zum Hauptinhalt

Panorama: Michael Jordan: Würfe wie ein Gedicht

Als Kind hatte Bobby Simmons über seinem Bett zwei Poster von Michael Jordan hängen. Eines zeigte "Air Jordan" beim Dunking, auf dem anderen war Jordan mit einer seiner sechs Meisterschaftstrophäen zu sehen.

Als Kind hatte Bobby Simmons über seinem Bett zwei Poster von Michael Jordan hängen. Eines zeigte "Air Jordan" beim Dunking, auf dem anderen war Jordan mit einer seiner sechs Meisterschaftstrophäen zu sehen. Heute, 13 Jahre später, steht der Neuprofi Simmons seinem Vorbild im Trainingslager der Washington Wizards täglich gegenüber. "Jordan macht jeden hungriger. Man will viel härter arbeiten, wenn er dabei ist", sagt der 21-jährige Simmons. "Jedes Mal, wenn ich mit ihm auf das Parkett gehe, bin ich davon überzeugt zu gewinnen. Seine Stärke im Wettkampf ist unübertroffen."

Zumindest war sie das, bevor Jordan zurück trat. Sein Antritt war ein Ausrufezeichen, seine Bewegungen waren Poesie und sein Wurf reiner Wille.

Michael Jordan kehrt zum Profisport zurück. Der beste Basketballer aller Zeiten und der bekannteste Sportler des Medienzeitalters will es mit 38 Jahren erneut wissen, nach mehr als drei Jahren Pause. "Air Jordan" wird in der kommenden NBA-Saison für das Verliererteam Washington Wizards auflaufen. Seine Werbepartner freuen sich und die jungen Stars der NBA warten gierig darauf ihm zu zeigen, dass die Zeit nicht stehen bleibt.

Am 30. Oktober geht es los. Im New Yorker Madison Square Garden. Gegen die New York Knicks. Gegen die er so oft gespielt und so oft gepunktet hat.

Sein Gehalt geht an die Terroropfer

In seinem ersten Vorbereitungsmatch spielte er in der Nacht zum Freitag ganze 17 Minuten lang und erzielte acht Punkte. Acht Punkte in 17 Minuten - das ist wenig, wenig für Michael Jordan. Sein Team, das wahrlich nicht zu den besten gehört, verlor 85:95 gegen Detroit. Kein guter Start für "Gott, verkleidet als Basketballer", wie Jordan einst von der NBA-Legende Larry Bird bezeichnet wurde.

Viele der jungen Stars der Liga freuen sich über die unverhoffte Möglichkeit Michael Jordan zu schlagen und damit aus dem langen Schatten des Meisters zu treten. Auch wenn für viele von ihnen das Wort Ehrfurcht unter der Rubrik Schimpfwörter steht, so sind sie mit abwertenden Äußerungen über den älter gewordenen Mann doch vorsichtig. Durch Angriffe auf seine Person fühlte sich Jordan immer zu Höchstleistungen angespornt. Und das will niemand riskieren, auch wenn "Air" mittlerweile 38 Jahre alt ist und lange nicht gespielt hat.

Begonnen hatte seine Karriere mit einem getroffenen Wurf in den letzten Sekunden zum Gewinn der Collegemeisterschaft. In der amerikanischen Profiliga NBA entschied der frühere Shooting Guard der Chicago Bulls 25 Spiele mit einem Treffer kurz vor der Schluss-Sirene.

Fünfmal wurde er zum wertvollsten Spieler der Saison gewählt, zehnmal war er bester Werfer der Liga und zwölfmal wurde er in die Auswahl der stärksten Spieler berufen. Er gewann drei Titel mit den Bulls, dann wurde sein Vater von Dieben erschossen, in einem Auto, dass ihm der Sohn geschenkt hatte. Jordan verließ die NBA und spielte Baseball. Nach 17 Monaten kehrte er auf das Parkett zurück und gewann drei weitere Meisterschaften. Dazu kommen zwei olympische Goldmedaillen (1984 und 1992) sowie eine Meisterschaft mit der Universität von North Carolina. Sein letztes Spiel in der NBA hat Michael Jordan vor mehr als drei Jahren absolviert. Am 14. Juni 1998 traf er im Finale gegen die Utah Jazz den entscheidenden letzten Wurf und sicherte sich damit seinen sechsten NBA-Titel. Am Anfang ein Treffer plus Meisterschaft, am Ende ein Treffer plus Meisterschaft.

Seitdem arbeitete Michael Jordan als Mitbesitzer im Management der Washington Wizards und sah, wie seine Mannschaft kläglich versagte. 63 von 82 Partien verloren die Wizards in der vergangenen Saison, nur zwei der 29 NBA-Klubs waren schlechter. Im März fing "Air Jordan" wieder an zu trainieren, seitdem gab es Gerüchte um seine Rückkehr.

Am Abend vor den Terroranschlägen von New York und Washington sagte der Basketballstar vor seinem Restaurant in Chicago mehreren Journalisten, dass er wegen "der Liebe zum Spiel" zurückkomme. Daraufhin verkauften die Wizards innerhalb von fünf Stunden 400 Saisonkarten, bevor wegen der Terroranschläge die Kassen geschlossen wurden. Wettbüros setzten die Quote für den Titelgewinn der Wizards von 125:1 auf 12:1. Um seine Entscheidung kund zu tun, war eine Pressekonferenz mit weltweit übertragenen Live-Bildern geplant. Nach den Anschlägen verzichtete Jordan darauf und sandte statt dessen ein schlichtes Fax, mit dem Hinweis, dass er wieder spiele, aber aus "tiefem Respekt vor den Opfern und deren Angehörigen" bis zum Beginn des Trainingslagers den Medien keine Interviews geben werde.

Entsprechend den Regeln der NBA verkaufte der Geschäftsmann Jordan seine Anteile an den Wizards. "Michael hat sich gewünscht, dass wir uns, anstatt um Basketball, um die Ereignisse in unseren Land kümmern", sagte Abe Pollin, Besitzer der Wizards. Seine 1,3 Millionen Dollar Gehalt spendete Jordan, dessen Vermögen auf 400 Millionen Dollar geschätzt wird, den Opfern der Attentate. Seinen Werbepartnern verbot Jordan seine Rückkehr für ihre Produkte zu nutzen, Nike und Gatorade mussten die geplanten Kampagnen einstampfen. Jordan will angesichts der politischen Lage nicht viel Aufhebens um seine Rückkehr machen.

Die Dinge liegen vielleicht ziemlich einfach: Jordan: "Es juckt mich immer noch, und wenn es juckt, dann muss man kratzen."

Sven Simon

Zur Startseite