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Neues vom Planeten MODE: Angstfrei im Pfadfinderlager

Grit Thönnissen über den Realitätssinn der Pariser Designerinnen.

Wie jede Saison soll auch diesen Herbst die Mode ein Orakel sein. Was hat es zu bedeuten, dass in Paris bei Christian Dior und Jean Paul Gaultier die Models im Schlüpfer über den Laufsteg müssen und bei Prada und Jil Sander in Mailand die Saumkanten ausgefranst sind?

Designer reden nicht gern, Orakel ja auch nicht. Karl Lagerfeld ist da eine Ausnahme. Der Chefdesigner von Chanel plaudert aber lieber über Gott und die Welt als über die aktuelle Bedeutung des schiefen Saums. Wenn also Rei Kawakubo für Comme des Garçons verrutschte, zur Karikatur aufgepumpte Schultern formt, müssen die Journalisten sich als Medium betätigen: Die japanische Designerin wolle andeuten, dass es jetzt gut sei mit all den starken Schultern zum Anlehnen, lautet die Interpretation.

Im Fall von Phoebe Philo konnten die Medien erleichtert aufatmen: Bei ihr handelte es sich um einen einfachen Fall von selbsterfüllender Prophezeiung. Ihre Kollektion für Céline wurde schon als der Höhepunkt der Pariser Modewoche gehandelt, als sie noch niemand gesehen hatte. Damit dürfte auch der ewige Wettstreit mit Stella McCartney, der Tochter des Ex-Beatles, entschieden sein. Einst arbeiteten die Freundinnen zusammen bei Chloé, wobei gelästert wurde, dass von McCartney der Name und von Philo die Ideen kamen. Als Philo dort die Leitung übernahm, schien sich das zu bestätigen.

Vor drei Jahren dann versetzte die Britin der Modewelt einen Schock, als sie sich, statt weiter Mode für Chloé zu entwerfen, ganz der Kindererziehung widmen wollte. Das gereicht ihr jetzt zum Vorteil und wird geradezu als emanzipatorischer Akt gefeiert. Reifer sei sie geworden, ihre Kollektion ist nicht mehr, wie bei Chloé, für junge Mädchen gedacht, sondern für richtige Frauen.

Obwohl die scharfgeschnittenen Hosen mit kragenlosen Hemden, die sackleinenfabenen Tuniken, vorne mit Lederriemen geschnürt, wie die ideale Ausrüstung für ein Pfadfinderlager für Buisnessfrauen aussah. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, die immer noch einem vergangenen Frauenideal nachtrauern, haben die Pariser Designerinnen dieses Mal überhaupt sehr viel Realitätssinn in ihre Entwürfe gesteckt.

Hannah Gibbon, seit ein paar Saisons bei Chloé, hat sich ebenfalls für Kleidung entschieden, mit der sich ihre Kundinnen angstfrei im Wald verirren können: Ihre Pelerinen mit Lederbesatz, die flachen Sandalen und die Baumwollhemden in khakigrün und wüstensandbeige in militärischer Strenge sind überlebenstüchtig.

Auch Stella McCartney zeigte übrigens ihre Kollektion in Paris, Aufsehen erregte sie damit nicht. Selbst Alexander McQueen, der gern an seinem Ruf als verrückter Modehund festhalten möchte, machte vor allem um seine Roboterkameras Aufhebens, die seine Schau live im Internet übertrugen, bis die Seite wegen Überlastung zusammenbrach.

Das einzige Wagnis bei den Schauen für Frühjahr/Sommer 2010 war das der Stoffverschwendung: Von Burberry bis Lanvin wurde gewickelt und drapiert, was das Zeug hielt. Hier dazu das Orakel: Sparen macht keinen Spaß. Nächstes Jahr ist Schluss damit.

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