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Miet Musik!: Flatrate für die Ohren

Die Musikindustrie will Musik-Abos anbieten – nach deren Ablauf ist aber Schluss mit Hören. Die neuen Musikflatrates sind aber nicht nur für die Plattenindustrie interessant.

Es ist das neue Zauberwort einer ganzen Generation: Flatrate. Die gibt es fürs Surfen im Internet, fürs Telefonieren und in einigen Bars sogar für Alkoholika. Für einen bestimmten Betrag kann man so viel telefonieren, surfen oder trinken wie man will. Jetzt soll das ganze auch beim Musikhören zur festen Institution werden. Die großen Plattenkonzerne haben das Geschäftsmodell für sich entdeckt: Sony/BMG überlegt, seine Musik für sechs bis acht Euro im Monat bereitzustellen – für MP3-Spieler wie für iPods. Dabei denkt der Konzern sogar darüber nach, dieses Angebot gemeinsam mit anderen Majors, wie die vier größten Plattenkonzerne genannt werden, auf den Markt zu bringen. „Noch ist das ganze aber in einem Verhandlungs- und Konzeptsionsstadium“, sagt Sebastian Hornig, Sprecher von Sony/BMG Deutschland.

Musikflatrates sind aber nicht nur für die Plattenindustrie interessant, sondern auch für die Gerätehersteller. Denn Musik ist im Download-Zeitalter ein Kulturgut geworden, das überall und jederzeit verfügbar ist – unabhängig von einem physischen Tonträger. Über das Handy kann man sogar in der U-Bahn oder im Park neue Musik herunterladen. Deshalb will Nokia seinen Kunden demnächst nicht nur ein Gerät anbieten, sondern auch gleich seinen Inhalt, die Musik dazu. Der Handy-Hersteller hat Ende vergangenen Jahres einen Deal mit dem Universal-Konzern ausgehandelt, wonach Nokia-Kunden ein Jahr lang kostenfreien Zugriff auf dessen Musikrepertoire bekommen sollen. Als Gegenleistung zahlt Nokia pro verkauftem Gerät 80 Euro an die Musikkonzerne – Mehrkosten, die am Ende wohl auch der Kunde tragen wird.

Musik über das Handy zu kaufen, ist in Europa allerdings noch nicht so beliebt wie in Japan. Dort werden 91 Prozent der Digitalmusik über das Mobiltelefon gekauft. Marktführer beim Online-Musiverkauf ist weiter Apple: Der weltweit beliebteste Player ist der iPod, Konkurrenz bekommt er aus dem eigenen Haus vom iPhone. Dafür plant Apple ebenfalls eine Flatrate, ähnlich wie Nokia – will für die Musik aber nur 20 Dollar pro Gerät zahlen. „Das sind noch Gerüchte, die wir nicht kommentieren“, sagt Georg Albrecht, Sprecher von Apple Deutschland.

Doch ganz gleich, wie die Modelle am Ende aussehen, Zweifel sind angebracht. Schon die Bezeichnungen „Flatrate“ oder „Abonnement“ sind irreführend: Denn die Musik wird gemietet, nicht gekauft. Läuft das Abo aus, kann man die Musik nicht mehr hören. Auch auf CD kann man die Lieder nicht brennen. Sony/BMG hat nur ankündigt, dass die Nutzer als eine Art Bonus auch 40 oder 50 Songs behalten dürfen. Offen ist auch noch, ob neue Lieder direkt im Flatrate-Angebot sein werden oder erst nach einer gewissen Zeit.

„Es bleiben noch sehr viele Fragen offen“, sagt auch Stefan Michalk vom Bundesverband der deutschen Phonoindustrie. Vor allem scheint fraglich, ob die Plattenkonzerne mit einer Flatrate die illegalen Downloads aufhalten können. Denn immer noch kommen auf einen legalen Download neun illegale. „Mit kostenlos kann man nicht konkurrieren“, sagt Michalk. Deshalb fordert der Verband eine Zusammenarbeit mit den Internet-Providern, so wie es in Frankreich praktiziert wird. Verstoßen Nutzer gegen das Urheberrecht, stellen sie also Musik illegal zur Verfügung, werden sie von ihrem Anbieter verwarnt, im Wiederholungsfall wird ihnen der Zugang gesperrt. „Das ist ein wirksames Modell“, sagt Michalk. Auch Versuche, Musik werbefinanziert anzubieten, sind bisher wenig erfolgreich. Plattformen wie Spiralblog blieben in der Entwicklungsphase stecken. Die Nachfrage beim Publikum ist zu gering. Dort soll Musik kostenlos als Download angeboten werden, allerdings muss man für jeden Song einige Sekunden Werbung über sich ergehen lassen. Bei einem Album-Download kann das zu einer Unterbrechung von 20 Minuten führen.

Die Musikindustrie versucht verzweifelt, einen Weg aus der Krise zu finden: 2007 ging der Umsatz erneut um drei Prozentpunkte zurück. 149 Millionen CDs wurden im vergangenen Jahr verkauft, etwa eine Million weniger als 2006. Dafür stieg der Umsatz des digiatlen Musikverkaufs: 35 Millionen Einzeltracks wurden verkauft – ein Plus von 40 Prozent.

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