abfiel und damit die Katastrophe auslöste, sei von den Eignern außerordentlich schlecht gewartet worden.Hinzu komme, daß das Schiff falsch beladen war und bei den Wetterbedingungen viel zu schnell gefahren sei.Versuche hätten belegt, daß die von der Werft konstruierten Verschlußanlagen weit höher belastbar gewesen seien als von der offiziellen internationalen Havariekommission angenommen; erst durch unsachgemäße Reparaturen, die die Eigner zu verantworten habe, seien sie geschwächt worden. Mit dem Bericht der Experten-Kommission wollte die Werft offensichtlich einen Vorsprung vor der Havariekommission gewinnen, deren Abschlußbericht wegen Eifersüchtleien der Esten, Schweden und Finnen untereinander und Rücktritten stark verzögert ist; sie wird unter anderem von den Angehörigen der 852 Estonia-Opfer wegen Untersuchungsmängeln und Vertuschung scharf kritisiert.Die Meyer-Werft kann von dem Glaubwürdigkeitsverlust der offiziellen Gutachter profitieren. Ungeachtet dessen dürfte die Havariekommission der Werft ins Stammbuch schreiben, daß die Bugpartie der Estonia nicht nach den internationalen Sicherheitsbestimmungen für Passagierfähren auf "kurzer internationaler Fahrt" konstruiert war: Mit der Bauart war die Katastrophe programmiert; hätte die zweite Abdichtung fünf Meter weiter zurückgesessen, wäre der verheerende Wassereinbruch wahrscheinlich verhindert worden.Die staatlichen Aufsichtsbehörden hatten den verhängsvollen Mangel entweder übersehen oder durchgehen lassen.Die Werft hatte dem Besteller der Fähre die ordnungsgemäße Konstruktion des Schiffes bescheinigt; der Reeder mag fahrlässig ahnungslos gewesen sein.Alle Beteiligten scheinen Mitverantwortung zu tragen. Daneben ist der in Schweden praktizierende deutsche Anwalt Henning Witte, der eine Angehörigengruppe bei ihren Schadenersatzforderungen vertritt, der Ansicht, die Estonia sei durch Sabotage versenkt worden, weil sie womöglich Plutonium transportiert habe. Dagegen spricht die Tatsache, daß mutmaßliche Attentäter nicht berechnen konnten, daß Sturm die Katastrophe vollenden würde.

JÖRGEN DETLEFSEN

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