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Amstetten

© dpa

Missbrauchsfall in Österreich: Natascha Kampusch bietet Hilfe an

Sie selbst hat acht Jahre lang in der Gewalt eines Entführers gelebt, nun will Natascha Kampusch im Fall der 24 Jahre lang eingesperrten Elisabeth F. und der mit ihr gefangenen Kinder helfen. Der Vater legte unterdessen ein Geständnis ab.

Da sie die Situation der völligen Isolation aus eigener Erfahrung kenne, biete Natascha Kampusch der heute 42-jährigen, am Wochenende befreiten Frau sowohl finanzielle Unterstützung als auch ein Gespräch an, heißt es in einer Erklärung. Finanzielle Hilfe will Kampusch der Familie aus den Spendengeldern zukommen lassen, die sie nach ihrer Flucht von ihrem Peiniger für einen geplanten Hilfsfonds erhielt.

Schweres Verbrechen in Niederösterreich

Auch die 42-jährige Frau aus Amstetten soll 24 qualvolle Jahre lang in eiem Kellerverlies gefangengehalten worden sein. Der 73 Jahre alte Rentner hatte seine Tochter wie eine Gefangene in dem dunklen Verlies versteckt gehalten - mehr als die Hälfte ihres Lebens. In dieser Zeit brachte die Frau sieben Kinder zur Welt. Eines der Babys starb bereits nach der Geburt. Drei der Kinder, die heute im Alter von 5, 18 und 19 Jahren sind, mussten mit ihrer Mutter in Gefangenschaft leben. Drei weitere nahm Josef F. in seinem Haushalt auf. Wenn er auf die Kinder angesprochen wurde, erklärte er, dass seine angeblich vermisste Tochter ihm die Babys "vor die Haustür gelegt" habe. Er habe sie dann "an Kindes statt" angenommen. Die Behörden hatten keine Einwände.

Ein perfektes Doppelleben

Auch mit anderen Erzählungen täuschte Josef F. in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Polizei und Öffentlichkeit. So behauptete er, seine Tochter sei abgängig und lebe vermutlich bei einer Sekte. So baute sich der Mann über Jahre hinweg ein perfektes Doppelleben auf.   Der Fall kam erst ans Licht, als die 19-jährige Tochter schwer erkrankte. Vergangene Woche wurde sie - offenbar auf Drängen von Elisabeth F. bewusstlos ins Krankenhaus gebracht. Dort ringt die junge Frau, die wohl mit einer Inzest-bedingten schweren Erbkrankheit belastet ist, mit dem Tod. Auf der Suche nach der als vermisst geltenden Mutter der Patientin entdeckten die Ermittler im Haus des Vaters einen Brief aus dem Jahre 1984, in dem es hieß: "Sucht mich nicht, denn es wäre zwecklos und würde mein Leid und das meiner Kinder nur erhöhen." Die Behörden forderten die Mutter auch über die Medien auf, sich zu melden. Irgendwie gelang es Elisabeth F., ihren Vater auch davon zu überzeugen, mit ihr in die Klinik zu fahren. Am Abend wurde der 73-Jährige dann in der Umgebung des Krankenhauses von Amstetten gefasst.

Hochsicherheitstrakt im Keller

Inzwischen hat der Rentner laut Medienberichten ein umfassendes Geständnis abgelegt. Er gab zu, dass er seine Tochter und später auch drei ihrer Kinder in dem Verlies eingesperrt hielt. Als eines der sieben Kinder gestorben sei, habe er die Leiche des Babys im Heizkessel des Hauses verbrannt, meldete der Nachrichtensender N 24.

In Polizeigewahrsam erklärte Josef F., seine Familie "täte ihm leid" und teilte den Beamten den Sicherheits-Code für das Verlies mit. Am Sonntagabend gelang es der Polizei, das durch eine elektrisch gesicherte Stahlbetontür verschlossene Verlies zu öffnen. Sie fanden ein perfekt ausgestattetes Gefängnis, das der Mann an seine Werkstatt angebaut hatte. Die gefangenen Familienmitglieder lebten in drei sehr engen und nur etwa 1,70 Meter hohen Räumen mit einer sanitären Anlage, Kochnische und unebenem Boden. Tageslicht gab es nicht. Zur Bestrafung der Tochter hatte der Mann sogar eine Gummizelle eingerichtet.   Elisabeth F. ist von ihrem Martyrium schwer gezeichnet. Schlohweißes Haar habe sie, heißt es. Auch die sonstige körperliche Verfassung der 42-Jährigen wird als "äußerst schlecht" bezeichnet. Erst nach einem längeren Gespräch und der Zusicherung, dass es zu keinem Kontakt mit dem Vater mehr kommen und auch für ihre Kinder gesorgt werde, war sie zu einer umfassenden Aussage bereit. Sie beschuldigt ihren Vater "massiver Verbrechen". Der Rentner muss sich nun wegen schwerem sexuellem Missbrauch, Inzest sowie Freiheitsberaubung verantworten. Ergebnisse einer DNA-Analyse werden in Kürze erwartet. Sie sollen beweisen, dass Josef F. der Vater der Kinder ist.

Während der Gefangenschaft sollen Elisabeth F. und die drei bei ihr lebenden Kinder ausschließlich von Josef F. mit Essen und Kleidung versorgt worden sein. Elisabeths Mutter, Rosemarie F., behauptet gegenüber der Polizei, sie habe von der Gefangenschaft in nächster Nähe nichts gewusst. "Sie hat es als gegeben hingenommen", sagte der Leiter des Landeskriminalamtes Niederösterreich, Franz Polzer.

Erinnerungen an den Fall Kampusch

Der Fall ruft bei vielen Österreichern Erinnerungen an das Schicksal von Natascha Kampusch wach. Die heute 19-jährige Wienerin war 1998 als Zehnjährige auf dem Schulweg entführt worden und 2006 nach acht Jahren aus der Gewalt ihres Peinigers entkommen. Polzer betonte allerdings, die Ereignisse von Amstetten überträfen den Fall Kampusch um ein Vielfaches. (küs/sba/dpa)

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