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"Herr von Eden"-Designer über die Insolvenz: "In der Krise rückt man zusammen und entwickelt neue Prozesse"

"Modedesign - das ist totaler Wahnsinn", sagte Bent Angelo Jensen, als er vor genau einem Jahr mit seinem Label "Herr von Eden" Insolvenz anmelden musste. Jetzt kann er wieder seine typischen Anzüge anbieten – in Maßkonfektion.

Vor einem Jahr sah es schlecht aus mit Herr von Eden. Wie geht es Ihrem Label jetzt?

Abgeschlossen ist das Insolvenzverfahren noch nicht, aber der Insolvenzverwalter hat Herr von Eden freigegeben. Ich bin ab sofort wieder Herr im eigenen Unternehmen mit allen Pflichten, Verantwortung und auch Freiheiten. Mit diesen ganzen Veränderungen sehen wir dem Ende des Insolvenzverfahrens optimistisch entgegen. Im Spätsommer wird es zur Abstimmung kommen. Wenn die Entscheidung positiv ausfällt, erfolgt zwei Wochen später die Restschuldbefreiung.

Und bis dahin?

Es ist noch nicht alles gut, aber wir haben viel geschafft und vor allem gelernt. Ich bin sehr dankbar, dass ich mein Lebenswerk nicht aufgeben musste und mit einer Million Schulden an die Wand gefahren bin, sondern dass ich die Restrukturierung zusammen mit meinem Insolvenzverwalter hinbekommen habe.

Für viele ist ja der Insolvenzverwalter ein Schreckgespenst. Wie war das für Sie?

Ich war sein Angestellter, das war eine große Umstellung für mich und hat am Anfang zu Reibungen geführt. Aber mit der Zeit groovt man sich ein. Das Ganze wurde ein bisschen konservativer aufgezogen. Jetzt, wo ich die Schlüssel zurück habe, kann ich wieder typische Herr-von-Eden-Anzüge und Hemden entwerfen und muss nicht nur auf Nummer sicher gehen.

Was bedeutet das?

Es hängt auch mal wieder ein karierter Anzug im Geschäft.

Es war wahrscheinlich auch nötig, sich nicht auf den karierten Anzug zu konzentrieren, oder?

Natürlich. Ein guter Freund, Florian Töbe, der seit drei Jahren im Unternehmen ist, hat die Geschäftsführung übernommen, und ich kann mich endlich auf den kreativen Part konzentrieren.

Klingt vernünftig, die Bereiche zu trennen.

Weil ich passionierter und emotionaler bin, fällt es mir schwer, nüchtern die Zahlen im Blick zu behalten. Und das Pensum ist auch nicht zu schaffen.

Auf der nächsten Seite spricht Bent Angelo Jensen vom Erfolg seines neuen Konzeptes, aber auch Tiefschlägen während der Insolvenz.

Was hat sich verändert?

Wir haben uns von einem Standort trennen müssen, dem Maßatelier. Von dort aus habe ich früher alles gesteuert. Wir sind dann in Hamburg verschmolzen mit dem Urgeschäft in der Marktstraße. Weil die Damenkollektion eingestellt wurde, hatten wir da Platz. Wir mussten uns auch personell verkleinern. Aber in der Krise rückt man zusammen und entwickelt neue Prozesse.

Was zum Beispiel?

Wir werten anders aus und können anders produzieren. Wir haben ein ganz neues Standbein, das ist die Herr von Eden Maßkonfektion.

Gab es die vorher nicht?

Nein, vorher hatten wir Maßanfertigung, aber dafür gab es zu wenig Kunden. Mit dem neuen Konzept hatten wir vom Fleck weg Erfolg. Wir messen den Kunden aus, er wählt Oberstoff, Futter und Zutaten. Es soll ein individueller Anzug sein, der industriell gefertigt wird. Das dauert drei Wochen und kostet 1000 Euro. Der Kunde bekommt Herr von Eden und entscheidet, wie weit er sich aus dem Fenster lehnt. Wenn er einen pinkfarbenen mit weißen Blockstreifen haben will – bitte. Aber ich muss ihn nicht mehr in den Laden hängen.

Gibt es das auch in Berlin?

Ja, ab sofort.

Und warum haben Sie nicht schon vor der Insolvenz Maßkonfektion angeboten?

Mir fehlten Lieferanten und Produzenten, um meine Schnitte als Maßkonfektion herzustellen. Es gibt zwei, drei große Produzenten in Europa, die den Einzelhandel beliefern. Reversbreite, Taschenpositionen, da hat man keinen Einfluss drauf. Das Besondere an meinen Anzügen ist ja die Linienführung.

Sie sind sehr ehrlich mit der Situation umgegangen.

Da gab es gar keine Alternative. Ich stehe in gutem Verhältnis zu den meisten Gläubigern, zum Großteil sind das Lieferanten und Produzenten. Ich wollte ehrlich sein und eingestehen, was meine Stärken und Schwächen sind.

Haben sich auch Beziehungen verändert?

Das gehört dazu, das ist Teil des Reifeprozesses, dass man erkennt, wer in der Not zu einem steht. Da gab es einige Enttäuschungen, im privaten und im geschäftlichen Bereich. Ein paar Freundschaften sind zerbrochen. Aber man erkennt auch, wer da ist. Zum Beispiel gab es eine Versteigerung, da kam Paul Lander von Rammstein, der war Kunde in Berlin und hat gefragt: Was kann ich tun, damit ich meine Anzüge weiter hier kaufen kann? Der hat dann eine Gibbson-Gitarre von allen Bandmitgliedern unterschreiben lassen, die wurde für 3000 Euro versteigert. Und Freunde wie Chilly Gonzalez und Jan Delay haben gesagt: Jetzt erst recht.

Und geschäftlich?

Mein größter Stofflieferant hat immer gesagt: Herr Jensen, jetzt müssen Sie ruhig bleiben, wir kriegen das schon hin. Der hat auf dem Schirm, wie viel Umsatz er mit mir in den letzten 15 Jahren gemacht hat. Ich beziehe weiter bei ihm meine Stoffe – jetzt gegen Vorkasse.

Das Gespräch führte Grit Thönnissen.

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