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Nicht nur die Models vertreten sich die Beine auf dem Grün, auch die Mode soll grüner werden.

© DPA

Fashion Week in Berlin: Grün, grün, grün sind alle meine Kleider

Früher waren Ökoaktivisten die Spaßbremsen – mittlerweile entsteht ein echter Trend rund um die Öko-Mode. Das zeigt sich auch auf dieser Fashion Week in Berlin wieder. Aber was macht eigentlich echte grüne Mode aus, und wer versucht bloß, auf der Welle mitzureiten?

Je mehr man über grüne Mode weiß, desto weniger Durchblick hat man. Menschenrechte definieren sich neben dem Umgang mit den Beschäftigten jetzt auch über den Arbeitsschutz in den Fabriken. Ökologisch einwandfrei ist nicht die Schadstofffreiheit des fertigen Textils, sondern der Verzicht auf Toxine entlang seiner schier undurchdringbaren Wertschöpfungskette.

Heute werben die billigsten Textildiscounter mit scheinbar nachhaltigen Produkten. H&M, KiK und C&A – alle sprechen sie über soziale Verantwortung oder verwenden Biobaumwolle, während man ihre Namen unter den Auftraggebern der in Bangladesch abgebrannten Fertigungsstätten wiederfindet oder jener Fabriken, die laut der Detox-Studie von Greenpeace hochgiftige Abwässer in Flüsse ableiten.

Über hundert grüne Marken präsentieren sich auf der Fashion Week

Andere beginnen, ihre eigenen Siegel zu bauen, die den unabhängigen verblüffend ähnlich sehen. Aber wie ehrlich sind ihre Bemühungen? Über hundert grüne Brands und Initiativen präsentieren sich während der Fashion Week. Ist ihnen zu trauen? Wie viele von ihnen werden ihren Weg auf den Markt finden? Über alle Kanäle wird ein Modetrend ausgerufen, der strukturell noch nicht bedient werden kann.

Der Verbraucher aber ist gewohnt, eine Mode zu entdecken und sie auf der Stelle zu konsumieren. Was oft fehlt, ist das Verständnis für den großen Zusammenhang. Baumwolle ist meistens genmanipuliert, Farbe größtenteils chemisch, Gerbemittel fast immer schwermetallhaltig, Arbeiter sind häufig unterbezahlt und Kleidung ist zu billig.

Dies trifft ethische Labels bei der Materialbeschaffung und auf der Suche nach Fertigungsstätten und fällt zurück auf jene Unternehmen, die die Kontrolle über den Entstehungsprozess ihrer Waren mit Blick auf ihre Umsatzkurve schon vor Jahren bereitwillig an Lieferanten abgegeben haben. Ihre Kleider werden an Konsumenten verkauft, die sich an entsprechende Preise, Warenzyklen und Produktqualitäten gewöhnt haben. Wenn also die sogenannte Concious Collection von H&M, die immense Biobaumwollabnahme von Nike und der erste Nachhaltigkeitsbericht von KiK irgendwie nach windigen Maßnahmen aussehen, dann sind es womöglich hilflose Versuche, einer rasanten Trendwende gerecht zu werden.

Zu den Ökoaktivisten der ersten Stunde gehören die Mitglieder des Internationalen Verbands der Naturtextilwirtschaft, der sich 1989 gründete, oder Hessnatur, die deutsche Vorzeigeökomarke, die seit 1976 existiert. Spricht man mit diesen Pionieren über die Komplexität der Aufgabe, alles richtig zu machen, so verrät die Reaktion immer eine Grundhaltung, die Platons Erkenntnis „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ nahekommt. Man arbeite nach bestem Wissen, aber von Perfektion könne keine Rede sein. Nur eins sei immer klar: Der Weg hin zu mehr Gerechtigkeit und Naturschutz hat keine Alternative.

Heute gibt ihnen der Mainstream recht, doch in den achtziger Jahren waren sie die Spaßbremse auf jeder Wirtschaftsboomparty. In der internationalen Modebranche scheiterten sie, denn damals wurde grüne Mode mit Jutesäcken gleichgesetzt. Sicher lag das oft an den alternativen Produktionsmethoden, die anfänglich haptische und optische Einbußen mit sich brachten. Und es lag am Milieu der Bewegung, einer intellektualisierten, eher linkspolitischen Gruppe, für die nicht Mode zählte, sondern Bekleidung.

Lesen Sie weiter von Humana-Hipstern und den Säulen der Nachhaltigkeit

Ganz anders gestaltet sich die neue Avantgarde von DIY-Aussteigern und Humana-Hipstern, die, wachgerüttelt von jüngsten Wirtschaftskrisen und Naturkatastrophen, kurz nach der Jahrtausendwende Einzug hielt. Sie setzen nun stylische Prints auf Ökoshirts und entwickeln Jeans aus interessanten Recyclingmaterialien, die mit natürlichem Indigo gefärbt sind. Sie wollen zeigen, dass man auch als Schöngeist Gutes tun kann.

Die jungen ethischen Bemühungen im High-Fashion-Sektor indes sorgen für neue Herausforderungen, denn für sie muss die Farbe satter sein. Das vegetabil gegerbte Leder muss sich millimeterdünn spalten lassen und darf auf keinen Fall ausbluten. Auf Seide kann man nicht verzichten, auf Kaschmir auch nicht.

Anspruchsvolle Mode zu entwerfen und an die wenigen geeigneten Läden zu verkaufen, ist ohnehin schon ein kompliziertes Vorhaben. Ambitionierte Designer müssen genau überlegen, ob sie sich zusätzlich die engen Rahmenbedingungen einer ethischen Produktion zumuten wollen. Wie oft treffen an dieser Stelle junge Wilde auf mild lächelnde Altökos und schulterzuckende Produzenten? Wahrscheinlich ebenso oft wie Konsumenten kopfschüttelnd vor zerknirschten Händlern stehen, weil sie die Preise oder das schmale Angebot nicht nachvollziehen können.

Klar im Vorteil sind jene, die ihr Geschäft glaubwürdig auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit – People, Planet und Profit – aufgebaut haben und sich jetzt gelassen dem Schaukeln der Trend-Fahrrinne hingeben können. Produkte mit Fairtrade-Siegel spielten 2012 alleine in Deutschland 533 Millionen Euro ein. 2004 waren es noch unter hundert Millionen. Hessnatur konnte seinen durchschnittlichen Umsatz in den letzten Jahren von 50 Millionen auf 70 Millionen erhöhen.

Auch wenn die paar hundert Modelabels, die sich ernsthaft um Nachhaltigkeit bemühen, nur einen Bruchteil des Marktes bedienen können, haben sie den Vorteil, zu wissen, was sie tun und wo sie stehen – eine Haltung, von der sich die anderen mit ihrer großen Klappe mal ein Scheibchen abschneiden könnten. Das Eingeständnis, sich noch auf dem Weg zu befinden, könnte dazu führen, einen Schritt weiter zu gehen.

Neue Messen wie die Ethical Fashion Show in Berlin, Stores wie Deargoods in München und Berlin, Informationsplattformen wie Getchanged.net oder avocadostore.de und Blogs wie Designmob.de stellen nun, was man in den vergangenen 30 Jahren mühevoll aufgebaut hat, auf den Prüfstein der Kommerzialität. Biologische Stoffqualitäten und Recyclingfasern sind im Sortiment des Casual und Active Wear angekommen.

Und was macht der ratlose Konsument? Er sollte sich als Teil einer wachsenden Bewegung sehen. Sodann sollte er Unternehmen bevorzugen, die substanzielle Produktinformationen zur Verfügung stellen, auch wenn sie schwerer zu beschaffen sind. Hat man eine Marke oder ein Siegel gefunden: dabei bleiben, denn damit erhöht man ihren Aktionsradius. Und ansonsten immer vor Augen halten, dass man sich auch als Verbraucher auf dem Weg befindet. Handeln. Reflektieren. Lernen. Es besser machen. Mehr würde selbst Platon nicht erwarten.

Die Autorin ist Dozentin für Modesoziologie und Marketing und berät Designer, die nachhaltig arbeiten wollen.

Fredericke Winkler

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