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Typisch Kollektiv Last Heirs mischen verschiedene Referenzen aus Work- und Streetwear und kreieren daraus etwas Neues.

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Mode: Fashion Week: Designer im Kollektiv: Gemeinsam sind wir stark

Immer häufiger arbeiten Designer in Kollektiven, statt alleine. Sie verzichten auf den Ruhm des Genies zugunsten eines gewollten Kontrollverlustes.

Max Dörner und Lea Roth sehen sich als letzte Erben des bisherigen Systems. So kann man zumindest die Bedeutung von „Last Heirs“ interpretieren, das ist der Name der Gruppe, deren Köpfe sie sind. Aber es ist keineswegs so pessimistisch gemeint, wie es zunächst klingt. Eigentlich blicken die beiden recht zuversichtlich in die Zukunft. Denn sie haben für sich ein Modell innerhalb der Modebranche gefunden, das uns immer häufiger begegnen wird: das Kollektiv.

Last Heirs besteht im Kern aus zehn Menschen. Sie stammen von überall her, aus Kopenhagen, von Barbados und aus Singapur, sind Designer, Models, DJs und alles dazwischen. „Wir alle sind Multitalente, keiner von uns macht nur eine Sache“, sagt Max Dörner.

Auf der Fashion Week präsentieren sie am Donnerstagabend ihre erste gemeinsame Kollektion: Elemente aus klassischer Workwear, beispielsweise von Siebdruckern, und viel PVC. „Meine Aufgabe ist es, Fenster zu schaffen, wo Wände waren“, dieser Satz Focaults stand als Leitbild über der Kollektion.

Die Arbeit an ihr kann man sich ähnlich vorstellen wie an einem offenen Dokument auf Google, jeder mit Zugang darf etwas hineinschreiben, die anderen sehen es, kommentieren, ergänzen. „Last Heirs ist in erster Linie eine diskursive Plattform“, sagt Max. „Es gibt kein Vakuum, alles geht ständig zwischen uns hin und her.“

Das ist eine Art des Entwerfens, die sich grundlegend vom bislang vorherrschenden Modell unterscheidet. Noch existiert von Designern nämlich diese Vorstellung: Das exzentrische Genie sitzt allein im Atelier und entwirft Dinge, die über dem stehen, was sich andere Menschen vorstellen können. Dörner und Roth sehen sich als die Kreativdirektoren von Last Heirs, die dem Rest der Gruppe eine Grundmelodie vorgeben. Danach ist jeder frei, Eigenes beizutragen. Nicht immer verläuft alles reibungslos, auch in einem Kolletiv gibt es große Egos. „Aber niemand von uns denkt: Ich bin der Größte, ich weiß genau, wie es zu funktionieren hat“, sagt Dörner.

Auch das Kollektiv GmbH, das seine Basis in Berlin hat, kann dazu gezählt werden

In den vergangenen Jahren haben sich in der Mode immer mehr Kollektive gebildet, einige von ihnen bilden Labels, die derzeit international am meisten besprochen werden. Allen voran Vetements, eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Auch das Kollektiv GmbH, das seine Basis in Berlin hat, kann dazu gezählt werden.

Mit dem Konzept des Kollektivs sind viele Vorteile verknüpft. Es fließen mehr Ideen zusammen als bei einer Einzelperson, was bereichernd für das Ergebnis sein kann. Die Schwierigkeiten, die ein eigenes Label mit sich bringt, werden auf mehrere Schultern verteilt. Die Mitglieder von Last Heirs halten Beteiligungen an der Marke. Sie sind direkt am Erfolg des Projekts beteiligt, ebenso wie am Risiko. Dafür muss das Vertrauen herrschen, „dass niemand den anderen abziehen will“, gibt Dörner zu. Es funktioniert, weil die Haupteinnahmequellen der Mitglieder anderswo liegen.

Collagenarbeit.
Collagenarbeit.

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Kollektive stehen für einen Mentalitätswechsel. Die Beteiligten sind wie bei Last Heirs oft Mitte Zwanzig. Durch die sozialen Netzwerke und Sharing-Plattformen, mit denen sie aufgewachsen sind, haben sie eine neue Vorstellung von Eigentum, vor allem im Hinblick auf geistiges Eigentum.

Wer kann bei einer Kollektion, die durch das Hin-und Herschicken von Fotos, Textnachrichten und durch Skype-Gespräche entstanden ist, noch genau sagen, welcher Beitrag von wem kam? „Wir haben keine Angst vor Kontrollverlust“, sagt Dörner. Ein solcher Satz klingt in der Mode noch ungewohnt. Kreative, deren wertvollstes Gut ihr Ideenreichtum ist, haben ihren Anspruch darauf bisher selten zugunsten eines Kollektivs abgetreten.

An Kollektiven zeigt sich auch, wie satt viele Kreative das herkömmliche Modesystem haben, seine strengen Hierarchien, Gewohnheiten und die erdrückende Macht der Großkonzerne, in denen Designer kleine Rädchen sind, die sich nach einem immer schnelleren Takt drehen müssen. „Wir wollen uns nicht mehr in der vorgeformten Welt der Konzerne bewegen“, sagt Dörner. „Wir wollen unseren eigenen Spielplatz haben.“ Für kleine Akteure sieht er im Kollektivgedanken die Zukunft, als Gemeinschaft können sie sich behaupten.

Die Mitglieder schöpfen aus jeweils eigenen Inspirationsquellen, zitieren, werfen zusammen

Doch Modekollektive verändern nicht nur die Art, wie in der Modebranche gearbeitet wird, sie geben auch im Design neue Impulse. Die Mitglieder schöpfen aus jeweils eigenen Inspirationsquellen, zitieren, werfen zusammen. Sie arbeiten wie an einer Collage, das zeigt sich auch am Ergebnis.

Nicht zufällig lassen sich gewisse Parallelen zwischen Vetements, GmbH und Last Heirs erkennen. Sie alle mixen Elemente verschiedener Bereiche, greifen klassische Arbeitskleidung auf, geben futuristische Details ebenso dazu wie historische Zitate. Dadurch entsteht ein Mischmasch, der in den meisten Fällen nicht im herkömmlichen Sinne gut aussieht, aber eine ganz neue Ästhetik in die Modewelt gebracht hat.

Der Grund für den Erfolg von Kollektiven liegt genau hier, nicht nur in neuen Arbeitsweisen, sondern generell in der Überwindung von veralteten Einteilungen. Sogar von der in schön und hässlich.

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