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Rich Richter vor einem Bild Helmut Newtons.

© Jan Sobottka

Modefotografie: Rich Richter hat 60 Jahre lang Mode fotografiert.

Jede Menge Bilder von Couture – und manchmal auch von schönen Pos in Jeans. An seinem 80sten Geburtstag hat er sich zur Ruhe gesetzt.

Neulich war Rich Richter mal wieder auf einer Modenschau - immer noch bekommt er dafür Einladungen, er hat sich in mehr als vier Jahrzehnten so etwas wie einen lebenslangen Ruf als Berliner Modefotograf erarbeitet. Auch wenn er eigentlich heute keine Mode mehr fotografiert, packte er seine Kamera ein und stellte sich zu den anderen Fotografen an das Ende des Laufstegs. Als das erste Model auf sie zukam, hörte er dieses neumodische Geräusch, das schnelle Klick, Klick, Klick, wenn seine Kollegen Serienbilder machten. Als er davon erzählt, verzieht er das Gesicht: „Ich warte genau auf den richtigen Moment, bis ich ein Bild mache. Ich will mir doch danach nicht hunderte Bilder anschauen.“ Nach der Schau wandte sich eine junge Kollegin an ihn und fragte: „Sie machen das schon sehr lange, oder?“ Schrecklich nervös hat sie das gemacht, auf das eine Klick zu warten, während sie dutzende Bilder schoss.

Seine Frau war sein liebstes Model

Rich Richter ist ein Fotograf alter Schule. Er besitzt eine digitale Kamera, aber die Technik die Bildauswahl übernehmen zu lassen, findet er dusselig. Im Januar 1966 erschien sein erstes Modefoto - im Tagesspiegel. „Das Spiralkleid - ein bühnenreifer Einfall aus schwarzer Seidengaze mit weißer Nerzkante. Aber tragen muss man es können!“ schrieb die damalige Moderedakteurin Cordula Bölling-Moritz unter das Bild. Mehr als dreißig Jahre sollte die Zusammenarbeit andauern. Später schrieb Bölling-Moritz ihm selbst gemalte Postkarten aus aus dem Sommerurlaub, die hat Richter bis heute aufbewahrt.

Auf vielen frühen Bildern ist seine Frau zu sehen - in kecken Posen in den Kleidern der Berliner Modeschöpfer wie Gerd Albers und Uli Richter. Der Fotograf und das Model - eine symbiotische Verbindung. Ohne einander hätten sie den Einstieg in die Berliner Modewelt nicht geschafft. Seine Frau hat er vor einem Schaufenster in Hannover kennengelernt, als er sich gerade ganz genau die Kleider auf den Puppen anschaute. Das machte sie neugierig, ein Mann, der sich mit Mode beschäftigt!

Viele Jahre war seine Frau sein liebstes Model.
Viele Jahre war seine Frau sein liebstes Model.

© Rich Richter

Als sie 1962 zusammen nach Berlin zogen, waren sie schon verheiratet. Er begann an der Hochschule der Künste Modezeichnen zu studieren, als er nach dem zweiten Semester den ersten Preis für einen Foto-Wettbewerb der Zeitschrift Constanze gewann, verließ er die Hochschule und begann zu fotografieren. Er brachte seine Frau beim Designer Heinz Oestergaard unter, er selbst zog von Haus zu Haus.

Damals waren die Designer auf Fotografen angewiesen. Rich Richter klapperte die Salons am Kurfürstendamm ab, saß in den Modenschauen, danach lieh er sich die schönsten Kleider aus und fotografierte sie. Zuerst an seiner Frau in ihrer gemeinsamen Wohnung am Savignyplatz, in der er heute noch wohnt. Später dann wartete er nach den Schauen vor den Modehäusern auf die Models. Die, die ihm am besten gefielen, sprach er an und machte Bilder von der Kleidung. Und verkaufte sie an Tageszeitungen, Magazine und Zeitschriften. Dafür fuhr er mit seinem VW-Käfer quer durch Deutschland von Hamburg bis zum Südkurier an den Bodensee.

Erst drei Monate nach der Schau wurden die Bilder veröffentlicht

Anders als heute hatte er dafür jede Menge Zeit. Erst gut drei Monate nach einer Modenschau wurden die Bilder gedruckt - das galt für Berlin und später auch für Rom, dort fotografierte Richter die Haute Couture der Alta Moda. Der römische Designer Valentino ließ sich sogar unterschreiben, dass seine Bilder nicht früher gezeigt werden durften. Heute dauert es meist nur einen Wimpernschlag, bevor die Bilder einer Modenschau über das Internet in die Welt verschickt werden.

Mode war früher einem kleinen Kreis vorbehalten. Neben den Kunden saßen in der ersten Reihe Knopfhersteller, die schauten, ob die Knöpfe größer oder kleiner wurden, Stoffhersteller aus Como, die Stoffe für die Designer herstellten, die gerade mal für ein Kleid reichten. Als Rich Richter mit einer Akkreditierung des Tagesspiegels 1973 in Rom auftauchte, musste er sich die Aufmerksamkeit nur mit zwei anderen Fotografen teilen - einer von ihnen fotografierte für den Vatikan. Das bescherte dem Berliner Gast ein sicheres Auskommen.

Zwischen seinen vielen Reisen verbrachte er die Zeit in seinem Atelier, das genau neben seiner Wohnung lag. Dort gab es auch ein Labor, hier verbrachte er die Nächte: „Wenn meine Freunde in die Bar gingen, arbeitete ich in meinem Labor, manchmal mit einer Flasche Champagner neben mir.“ Keiner wunderte sich über den Meisterbrief, der jahrzehntelang mitten in seinem Atelier hing. Dass seine Arbeit meisterlich war, reichte. „Keiner hat je gelesen, was draufstand.“ Da muss Rich Richter, der eher gleichmütig erzählt, doch grinsen. „Raten sie mal: Konditormeister!“ Damit hatte er als junger Mann in Hannover eine Familientradition fortgeführt, seinen Eltern gehörten gleich mehrere Kaffeehäuser, sein Vater war auf dem Kreuzfahrtschiff Bremen als Schaukonditor gefahren, verantwortlich für die mehrstöckigen Hochzeitstorten.

Frau im Zebra-Print.
Frau im Zebra-Print.

© Rich Richter

Auf gewisse Weise ist Rich Richter immer ein Handwerker geblieben, pragmatisch ging er seine Arbeit an, wie die für Levi`s. Für die deutschsprachigen Länder fotografierte er die Produkte des amerikanischen Jeansunternehmens, was vor allem hieß: Der Po musste gut aussehen in der Jeans. Da lehnen Frauen an geöffneten Motorhauben, strecken ihren Hintern der Kamera entgegen, Cowboyhut auf dem Kopf. „Brasilianerinnen haben die besten Hintern!“, sagt Richter. Nicht nur deshalb gefiel ihm die Arbeit. Aber von einem Tag auf den anderen war Schluss damit: Der Firmengründer, der alte Levi, hatte verfügt: Wer neun Jahre für ihn arbeitet, bekommt eine lebenslange Rente - genau das wollte das Management vermeiden. Da hatte Rich Richter längst aufgehört, für die Berliner Designer zu fotografieren, er war einfach zu viel in der Welt unterwegs. Selbst wenn er gewollt hätte, die Zeit der Berliner Mode war Mitte der 80er Jahre vorbei - fast alle Coturier-Häuser hatten dichtgemacht.

Unbekannte Schöne im mongolischen Speisewagen.
Unbekannte Schöne im mongolischen Speisewagen.

© Rich Richter

Eine seiner schönsten Reisen machte er Anfang der Neunzigerjahre noch mit dem Berliner Designer Jan-Peter Oerding. Mit ihm fuhr er in die Mongolei, um luxuriösen Kaschmirstrick zu fotografieren. Die Models suchten sie sich vor Ort. Es waren alles einfache Frauen, die oft zum ersten Mal in ihrem Leben eine Kamera zu Gesicht bekamen. Einmal durften sie sogar den Orientexpress als Kulisse benutzen, der Schaffnerin mussten sie einen Kaschmirschal schenken. Eines der schönsten Bilder von einem mongolischen Mädchen am Fenster des Speisewagens hängt im Flur in Richters Wohnung, es zeugt noch heute von seinem Talent, auf pragmatische Weise aus wenig viel zu machen.

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