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Missbrauchsfälle: Kirche: Aus ihrem Kreis heraus

Bischof Zollitsch hat mit dem Papst über die Missbrauchsfälle gesprochen. Was kam dabei heraus?

Die Katholische Kirche hat ein Problem: Missbrauchsfälle in vielen ihrer Einrichtungen. Papst Benedikt XVI. selbst steht nun sogar im Blickpunkt. Er habe 1980 als Erzbischof Josef Ratzinger der Versetzung eines offenbar pädophilen Priesters nach München zugestimmt, teilte die Erzdiözese München und Freising am Freitag mit. Ob er darüber mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, in Rom gesprochen hat, blieb allerdings unklar.


Wie war das Gespräch mit dem Papst?

Die von manchen erwartete Rüge des Papstes angesichts der täglich zunehmenden Missbrauchsberichte aus Deutschland ist nach Zollitschs Darstellung ausgeblieben. Das Vier-Augen-Gespräch – das mit 45 Minuten Dauer für vatikanische Verhältnisse sehr lang war –, verlief nach Aussagen des Freiburger Erzbischofs „brüderlich und freundschaftlich“.

Benedikt XVI. habe die Missbrauchsberichte „mit großer Betroffenheit und tiefer Erschütterung“ wahrgenommen und die Bischöfe aufgefordert, „unbeirrt ihren bereits eingeschlagenen Weg der lückenlosen Aufdeckung fortzusetzen“ – auch bei Fällen, die Jahrzehnte zurücklägen und juristisch verjährt seien. Eingriffe des Vatikans dabei standen offenbar nicht zur Debatte. Sowohl die Glaubenskongregation als auch der Papst hätten anerkannt, dass die deutschen Bischöfe „sehr vieles aus eigener Kraft“ unternähmen, bekräftigte Zollitsch: „Ich gehe gestärkt aus diesem Gespräch hervor.“ Vor zwei Wochen etwa hatte die oberbayerische Benediktinerabtei Ettal, aus deren Schule eine Reihe von Missbrauchsfällen gemeldet worden sind, für das eigene Kloster beim Vatikan eine offizielle Untersuchungskommission beantragt. Weitergehende Prüfungen römischerseits sind anscheinend nicht gewünscht oder geplant.

Über die Meldungen, die den Papst menschlich besonders berührt haben müssen – also über die „pädagogischen Übergriffe und den sexuellen Missbrauch“ bei den Regensburger Domspatzen, wo sein Bruder Georg Ratzinger dreißig Jahre lang Domkapellmeister war –, hat Zollitsch mit Benedikt XVI. nach eigenen Auskünften nicht gesprochen. „Diese Fälle werden in Regensburg aufgearbeitet“, sagte Zollitsch kurz.

Was sagen die Worte von Erzbischof  Robert Zollitsch aus?

Vergangenes Wochenende hatte der vatikanische Kurienkardinal Walter Kasper mit ungewöhnlich harschen Worten Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen gefordert. „Es reicht. In unserer Kirche muss aufgeräumt werden“, hatte Kasper, der deutsche Ökumene-Beauftragte und dienstälteste Kardinal in Rom, in der italienischen Zeitung „La Repubblica“ geschrieben. Er betonte auch, dass der Papst „nicht einfach zusehen“ werde. Einige Kommentatoren lasen aus diesen Äußerungen eine Schelte für die deutschen Bischöfe heraus, eben noch nicht genug aufzuräumen. Erzbischof Zollitsch lag deshalb am Freitag viel daran, Einigkeit mit dem Vatikan zu demonstrieren. Seine Aussage, wonach der Papst die deutschen Bischöfe ermutigt habe, ihre Aufklärungsarbeit „fortzusetzen“, sollte vor allem aussagen: Zwischen den Papst und die deutschen Bischöfe passt kein Blatt.

Inhaltlich sind die Worte des Papstes gleichwohl nichts Neues. In den vergangenen fünf Jahren hat Benedikt XVI. immer wieder deutlich gemacht, dass es keine Toleranz geben darf, wenn Jugendliche und Kinder durch Geistliche missbraucht werden. Bei Besuchen in den USA und in Australien hat er sich mit Opfern getroffen. Auch Zollitsch wiederholte im Prinzip lediglich das, was er bereits vor zwei Wochen am Ende der Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz in Freiburg gesagt hatte: „Wir wollen die Wahrheit aufdecken“, die Kirche wolle „ohne falsche Rücksichtnahme“ Licht in die Vorgänge bringen, auch wenn die Fälle Jahrzehnte zurücklägen. Zollitsch wies auch noch einmal darauf hin, dass die Bistümer bei Missbrauchsfällen von sich aus die Strafverfolgungsbehörden einschalten wollen, wenn die Opfer damit einverstanden sind. Dies ist eine deutliche Klarstellung gegenüber den „Leitlinien“, die sich die Bischofskonferenz 2002 gegeben hat. Diese dringend notwendige Klarstellung soll nun in die Leitlinien eingearbeitet werden. Darauf hatten sich die Bischöfe in Freiburg geeinigt. Aber auch sieben Wochen nach Beginn des Skandals gehen die deutschen Bischöfe sehr unterschiedlich mit dem Thema um. Während das Erzbistum München am Freitag ankündigte, eine „Task Force Prävention“ einzusetzen, weil man sich „zu hundert Prozent anstrengen wolle, um neue Taten zu verhindern“, stellte der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller am Donnerstag einen mehrseitigen Artikel auf die Internetseite seines Bistums, in dem er sich in mehreren Sprachen über die „antikatholische Kampagne“ der Medien ereifert.

Wie verläuft der Streit zwischen der katholischen Kirche und der Justizministerin?

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und die katholischen Bischöfe haben sich noch nicht auf einen Termin für ein Gespräch über die Missbrauchsfälle geeinigt. Es werde weiter ein Termin gesucht, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Die Verstimmungen zwischen der Bischofskonferenz und der Justizministerin waren im Februar durch den Vorwurf Leutheusser-Schnarrenbergers ausgelöst worden, die Kirche arbeite mit den Strafverfolgungsbehörden nicht konstruktiv zusammen.

Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller sagte in einem Interview der italienischen Tageszeitung „La Stampa“ (Freitagsausgabe), die Justizministerin habe „gelogen, weil weder der Heilige Stuhl noch die deutsche Kirche je Anweisung gegeben haben, den Klerus der staatlichen Justiz zu entziehen“. In Deutschland seien Priester, die sexuellen Missbrauch begangen hätten, „nie in irgendeiner Form gedeckt worden“, sagte Müller am Rand einer Tagung der vatikanischen Kleruskongregation in Rom.

Ausdrücklich dankte Zollitsch der Bundesfamilienministerin Kristina Schröder und Bundesbildungsministerin Annette Schavan (beide CDU) dafür, dass sie zu einem Runden Tisch „aller gesellschaftlich relevanten Gruppen“ eingeladen hätten. Die Bischofskonferenz sei „selbstverständlich dabei“. Mit keinem Wort erwähnte er dagegen den von Leutheusser-Schnarrenberger geplanten Runden Tisch zum Thema. Die Justizministerin will sich explizit mit den möglichen Missbrauchsfällen in katholischen Einrichtungen und möglichen Entschädigungen beschäftigen. Der von Schröder und Schavan einberufene Runde Tisch werde sich ausdrücklich nicht damit befassen, was für „die Opfer von Missbrauch aus der Vergangenheit“ getan werden könne, sagte Leutheusser-Schnarrenberger am Donnerstagabend im ZDF. Die katholische Kirche will am Runden Tisch der Justizministerin nicht teilnehmen.

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