zum Hauptinhalt
Jon Sanders hat mehrere hundert Rucksäcke gesammelt.

© Thilo Rückeis

Design in Berlin: Der Rucksacksammler

Jon Sanders sammelt kleine, große, alte, neue Rucksäcke. Damit er nicht den Überblick verliert, verkauft er sie immer wieder.

Den bunten Rucksack umgeschnallt, sieht Jon Sanders aus wie ein kleiner Junge. „Ich hatte so einen ähnlichen Rucksack, als ich klein war“, sagt er. „Das ist auch ein Stück Nostalgie.“ Den Rucksack hat der 34-jährige Berliner in seiner Wohnung in Mitte aus einer großen Holztruhe gefischt. Darin steckt noch ein ganzer Haufen Vintage-Exemplare: vom kleinen Beutel zum Wanderrucksack, in edlen Pfirsichfarben und wildem Retro-Muster. Der Rest der Sammlung ist im Keller. Dort lagern noch etwa 200 Exemplare, schätzt Sanders und lacht über sich selbst. „Das ist viel, oder?“

Die alten Teile rufen Erinnerungen an Wanderausflüge wach

Um eine Ausrede für seine Sammelleidenschaft zu haben, hat Jon Sanders einen Pakt mit sich geschlossen: Er darf die Rucksäcke kaufen, auf Flohmärkten, im Internet, über Kleinanzeigen – aber er muss bereit sein, jeden einzelnen wieder herzugeben. Auf seiner Webseite „Rucksack Rucksack“ verkauft er die Second-Hand-Teile seit knapp zwei Jahren für etwa 40 Euro das Stück. Zuvor untersucht er sie sorgfältig auf Makel, auf Flecken, auf Löcher im Futter, wäscht und repariert sie gegebenenfalls. „Das Wichtigste ist mir, dass es keine Enttäuschungen gibt“, sagt Sanders.

Auf seiner Webseite präsentiert er die Stücke mit ästhetischen Fotos: Pfadfinderrucksäcke, Wanderrucksäcke, Stofftierbeutel, Sportsäcke. Alte Teile, die Erinnerungen wachrufen und in einwandfreiem Zustand sind – manch einer würde dafür tief in die Tasche greifen. Aber dem selbstständigen Unternehmer Sanders geht es nicht darum, an den Rucksäcken zu verdienen. Es handelt sich mehr um Liebe zu den Dingen. Im Schnitt verkauft er etwa ein Exemplar pro Woche. Werbung für seinen Online-Shop macht er kaum, der letzte Eintrag auf der zugehörigen Facebook-Seite ist mehr als ein halbes Jahr alt. Fast könnte der Verdacht entstehen, er will sie doch am liebsten alle behalten – auch wenn er sagt, es falle ihm mittlerweile leicht, sich von seinen Rucksäcken zu trennen.

Für Jon Sanders müssen Rucksäcke einen gewissen Charakter haben - wie kleine Tiere

„Der hier ist ein bisschen klein und dick“, sagt Sanders und stellt ein lila Moppelchen auf den Tisch. „Und wenn der hier eine Person wäre, hätte ich die wahrscheinlich nicht so toll gefunden. Zu Schickimicki.“ Doch als Rucksack mag Jon Sanders den kleinen weißen Beutel mit „Jil Sander“-Aufdruck. Damit er sich für ein Exemplar interessiert, muss es einen gewissen Charakter haben. „Wie kleine Tiere“, sagt Sanders. Jetzt hat er noch etwas gefunden, das ihm gefällt: Er hält zwei blau-rote Rucksäcke nebeneinander, der eine groß, der andere klein und guckt erwartungsvoll. Richtig – wie Vater und Kind.

Wenn jemand anders sich für ein Exemplar interessiere, freue er sich. Es ist fast wie eine Adoption. Die Kunden von „Rucksack Rucksack“ sind meistens Frauen. Jon Sanders vermutet, dass vielen der Rucksack nicht maskulin genug sei. „Es ist einfach nicht so ein professioneller Look, weil man es oft mit der Kindheit verbindet.“ Sanders dagegen findet seine Rucksäcke als modisches Zubehör genial, denn für Männer gebe es ohnehin recht wenig Modeaccessoires. Außerdem fasziniert ihn die Verbindung von Mode und Funktion. „Als Konzept ist der Rucksack einfach geil, weil du etwas trägst, die Arme dabei aber frei hast“ – mit Sicherheit auch ein Grund, weshalb der Rucksack gerade mal wieder ein Comeback feiert.

Manche Rucksäcke gibt er dann doch nicht her

Am seltensten verkauft Sanders die größeren Wanderrucksäcke. Die Vintage-Exemplare sind einfach nicht so praktisch wie die neueren Modelle. Aber auch bei den Alltags-Rucksäcken müssen seine Kunden bereit sein, auf einige Funktionen zu verzichten. Handyfächer und Laptoptaschen gibt es bei den Retro-Teilen nicht.

Dafür aber Geschichte. Jon Sanders zieht einen alten, karierten Pfadfinderrucksack aus seiner Truhe, Nummer 91. Die Aufnäher erzählen von den verschiedenen Stationen: Rostock, Lübbenau, Cottbus, Eisenach. Sanders zeigt die Makel, der Reißverschluss klemmt, das Futter hat Löcher. Online gestellt hat Sanders ihn trotzdem – die Webseite dient ihm auch dazu, seine Sammlung zu katalogisieren. Mehrere Interessenten haben sich schon gemeldet. Sanders schreibt ihnen dann aber zurück: „Den willst du nicht haben.“ Seine Regel bei zu arg mitgenommenen Rucksäcken lautet eigentlich, dass er sie an die Kleiderspende gibt. Doch der weitgereiste Rucksack wandert zunächst noch mal zurück in die Truhe. Offenbar gibt es doch ein paar Ausnahmen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false