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Die Stars aus "Verbotener Liebe" tragen es vor, die Türkinnen kaufen es nach.

© promo

Fernsehserie: Türken sind verrückt nach "Verbotener Liebe"

Eine türkische Fernseh-Erfolgsserie löst Ansturm auf Modeboutiquen aus. Jeder möchte so aussehen, wie die Stars im Fernsehen.

Denise Yazili weiß, was man tun muss, um unschlüssigen Kundinnen auf die Sprünge zu helfen. „Also, das geht dann so“, sagt sie und nimmt ein schwarzes Hemd mit Pailletten von der Stange. Yazili, Verkäuferin in einer Modeboutique eines Istanbuler Einkaufszentrums, breitet das Stück auf dem Ladentisch aus. „Nehmen wir an, die Kundin will ein Stück, wie es Bihter getragen hat. Dann sage ich zu ihr: ‚Schauen Sie, das hier ist so ähnlich wie etwas, was Bihter neulich anhatte’“, sagt Yazili und streicht über den schwarzen Stoff. „Dann kauft sie es sofort.“

Denise muss nicht groß erklären, wer hier gemeint ist: Bihter Yöreoglu, gespielt von der Schauspielerin Beren Saat, ist die tragische Heldin der Familien-Saga „Ask-i Memnu“ (Verbotene Liebe), einer Erfolgsserie im türkischen Fernsehen. Jede Woche schalten Millionen beim Privatsender Kanal D ein, um die neuesten Dramen und Intrigen um die junge und schöne Bihter mitzuverfolgen. Und am nächsten Tag stürmen hunderttausende Türkinnen die Modeboutiquen, um Kleider, Hosen und Hemden der Hauptdarstellerinnen zu kaufen.

Die Türken sind verrückt nach Fernsehserien. Wer will, findet jeden Abend zur besten Sendezeit auf irgendeinem Kanal eine türkische Seifenoper. Weltbekannte US-Importe wie „Desperate Housewives“ sind weit weniger populär. Einige türkische Serien wurden mit Erfolg an arabische Fernsehsender verkauft und haben ihren eigenen kleinen Touristenboom ausgelöst: Arabische Familien wollen in Istanbul den Drehort ihres Lieblingsdramas sehen.

Doch selbst für türkische Verhältnisse ist „Verbotene Liebe“ ein Phänomen. „Auch für uns war das unerwartet“, sagte die Modeberaterin der Serie, Deniz Marsan, dem Nachrichtensender CNN-Türk, der demselben Medienkonzern angehört wie Kanal D. „So etwas hat es in der Türkei noch nicht gegeben.“

„Verbotene Liebe“ basiert auf einem Roman des Schriftstellers Halid Ziya Usakligil aus dem Jahr 1899, spielt aber in der modernen Türkei. Die Serie erzählt die Geschichte von Bihter, die den reichen und wesentlich älteren Witwer Adnan Ziyagil heiratet und dann eine Affäre mit Adnans Neffen Behlül Haznedar beginnt, einem Frauenheld und Lebemann. Seit zwei Jahren zieht „Verbotene Liebe“ die Türken in ihren Bann – an diesem Donnerstag kommt große Finale der Serie. Medien und Fans spekulieren fieberhaft, was wohl geschehen wird. Herz, Schmerz, Liebe, Eifersucht – für die 29-jährige Gamze Zunbay ist diese Mischung jede Woche ein Muss. „Ich beeile mich immer, rechtzeitig nach Hause zu kommen, damit ich nichts verpasse“, berichtet die junge Frau. Nach Kleidern, wie sie Bihter trägt, hält sie ebenfalls ständig Ausschau. Das kann ins Geld gehen. Zwischen umgerechnet 80 Euro für ein einfaches Outfit bis zu 5000 Euro für ein Abendkleid kosten die Modelle, die von Bihter und anderen Darstellerinnen präsentiert werden. Für die meisten Türken, die nicht mehr als den monatlichen Mindestlohn von umgerechnet 270 Euro verdienen, ist das ein teures Hobby.

Doch das tut dem Ansturm keinen Abbruch. Billigere Imitate der teuren Stücke finden sich auf Wochenmärkten. Selbst Parfüm und Accessoires aus der Serie finden reißenden Absatz. „Dabei wissen die Leute nicht einmal, wie das Parfüm riecht“, sagt die Parfümerie-Verkäuferin Handan Beynal kopfschüttelnd. „Sie sehen bestimmte Flacons in der Serie, und die kaufen sie dann.“

Modeberaterin Marsan räumt ein, dass ihre Darstellerinnen, die selbst in Alltagssituationen stets so fein herausgeputzt sind, als kämen sie geradewegs vom Laufsteg, nicht den Alltag der meisten Türkinnen widerspiegeln. „Wir wissen ja, dass sich kein Mensch jeden Tag so anzieht“, sagte sie CNN-Türk. „Aber wir machen Fernsehen. Alles ist übertrieben – die prächtige Villa, in der sie leben, das Make-Up, das sie tragen. Man sieht auch keinen Dreck auf den Straßen.“

Den Türken scheint die Flucht aus dem Alltag zu gefallen. Auch andere Serien hätten hin und wieder die Nachfrage nach bestimmten Kleidungsstücken anstiegen lassen, sagt die Verkäuferin Yazili. „Aber nicht so wie jetzt.“

Dabei deutete am Anfang der Serie zunächst nichts auf einen Boom hin, erinnert sich Modeberaterin Marsan. Zusammen mit ihrer Partnerin Basak Fransez wählte sie damals vor allem Kleidungsstücke einer Handvoll Designer, die sie persönlich kannten. Dann kam der Erfolg – und die großen Firmen wurden auf „Verbotene Liebe“ aufmerksam. Heute arbeiten Marsan and Fransez mit rund 60 Unternehmen und Designern zusammen. Einige Modeläden in Istanbul stellen regelmäßig jene Kleider in ihre Schaufenster, die gerade bei der „Verbotenen Liebe“ zu sehen waren.

Inzwischen können Marsan und Fransez sogar unbekannte Talente fördern. „Selbst wenn jemand kommt und sagt, er habe zum ersten Mal in seinem Leben drei Kleider geschneidert: Wenn er schöne Stücke gemacht hat, dann verwenden wir die auch“, sagte Marsan in CNN-Türk.

Kein Wunder, dass Fans und Sponsoren gleichermaßen traurig sind, dass die Erfolgsserie zu Ende geht. Aber Kopf hoch, der nächste große Hit kommt bestimmt, sagt Özden Erol, eine Kollegin der Verkäuferin Yazili in der Modeboutique. „In der Türkei hören die Serien niemals auf“, fügt sie hinzu. „Nur die Araber und die Türken sind so verrückt danach.“

Erol selbst hat bisher nur ab und zu bei der „Verbotenen Liebe“ eingeschaltet. Das große Finale will sie sich aber nicht entgehen lassen. „Natürlich schaue ich mir das an“, sagt sie lachend. „Das wird wohl niemand verpassen.“

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