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Im grünen Bereich. Muuse produziert Yvonne Laufers Kleider.

© Katarina Dahlström

Neue Designkonzepte: Räuberleiter für junge Talente

Muuse ist ein dänisches Modelabel, das junge Designer auf den Markt bringt. Eine davon ist die Berlinerin Yvonne Laufer.

Yvonne Laufer könnte eine typische junge Berliner Modedesignerin sein. Sie lebt und arbeitet in einem Neuköllner Hinterhof und träumt davon, ein Label zu gründen. „Aber das ist finanziell im Moment für mich nicht zu machen“, sagt sie. In Berlin gibt es viele wie sie. Ein paar hundert Absolventen verlassen jedes Jahr die hiesigen Modeschulen und hoffen, mit der eigenen Marke berühmt zu werden. Die 26-Jährige hätte die Voraussetzungen dafür: Erstaunlich reif sind ihre Entwürfe, klar geschnitten und individuell, ohne aufdringlich zu wirken.

Die Bonnerin studierte in Maastricht und Kopenhagen, erst danach zog sie nach Berlin. „Ich war blauäugig und dachte, irgendwo komme ich hier schon unter“, sagt sie. Aber außer unbezahlten Praktika konnte ihr niemand etwas bieten. Noch fehlen in Berlin die Strukturen und die großen Firmen, um dem Nachwuchs Perspektiven zu geben.

Trotzdem gibt es ihre Entwürfe schon zu kaufen. Auf dem Etikett steht „Muuse by Yvonne Laufer“. Die dänische Modefirma verfolgt ein interessantes Konzept. Sie schickt Scouts auf die Schauen renommierter Modeschulen, veranstaltet aber auch Wettbewerbe, an denen Jungdesigner aus aller Welt teilnehmen können. Einen davon gewann Ece Gözen aus Istanbul. Deren Entwürfe waren gerade auf der Fashion Week in Berlin zu sehen, auch mit Muuse hat sie nun eine Kollektion realisiert.

90 Prozent der Label geben in den ersten Jahren wieder auf

„Für uns war es eine Herausforderung, keinen bestimmten Stil zu haben“, sagt Gitte Jonsdatter, die das Label vor drei Jahren zusammen mit David Dencker gründete. „Aber es gibt so viele Talente auf den Modeschulen. Ihre Entwürfe sind oft viel kreativer als das, was schon auf dem Markt ist.“ Und das Interesse sei riesig, sagt sie, denn die globalen Luxusmarken haben das Problem, dass sie sich immer weniger voneinander unterscheiden: „Sie sagen nichts mehr über die Persönlichkeit des Trägers – nur, dass er Geld hat.“ Geschmack lässt sich besser mit einem Kleidungsstück demonstrieren, das sonst niemand hat.

Diese Nachfrage könnten junge Designer bedienen – wenn man ihnen die Möglichkeiten dazu bietet. Und das ist die Idee von Muuse: Talente zu finden, ihre Entwürfe produzieren zu lassen und dann so zu vermarkten, dass sie auch gekauft werden.

„90 Prozent der Absolventen, die ein Label gründen, geben in den ersten Jahren wieder auf“, sagt Jonsdatter. Es fehlt ihnen einfach an praktischen Kenntnissen und Erfahrungen. „Hinter einem erfolgreichen Label steht ein ganzes Team. Es reicht nicht, tolle Kleider zu entwerfen, man braucht auch technisches Wissen und die entsprechenden Kontakte.“ Die besitzt Muuse: Ein Jahr dauerte es, bis Produzenten gefunden waren, die in der Lage sind, kleine, oft unkonventionelle Kollektionen in hoher Qualität zu fertigen, ohne unerschwinglich teuer zu sein. 2011 konnte die Marke schließlich die erste Kollektion auf der eigenen Internetseite anbieten. Mittlerweile arbeitet sie mit 29 Designern zusammen.

Produzenten für das Konzept zu begeistern, war die eine Sache. Die andere war zu vermitteln, wofür Muuse überhaupt steht. Denn ein eigener Stil ist es ja nicht. Muuse funktioniert abstrakter: Die Marke soll Vertrauen schaffen. Das ist eine alte Idee – schon im Mittelalter versahen Handwerker ihre Produkte mit individuellen Stempeln, prägten ganz wörtlich eine Marke, um dem Kunden Orientierung und ein Qualitätsversprechen zu geben. Bei Muuse heißt das: Die Marke steht für kreative Expertise und hohe handwerklichen Standards.

Platte Produkt-PR zieht hier nicht

Ähnlich funktionierten früher Independent-Plattenfirmen: Unbekannte Bands bekamen automatisch einen Vertrauensvorschuss, weil sie bei einem bestimmten Label unter Vertrag standen, auf dessen Auswahlkriterien sich Fans verließen. Gitte Jonsdatter mag den Vergleich, sie findet ihn nur etwas altmodisch: „Schließlich ist die traditionelle Plattenindustrie ziemlich tot.“

Muuse hingegen hat gerade erst angefangen. Vertrauen muss sich die Marke erst erarbeiten, und dafür bedient sie sich aller verfügbaren Mittel, von den sozialen Medien bis zum eigenen, aufwendig produzierten Modemagazin. Dort werden auch etablierte Designer vorgestellt, unabhängige Experten kommen zu Wort.

Mit platter Produkt-PR läßt sich kein Vertrauen schaffen: „Wir beziehen bewusst den Blick von außen ein. So wollen wir zeigen, dass wir ein Teil der großen Modegemeinschaft sind. Und dass unsere jungen Designer zur Familie gehören“, sagt Jonsdatter.

Zur Familie gehört nun auch Yvonne Laufer. Ihr Fazit nach zwei Kollektionen für Muuse fällt positiv aus: „Es ist fantastisch, wie viel PR die für einen machen“, sagt sie. Engere Absprachen hätte sie sich schon gewünscht – einige ihrer Entwürfe wurden abgeändert, um sie markttauglicher zu machen. „Es ist nicht mehr mein Baby, wie eine Kollektion, die ich komplett selber gemacht habe“, sagt sie. Aber sie habe viel gelernt.

Viel Geld verdient hat sie nicht. Die Designer erhalten nur eine kleine Gewinnbeteiligung an jedem verkauften Stück. „Wir würden gerne mehr zahlen“, sagt Gitte Jonsdatter. Doch noch seien die Umsätze gering, erst einmal müsse das Unternehmen die eigenen Auslagen einspielen.

Der nächste Schritt für Yvonne Laufer: Paris

„Aber ein Designer, der sich selbstständig macht, hat erst einmal hohe Kosten und trägt ein großes Risiko. Im Vergleich dazu ist ein kleiner Reingewinn ja nicht so schlecht.“ Muuse kann die Risiken auf viele Schultern verteilen: „Wenn sich zwei oder drei Kollektionen gut verkaufen, können wir damit die Verluste von anderen ausgleichen“, sagt Jonsdatter. Außerdem möchte sie die Talente auch nicht auf Dauer binden: „Sie sollen bei uns Erfahrungen sammeln und dann ihr eigenes Label gründen.“ Muuse könne sie dann bei der Produktion und Vermarktung weiter unterstützen. „Aber das ist Phase zwei. Noch befinden wir uns in der ersten“, sagt sie.

Auch Yvonne Laufer hat den nächsten Schritt schon geplant. Sie wird ein Praktikum bei einem Couture-Haus in Paris machen. Denn nach wie vor kann eine Designerin nirgendwo so viel dazulernen wie in der französischen Hauptstadt.

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