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Wer hat den Hut auf? Bestseller findet in diesem Jahr unter dem Dach der Bread & Butter statt.

© dpa

Bread & Butter: Mainstream im Hause der Hippen

Die Bestseller-Gruppe ist in diesem Jahr im Tempelhofer Hangar der "Bread & Butter" angesiedelt. Damit zieht der Mode-Mainstream bei der auf urbane Streetware spezialisierten Messe ein. Beide Veranstalter sehen sich aber nicht als Konkurrenten.

Die Modestadt Berlin verändert sich – das ist erst Mal ein gutes Zeichen in der schnelllebigen Branche, bedeutet Stillstand doch, dass in kürzester Zeit der Reiz des Neuen verflogen wäre, und alle sich auf die Suche nach dem nächsten großen Ding machen würde. Aber manche Neuerungen kommen schon überraschend. Plötzlich sind Partnerschaften möglich, die so noch vor kurzem kaum ein Kenner für möglich gehalten hätte: Vero Moda auf der Bread & Butter? Die dänische Damenmodemarke für den Massenmarkt auf der Messe, die immer so viel auf ihre selektiven, schon fast elitären Auswahlkriterien gegeben und daraus auch ihre immense Strahlkraft in ganz Europa bezogen hat? Ja, das ist heute Tatsache. Denn ihr Mutterkonzern, die Bestseller-Gruppe hat zum ersten Mal gleich einen ganzen Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof gemietet. „Wir fühlen uns als natürlicher Teil der Bread & Butter“, sagt Lars Pedersen, der Deutschland-Chef von Bestseller.

In Berlin war der Textilkonzern während der Fashion Week schon länger vertreten. Zuletzt hatte er das Veranstaltungszentrum Arena in Treptow angemietet, um seine zwölf Marken zu präsentieren. „Wir machen in vielen Modestädten, in Kopenhagen, Stockholm, Oslo oder Kopenhagen, eigene Veranstaltungen“, erklärt Pedersen. Da nutzten sie aber eigene Showrooms. Nirgendwo gab es eine richtig große Hausmesse wie in Berlin. „Das machen wir für ganz Europa. Alle wichtigen europäischen Einkäufer sind während der Fashion Week in Berlin. Deswegen sind wir auch da“, erklärt Pedersen, warum der Konzern ausgerechnet hier einen solch immensen Aufwand betreibt.

Aber mit der etablierten eigenen Veranstaltung, die unter dem selbstbewussten Motto „The Place to Be“ firmierte, mochte es in diesem Sommer nicht klappen. Die bewährte Arena war während der Fashion Week anderweitig gebucht – dort gibt es noch bis Anfang September eine Tutanchamun-Ausstellung zu sehen. Und so sahen sich die Dänen nach einer Alternative um. „Wir waren auf der Suche nach einer anderen Fläche, das hat nicht geklappt, und dann haben wir die Bread & Butter gefragt“, erzählt Pedersen. Zur der Messe, die sich traditionell auf Jeans- und Streetwearmarken konzentriert, hatte der Bestseller-Konzern schon länger eine enge Beziehung. Denn er hat eben nicht nur  Massenmarken wie Vero Moda oder das Herrenlabel Jack & Jones im Repertoire: Mit kleineren, exklusiveren Linien wie Selected oder Vila war er schon länger in Tempelhof als ganz normaler Aussteller vertreten.

Als die Dänen auf der Suche nach einem geeigneten Quartier in Berlin bei Messechef Karl-Heinz Müller angefragt hatten, kam man so schnell zu einer Einigung: „Die Bread & Butter war sehr kooperativ, und wir hatten Vertrauen zu den Verantwortlichen“, sagt Pedersen. Und so kann die Bestseller-Gruppe nun drei Tage lang eine eigene Halle mit einer Fläche von 6000 Quadratmetern auf der Messe bespielen. Pedersen sieht das ganz pragmatisch: Der Konzern brauchte Platz, in Tempelhof war er verfügbar. Obwohl die Bread & Butter als führende Veranstaltung im Jeans- und Freizeitmodebereich gerade in Nordeuropa ein enormes Prestige besitzt, spekuliert der Konzern nicht darauf, dass etwas vom Glanz der Messe auf die eigenen Marken abstrahlen könnte. „Nein, überhaupt  nicht“, sagt Pedersen mit Nachdruck. Und wirkt dabei ein wenig indigniert: „Wir sind Bestseller, wir wurden 1975 gegründet, wir haben schon ein paar Jahre Erfahrung.“ Soll heißen: Das Unternehmen hat es gar nicht nötig, sein Image durch die Präsenz auf der renommierten Messe aufzupolieren. „Neukunden zu gewinnen, ist nicht unser vordringliches Ziel auf der Bread & Butter. Das wäre schön, aber in erster Linie geht es uns darum, den bestehenden Kunden zu zeigen, was wir können“, sagt Pedersen.

Das Selbstbewusstsein ist begründet: Rund 2,4 Milliarden Euro setzte das Unternehmen, das sich immer noch im Besitz der Gründerfamilie Holch Povlsen befindet, im vergangenen  Geschäftsjahr um. Mehr als 3000 eigene Läden seiner verschiedenen Marken betreibt Bestseller weltweit, davon über 600 in Deutschland. Und in Dänemark ist der Konzern eine Institution: Nicht nur als wichtiger Stützpfeiler der Textilindustrie, die dort eine viel größere Rolle spielt als in Deutschland, sondern auch als Ausstatter der Olympiamannschaft oder als sozialer Wohltäter, der über eine eigene Stiftung Millionen für gemeinnützige Projekte ausgibt.

Für Bestseller war die Zusammenarbeit mit der Bread & Butter also einfach praktisch. Wie sieht es aber aus Sicht der Bread & Butter aus? Deren Konzept war lange Zeit äußerst wählerisch. Aber in den vergangen Jahren hat sie sich dem modischen Mainstream immer mehr geöffnet. So war auch schon die Clinton-Gruppe aus Hoppegarten mit ihren populären, aber nur begrenzt anspruchsvollen Marken Camp David und Soccx in Tempelhof vertreten, bevor sie zur Panorama, der neuen Berliner Messe für den Massenmarkt, weiterzog. In dieser Saison gibt beispielsweise der grundsolide Herrenausstatter Carl Gross aus der mittelfränkischen Kleinstadt Hersbruck mit der Linie „GC – Club of Gents“ seinen Einstand als Aussteller auf der Bread & Butter. Wie auch die Präsenz von Bestseller sind das Zeichen für den Wandel der Messe, die einst als frische, avantgardistische Alternative zu den verkrusteten, alteingesessenen Modeplattformen in Westdeutschland konzipiert worden war.

Messechef Karl-Heinz Müller begründet die Entscheidung, Bestseller gleich eine ganze Halle zur Verfügung zu stellen, mit handfesten wirtschaftlichen Gründen: „Selbstverständlich wird sich die Präsenz der Bestseller Group positiv auf die Besucherzahlen auswirken, wie dies bei jeder anderen attraktiven Marke auch der Fall ist,“ sagt er. Es handele sich unter dieser Prämisse ganz einfach um „einen sehr attraktiven Aussteller“.

Damit steht die Präsenz des Bestseller-Konzerns auf der Bread & Butter auch exemplarisch für die jüngste Entwicklung des Modestandorts Berlin. Es geht für die Protagonisten, die tatsächlich auf die Zahlen schauen, nicht mehr in erster Linie um die fast schon zu Klischees gewordenen Attribute der Stadt – die Kreativität, die Wildheit, das Avantgardistische – sondern immer mehr um den wirtschaftlichen Mehrwert.

Wie das in Berlin auch auf internationaler Ebene funktionieren kann, hat im letzten Winter die Panorama bewiesen, die Modemesse im Expo Center am nach wie vor unvollendeten Flughafen BER. Obwohl der ursprünglich einkalkulierte Standortvorteil wegfiel, feierte die auf „großvolumige“ - also den Massenmarkt bedienende - mittelpreisige Marken spezialisierte Messe ein erfolgreiches Debüt und geht nun deutlich größer in die zweite Saison. Ein Risiko für den Standort sieht Pedersen in dieser Öffnung zum Mainstream nicht: Die Erweiterung auf neue, erfolgreiche, aber vielleicht wenig spektakuläre Segmente sei kein grundsätzlicher Wandel, sondern eine „Stärkung“ der Modestadt Berlin, sagt er. Er wisse nicht, was sich in Zukunft entwickeln werde, aber „im Großen und Ganzen stimmt hier im Moment alles“.

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