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Panorama: Mit Klößen zum Erfolg

In Kabul betreiben Ex-Bundeswehrköche den „Deutschen Hof“

Wenn er nicht von einer Mauer umgeben wäre, der „Deutsche Hof“ könnte ein ganz normaler Biergarten irgendwo in Deutschland sein. In Berlin etwa, schließlich hat sich das Lokal das bekannteste Bauwerk der deutschen Hauptstadt aufs Schild gemalt: das Brandenburger Tor. Doch der „Deutsche Hof“ liegt in Kabul, Afghanistan. Dort haben die meisten Anwesen hohe Mauern, es entspricht islamischer Tradition. Das deutsche Restaurant gilt als die exotischste Adresse in der afghanischen Hauptstadt. Zumal zu den Fleischgerichten ausnahmslos Thüringer Klöße serviert werden. Damit können die anderen ausländischen Restaurants der Stadt, zwei Pizzerien und ein Chinese, nicht konkurrieren.

Zwei ehemalige Bundeswehrköche haben den „Deutschen Hof“ im Frühjahr eröffnet. Die beiden kochten zuvor für die deutschen Soldaten der Kfor-Friedenstruppe im Kosovo. „Als wir nach Deutschland zurückkamen, fanden wir es dort einfach zu langweilig", sagt Boris Wojahn. In Kabul, so dachten sie, könnten sie mit ihren Klößen – und Bier vom Fass - in eine Marktlücke stoßen. „Wir haben nach einem Ort mit vielen deutschen Soldaten und Entwicklungshelfern gesucht. Da sind wir irgendwann auf Kabul gekommen“, erzählt Wojahn. Der 25-Jährige kommt aus Braunschweig, für die Klöße ist sein Partner Gunter Völker verantwortlich, ein echter Thüringer aus Tabatz. Die Rechnung der früheren Berufssoldaten ist aufgegangen – obwohl sie monatlich 3000 Dollar Miete für das Restaurant an einen Exilafghanen in Kanada zahlen. Jeden Abend sind die Tische gut besetzt. Die Karte ist deutsch, gezahlt wird in Euro.

Mit seiner gediegenen Holzeinrichtung versprüht der „Deutsche Hof“ den Charme einer altdeutschen Eckkneipe. Im Biergarten gibt es zwar keine Bäume, aber stilechte Bierbänke. Überhaupt das Bier: Wojahn gesteht freimütig ein, dass die meisten Gäste nicht wegen der Klöße in den „Deutschen Hof“ kommen, sondern vor allem, um ein frisch gezapftes Pils oder ein Weißbier zu trinken. Die Qualität der Klöße entspricht ohnehin nicht ganz thüringischen Standards.

Briten, Franzosen, Niederländer, Amerikaner und andere westliche Ausländer gehören außer den Deutschen in Kabul zu den Stammgästen von Wojahn und Völker. Afghanen kommen selten. „Das liegt wohl daran, dass sie als Muslime keinen Alkohol trinken dürfen“, erläutert Wojahn. Alle Angestellten würden beim Vorstellungsgespräch gleich gefragt, ob sie ein Problem damit haben, Alkohol zu servieren. Doch die Jobs im „Deutschen Hof“ sind begehrt, denn hier wird auch ausgebildet – in Zusammenarbeit mit einer deutschen Entwicklungshilfeorganisation. Bei ihr absolvieren die Azubis zunächst eine theoretische Grundausbildung. Insgesamt acht Köche und Kellner haben bereits einen Abschluss gemacht. „Die meisten hatten schon vor dem Ende ihrer Ausbildung einen Vertrag in der Tasche“, sagt Wojahn. Einer der Köche arbeite jetzt bei der deutschen Botschaft, gleich zwei bei der britischen. „Der Bedarf ist riesig, ich könnte jeden Monat 20 Köche unterbringen.“ Die beiden Deutschen wollen expandieren. Im nordafghanischen Kundus, wo schon bald Soldaten der Bundeswehr stationiert werden sollen, planen sie ein zweites Restaurant. Es könnte der Durchbruch für den Thüringer Kloß im Orient werden.

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