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Die Klägerin verlangt vom Tüv Rheinland 40.000 Euro Schmerzensgeld.

© Uli Deck/dpa

Update

Minderwertiges Silikon der Firma PIP: TÜV erzielt juristischen Erfolg in Brustimplantate-Skandal

Rund 5000 Frauen sind in Deutschland betroffen: Ihnen wurden minderwertige Brustimplantate eingesetzt. Eine von ihnen klagte gegen den TÜV wegen unzureichender Prüfung. Nachdem dieser 2013 zu Zahlungen verurteilt wurde, hat das Berufungsgericht dieses Urteil nun kassiert.

Der TÜV Rheinland ist im Skandal um minderwertige Brustimplantate der französischen Firma PIP erfolgreich gegen eine Verurteilung zu Schadenersatz vorgegangen. Das Berufungsgericht der südfranzösischen Stadt Aix-en-Provence kassierte am Donnerstag ein Urteil der ersten Instanz, das den TÜV zur Zahlung von Millionen von Euro an betroffene Frauen verurteilt hatte. Das Zertifizierungsunternehmen habe seine Kontrollpflichten erfüllt und "keinen Fehler" begangen, erklärten die Richter.

Der Skandal um die französische Firma Poly Implant Prothèse (PIP) war 2010 bekanntgeworden: PIP hatte seine Brustimplantate statt mit Spezial-Silikon mit billigerem Industrie-Silikon befüllt, die Kissen reißen leichter und können Entzündungen auslösen. Weltweit wurden zehntausenden Frauen PIP-Implantate eingesetzt, in Deutschland sind Schätzungen zufolge rund 6000 Frauen betroffen. Der TÜV hatte das Herstellungsverfahren bei PIP zertifiziert, nicht aber die Silikonkissen selbst kontrolliert. Im November 2013 verurteilte das Handelsgericht der südfranzösischen Stadt Toulon den TÜV zur Zahlung von Schadenersatz an 1700 betroffene Frauen und an mehrere Händler. Das Gericht hielt dem TÜV vor, gegen seine "Kontroll- und Aufsichtspflichten" verstoßen zu haben.

Der TÜV, der sich selbst als Opfer des PIP-Betrugs sieht, legte dagegen Berufung ein - und bekam nun Recht. Das Berufungsgericht von Aix-en-Provence erklärte in seinem Urteil, der TÜV Rheinland und seine Frankreich-Tochter hätten "ihre Verpflichtungen als Zertifizierungs-Organe respektiert". Sie hätten "keinen Fehler begangen", für den sie haftbar gemacht werden könnten. Nach dem erstinstanzlichen Urteil hatte der TÜV aber bereits vorläufig Schadenersatz zahlen müssen - bis zur Klärung der Ansprüche durch Gutachten jeweils 3000 Euro plus 400 Euro für Rechtsauslagen für jede Frau - insgesamt eine Summe von rund 5,8 Millionen Euro.

Der TÜV könnte das Geld zurückverlangen

Der TÜV könnte dieses Geld nun zurückverlangen. "Aus technischer Sicht müssen die Personen (die betroffenen Frauen) dieses Geld zurückzahlen", verlautete aus dem Umfeld des Unternehmens. "Bislang wurde aber noch keine Entscheidung über eine Forderung nach Rückzahlung getroffen." TÜV-Anwältin Cécile Derycke begrüßte das Berufungsurteil vom Donnerstag. Das Handelsgericht von Toulon sei das einzige Gericht überhaupt gewesen, das in der PIP-Affäre gegen den TÜV entschieden habe. In Deutschland haben Gerichte eine Reihe von Schadenersatzklagen gegen den TÜV zurückgewiesen, eine Klage ging bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Anfang April legte der BGH diese dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Die Luxemburger Richter sollen klären, wie umfangreich die Prüfpflichten bei der Zertifizierung von Medizinprodukten sind. fs/ans AFP

Eine Patientin aus Ludwigshafen hatte sich 2008 die Implantate der Firma PIP einsetzen lassen, vier Jahre später musste sie in einer zweiten Operation die Kissen entfernen und durch andere ersetzen lassen. Denn 2010 war bekannt geworden, dass PIP das Silikon in den Implantaten durch minderwertiges und billigeres Industriesilikon ersetzt hatte. Ein Platzen wäre hoch gefährlich gewesen.

Der Fall kam 2010 ins Rollen, als eine Patientin in Frankreich starb. Ihr Brustimplantat war gerissen, gesundheitsschädliches Industriesilikon war ausgelaufen. Die französische Kontrollbehörde nahm die Implantate im März 2010 vom Markt. Es kam heraus, dass PIP in einem ausgeklügelten Betrugsverfahren die Implantate mit dem Billigsilikon befüllt hatte. Dem Tüv wurden bei den (angekündigten) Kontrollen jedoch Dokumente mit medizinisch einwandfreiem Silikon vorgelegt, auch in den Produktionsstätten wurden alle Spuren verwischt. PIP erhielt deshalb das Prüfsiegel CE und konnte seine Produkte auch in Deutschland vertreiben.

Nachdem der Betrug aufgeflogen war, riet man 2011 allen betroffenen Frauen, sich die Implantate herausoperieren zu lassen. 2013 wurde der Firmengründer in Frankreich zu vier Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. PIP hatte längst Insolvenz angemeldet. Die ersten Frauen klagten in Deutschland, und zwar gegen den Tüv Rheinland. Der war ihrer Ansicht nach seiner Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen. (tsp, AFP)

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