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Klischees in den Medien verzerren oftmals das Bild von Deutschlands Reichen, wie dieses Foto von der „Millionärsmesse“ in München. Foto: laif

© Bredehorst/Polaris/laif

Millionärs-Debatte: Unsere Reichen

Der Millionär, das unbekannte Wesen – eine Studie der Hypo-Vereinsbank unterscheidet sechs verschiedene Milieus.

Von Andreas Oswald

Die Bussi-Gesellschaft, wie sie sich öffentlich inszeniert, hat vielleicht die nachhaltigste Wirkung auf das Bild, das sich die Deutschen von den Reichen machen. Ebenfalls nachhaltigen Eindruck haben das Victory-Zeichen eines Josef Ackermann oder die Verhaftung von Klaus Zumwinkel hinterlassen. Es ist kein gutes Bild, das die Deutschen von den Reichen haben. Die spektakuläre Ankündigung von 40 amerikanischen Milliardären, die Hälfte ihres Vermögens für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung zu stellen, stößt deshalb vielfach auf Skepsis.

Stehen Bussi-Gesellschaft und Machtarroganz wirklich für die Welt der Reichen? Vor drei Jahren hat die HypoVereinsbank (HVB) in München eine Studie in Auftrag gegeben, die herausfinden sollte, wie die Reichen in Deutschland denken, wie sie fühlen, welche Lebensstile sie pflegen. Das Herausragende an dieser Studie ist, dass es der HVB und dem sozialwissenschaftlichen Institut Sinus Sociovision gelang, viele Reiche dazu zu bewegen, ausführlich über sich zu reden.

Gemeinsam war allen Befragten, dass sie ihren Erfolg auf die eigene Leistung und besondere Fähigkeiten zurückführen. Und: Kaum einer konzentriert sich in erster Linie auf das Geld selbst, sondern auf seine Tätigkeit. Geld wird als Ausdruck des Erfolgs gesehen, der durch Leistung entsteht. Durch den selbst erarbeiteten Reichtum entsteht eine unvermeidbare Distanz zur übrigen Gesellschaft.

Das Selbstbild beruht stark auf Erfolg sowie den Werten Freiheit und Unabhängigkeit, die Selbstverwirklichung und Durchsetzungsfähigkeit ermöglichen. Die meisten verfolgten ein eigenes Ziel, das sie gegen Widerstände durchsetzten. Die Eigenschaften, die in den Befragungen betont wurden, waren Mut und Risikobereitschaft, Geradlinigkeit, Verbindlichkeit und Ehrlichkeit, Konfliktbereitschaft und notwendige Härte, Willen und Führungsstärke und nicht selten Ungeduld und hohe Ansprüche an andere.

Eine weitere Gemeinsamkeit ist eine „entre-nous“-Mentalität, die daherrührt, dass Reichtum das Interesse anderer Menschen anzieht, das abgewehrt werden muss. Deshalb legen die Reichen großen Wert auf den engsten Familienkreis sowie alte und beständige Freunde. Im Gegensatz zum alten englischen Geldadel bezeichnen sich deutsche Reiche selbst nicht als „Reiche“, sondern als „Wohlhabende“ oder „Vermögende“. Die Verfasser der Studie schreiben, dass sich bei ihnen partielle Gegenkulturen entwickelten, mit speziellen Ausdrucksformen und Codes, in die Außenstehende nur schwer eindringen könnten. Wobei sich sechs Reichenmilieus herausgeschält haben, die sich grundlegend unterscheiden:

Konservative Vermögende

Konservativ geprägte Wohlhabende verfügen über ein starkes Elite- und Standesbewusstsein. Trotz vordergründiger Toleranz setzen sie sich von der übrigen Gesellschaft ab. Ihr Anderssein demonstrieren sie nicht durch ein Zurschaustellen von Luxus, sondern allein durch ihre zurückhaltende konservative Geisteshaltung. Sie zeichnet sich durch ein Bewahren geistiger Kulturgüter aus sowie einem humanistisch geprägten Bildungs- und Pflichtethos. Die Eliten in Politik und Kultur werden entsprechend pessimistisch beurteilt. Konservativ geprägte Vermögende wollen Werte bewahren. Das hat nichts mit Besitzstandswahrung zu tun. Es geht um den Fortbestand immaterieller Werte wie Höflichkeit und klassische Rollenverteilung. Sie sehen sich als Hüter des familiären, kulturellen und gesellschaftlichen Erbes. Durch ausgeprägte Spendenbereitschaft und ehrenamtliches Engagement lassen sie in ihrem Selbstverständnis die Gesellschaft an ihrem Erfolg teilhaben.

Etablierte Vermögende

Hier steht der Leistungsgedanke, die Karriere sowie eine starke Wettbewerbsorientierung im Vordergrund. Menschen führen, Verantwortung tragen, Herausforderungen pragmatisch angehen, die eigene Tätigkeit als Berufung sehen – diese Haltung beschreiben etablierte Vermögende. Im Gegensatz zu den Konservativen sehen sie moderne Entwicklungen nicht mit Skepsis und Ablehnung, sondern allenfalls mit Nachdenklichkeit. Sie versuchen unter allen Umständen, ihre positive Grundhaltung zu bewahren und mit neuen Gegebenheiten produktiv umzugehen. Durch ihren Konsum distanzieren sie sich von der übrigen Gesellschaft, aber nicht übermäßig demonstrativ. Repräsentative Luxusmarken werden um ihrer Qualität wegen geschätzt. Wie die Konservativen lehnen sie die Bussi-Gesellschaft ab, Einfachheit, Ruhe, Wohlbefinden und familiäres Glück stehen stark im Vordergrund.

Liberal-intellektuelle Vermögende

Weltoffenheit, Toleranz und kosmopolitische Weitsicht kennzeichnen diesen Typ. Bürokratie und starre Strukturen sind ihm ein Graus. Er setzt sich kritisch mit modernen Entwicklungen wie Übertechnisierung und Globalisierung auseinander. Selbstentfaltung und Individualismus stehen im Vordergrund. Sein ausgeprägtes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten geht einher mit einem souveränen Umgang mit Herausforderungen, die er mit einer ausgesprochenen Leistungsbereitschaft und starkem Durchhaltevermögen angeht. Ein Engagement in sozialen Bereichen, bei der Umwelt oder der „Dritten Welt“ liegt in einer starken Verantwortungsethik begründet. Der Konsum orientiert sich stark an subtilen Genüssen, das Interesse an Bildung und Kultur erfüllt einen hohen geistigen Anspruch. Eine Demonstration von Besitz und Konsum lehnen diese Reichen kategorisch ab.

Statusorientierte Vermögende

Hauptziel ist der soziale Aufstieg, der mit großer Leistungsbereitschaft angestrebt wird. Statusorientierte Vermögende suchen die Anerkennung ihres Umfelds. Statussymbole und demonstrativer Konsum soll sie als überdurchschnittlich dastehen lassen. Das macht sie angreifbar. Sie haben oft das Gefühl, von etablierten Vermögenden einerseits sowie von Neidern andererseits nicht anerkannt zu werden. Auch hegen sie mitunter einen latenten Minderwertigkeitskomplex gegenüber Intellektuellen. Das Geltungsbedürfnis führt zu ausgeprägten Spenden- und Sponsoring-Aktivitäten, oft im lokalen Umfeld. Laut Studie erfreuen sie sich an Prominenzkontakten und wollen der Welt der „Schönen und Reichen“ angehören. Auch eine „Makellosigkeit“ der körperlichen Erscheinung hat einen großen Stellenwert.

Konventionelle Vermögende

Leistung, Zielstrebigkeit und Vorsorge dienen vor allem dem Selbstschutz. Ausgeprägtes Sicherheitsdenken, ein Gerechtigkeitssinn und ein Verständnis für die „einfachen Leute“ prägen die Haltung. Sie wollen ihren Reichtum nicht zur Schau stellen, Bodenständigkeit steht im Vordergrund. Die Distanz zur Welt der Diven und Prominenten kann größer nicht sein. Der Durchsetzungswille ist nicht ganz so ausgeprägt wie bei anderen Vermögenden, Harmonie hat einen hohen Stellenwert. Unter anderem solide, reich gewordene Mittelstandsunternehmer in der Provinz gehören zu diesem Typ.

Der neue vermögende Nachwuchs

Er sieht sich als die kommende Elite. Hierarchien und herrschende Normen werden grundlegend angezweifelt. Er sieht sich als besonders leistungsfähig, clever, pragmatisch, zielstrebig, kreativ und offen für neue Technologien und weltweite Entwicklungen. Obwohl Selbstverwirklichung, Autonomie und intensives Leben ganz oben stehen, gibt es auch eine große Sehnsucht nach Anerkennung und einer intakten Familie. Der neue vermögende Nachwuchs gibt sich als Gegenpol zu seinem ausgeprägten Leistungsdenken auch einem ausschweifenden Luxuskonsum hin. „Work hard, play hard“, heißt der Schlachtruf. Dazu gehört nicht nur Arbeiten bis zum Umfallen, sondern auch exzessives Feiern in exklusiven Clubs.

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