zum Hauptinhalt

Neues vom Planeten MODE: Saufen und Shoppen

Grit Thönnissen findet, dass Champagner der Konjunktur schadet.

Es wäre mal wieder Zeit für ein bisschen Hysterie. Auf jeden Fall hat sich das die deutsche Vogue zu ihrem 30. Geburtstag gewünscht. Deshalb sollte am Donnerstagabend der kollektive Schlachtruf „Shooooopping“ vom Kurfürstendamm bis nach Mitte erschallen. Ist ja auch ein wirklich netter Gedanke, dass ein Modemagazin helfen will, die schwächelnde Konjunktur mit einer „Vogue Fashion’s Night“ anzukurbeln.

In großen deutschen Städten öffneten viele Geschäfte der obersten Preislage bis Mitternacht. Schließlich beginnt bald der Winter, und da schickt es sich, schon mal das eine oder andere doppelt gelegte Kaschmirstrickjäckchen für 1200 Euro von Hermès bereitzuhalten. Das mag in Hamburg und München funktionieren, wo sich der Mensch durch nichts von Einkaufen abhalten lässt. Fürs Berliner Volk gab es zu viel umsonst, um sich aufs Geldausgeben zu konzentrieren.

Alle Ladenbesitzer scheinen bei dem Wort „Vogue“ denselben Reflex gehabt zu haben: Champagner für alle! Es war kaum möglich, all den am Eingang hingehaltenen Gläsern auszuweichen. Aber wenn man Ulrike Möslinger von Galéries Lafayette glauben kann, ist das die Zukunft: „Die Kunden wollen nicht nach der Arbeit schnell etwas kaufen, sie wollen gut behandelt werden.“ Und es schien, dass viele Kunden es bitterernst meinten mit dem Eventcharakter des Abends. Schick gemacht wie zum Besuch der Oper, standen sie zwischen Pulloverregalen und ignorierten tapfer die Ware.

Deshalb gab es bei Andreas Murkudis eine Installation des schottischen Künstlers David Shrigley, die man von außen durch Gucklöcher in der verhüllten Schaufensterscheibe anschauen konnte. Bei Lumas in den Hackeschen Höfen war ohne schlechtes Gewissen der Auftritt von Wolfgang Joop zu genießen, der eine Ausstellung mit seinen Zeichnungen eröffnete und Autogramme verteilte.

Bei Jil Sander am Kurfürstendamm war zu besichtigen, was im schlimmsten Fall passiert, wenn es etwas umsonst und für alle gibt: Dem eigentlichen Anlass wird keine Beachtung geschenkt. Großartige scharfkantige Wollkleider, eine Jacke mit rund gebogenen Ärmeln und strenge Anzüge aus Wollfilz – es gab tatsächlich Anwesende, die diesen Meisterwerken den Rücken zuwandten!

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false