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© ddp

Berliner Mode: Dranbleiben

Zwei prominente Labels mussten Insolvenz anmelden – trotzdem macht die Berliner Mode ihren Weg

Fast wie ein Heilsbringer wurde Markus Höfels Icon Fashion Group vor gut zwei Jahren willkommen geheißen. Sie schien genau die richtige Idee zur richtigen Zeit für Berlin zu sein: ein Unternehmen, das Modedesignern dabei helfen will, ihre Marke weiterzuentwickeln, sie finanziell und fachlich unterstützt und ihnen so ermöglicht, zu expandieren.

Mittlerweile haben jedoch zwei Marken, die zur Icon Fashion Group gehören, Insolvenz angemeldet – und plötzlich wird die Überlebensfähigkeit der Berliner Labels insgesamt infrage gestellt. Wenn die Berliner Morgenpost nun vom „Sanierungsfall Berliner Mode“ spricht, könnte man fast glauben, die gesamte hiesige Modebranche habe Insolvenz angemeldet.

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gab ausgerechnet der Berliner Modeprofessor und Designer Stephan Schneider zu Protokoll, Berliner Junglabels seien entweder zu naiv oder zu borniert, um die wirtschaftlichen Realitäten zu begreifen. Aber ist er nicht einer derjenigen, die genau hier helfen könnten?

Außerdem gibt es positive Entwicklungen: Lala Berlin, Kaviar Gauche, Penkov oder C.Neeon sind Marken, die ihre Kollektionen über Berlin hinaus verkaufen.

Warum lösen dann die Insolvenzen solche Erschütterungen aus? Viele Berliner Designer haben eine kritische Größe erreicht. Sie haben sich etabliert, zeigen ihre Mode auf der Berliner Fashion Week und auf internationalen Messen – und leben doch von der Hand in den Mund.

So ging es etwa Meike Vollmer, der Designerin des Labels Macqua. Nach mehreren Jahren stand sie vor der Entscheidung, aufzuhören oder einen Geschäftspartner ins Boot zu holen. Mit 30 000 Euro Umsatz im Jahr konnte sie im kostenintensiven Gewerbe Mode lediglich ihren Lebensunterhalt finanzieren. Also wandte sie sich an die Icon Fashion Group, die sich fortan um Vertrieb, PR und Produktion kümmerte. Dass sie sich nun auf das Entwerfen konzentrieren konnte, war ihren Kollektionen anzusehen, Macqua entwickelte sich zu einer Marke, die nicht nur in Berlin zu den besten gehörte, sondern auch international mithalten konnte. Trotzdem musste Meike Vollmer im Dezember Insolvenz anmelden.

„Irgendwann braucht jeder Designer Fremdkapital“, sagt Silvia Kadolsky, die Leiterin der Berliner Modeschule Esmod, an der auch Meike Vollmer ausgebildet wurde. Ohne Investitionen kann kein Designer international erfolgreich sein. Schon mit 400 000 Euro wäre vielen geholfen. Aber in Deutschland gibt es nur wenige Geldgeber, die bereit sind, in Mode zu investieren. „Designer sollten sich auch in China oder Indien nach Investoren umsehen“, rät Kadolsky. Und es braucht vor allem einen langen Atem. Der ist der Icon Fashion Group nicht nur bei Meike Vollmer ausgegangen, sondern auch beim Label Unrath & Strano, das ebenfalls Insolvenz anmelden musste.

Die Probleme der beiden Designermarken waren unterschiedlich. Im Fall Unrath & Strano meldeten sich alle Boulevardblätter beim Insolvenzverwalter Björn Gehde, um sich nach dem Ende der Designer für B-Promi-Kleider zu erkundigen. Wegen Macqua bekam er kaum Nachfragen. Dabei machte Macqua Umsatz und Qualität: Nicht nur Silvia Kadolsky hält Meike Vollmer für eine der talentiertesten deutschen Designerinnen.

Ein Grundproblem scheint nicht das Talent der Designer, sondern das allgemeine Desinteresse deutscher Einzelhändler zu sein. Hier fehlt es offenbar am Mut, Neues zu wagen, und am Gespür, Talente zu entdecken. Auch für die Schulleiterin Kadolsky ist die fehlende Courage der deutschen Händler einer der Gründe, warum viele Labels nicht vorankommen.

Um sich für den Handel attraktiv zu machen, fehlt andererseits den meisten Jungdesignern das ökonomische Rüstzeug. Das könnte sich nun ändern, denn hier hat der Senat mittlerweile die Initiative ergriffen. Er rief den Wettbewerb „Create Your Fashion Business“ ins Leben. Es geht hier nicht nur um die beste Kollektion, sondern auch darum, einen überzeugenden Businessplan zu präsentieren.

Tanja Mühlhans hat den Wettbewerb als Beauftragte des Wirtschaftssenators entwickelt. Junge Designer, die sich beteiligen wollen, müssen den Markt kennen, Vertriebsstrategien und solide Finanzierung gehören neben einer wiedererkennbaren Handschrift bei der Kollektion ebenfalls dazu. „Es schadet auch nicht, sich mit Lizenzen, Zweitkollektionen oder einer Kooperation mit einem Markenartikelunternehmen ein zweites Standbein zu schaffen,“ sagt Mühlhans.

Dass viele Jungdesigner in letzter Zeit aufgeben mussten, war einer der Gründe für das neue Konzept: „Wir brauchen mehr Modelabels mit Vermarktungs- und Geschäftssinn, wenn wir uns von dem viel zitierten Klischee Arm und sexy verabschieden wollen.“ Dazu würde auch gehören, dass angehende Designer besser auf ihre berufliche Zukunft vorbereitet werden: „Mir gefällt die Vorstellung, dass Studierende ihre Dozenten bitten, lieber einen Businessplan als Modetheorie zu diskutieren.“

Mit der Ausbildung könnte man schon vieles erreichen. Ohne experimentierfreudige Einzelhändler und beherzte Geldgeber werden es junge Modemacher jedoch weiter schwer haben.

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