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Models machen Gymnastik in Ecoalf

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Recycelte Mode: Die Müllfischer

Javier Goyeneche macht aus alten Plastikflaschen neue Jacken, aus Kaffeesatz Pullover und aus Garnelenschalen Turnschuhe. Hauptsache, er kann für sein Label Ecoalf Abfall zu neuem Leben erwecken.

Sein Thema ist Müll. Damit beschäftigt sich Javier Goyeneche (46) aus Madrid jeden Tag. Darüber will er auch reden, als er in seinem Berliner Geschäft zwischen Kleidungsstücken sitzt, die aus Müll entstanden sind. Das sind zuerst einmal Jacken und Mäntel, die meisten praktisch und wasserabweisend, aber auch mit schönen Details wie andersfarbigen Paspeln versehen. Dazu kommen Schuhe, T-Shirts, Hosen und Sweatshirts. Dass seine Produkte gut aussehen müssen, ist für Goyeneche eine Selbstverständlichkeit. Er weiß, dass sie keiner kaufen würde, wenn es anders wäre. Er erzählt von seiner Suche nach immer neuem Abfall, den er in Stoff verwandeln kann. Bald wird es T-Shirts aus Mangos und Schuhe aus Garnelenschalen geben.

Javier Goyeneche ist der Gründer von Ecoalf.
Javier Goyeneche ist der Gründer von Ecoalf.

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Sie nehmen Ihre Aufgabe sehr ernst.
Es ist absolut offensichtlich, dass wir drei- bis viermal so viele Ressourcen verbrauchen, wie uns zur Verfügung stehen. Und wir werden immer mehr, also haben wir wirklich ein Problem. Nicht nur, wie wir all diese Menschen satt bekommen. Es werden jedes Jahr mehr als 500 000 Millionen Plastikflaschen gesammelt. Müll bleibt Müll, wenn du ihn einfach wegwirfst. Aber wir müssen Müll als Ressource behandeln.

Sie haben Business Administration studiert. Sie hatten wahrscheinlich viele Kommilitonen, die einfach nur Geld verdienen wollten?
Geld zu verdienen, sollte das Ergebnis dessen sein, was man tut, nicht das Ziel. Aber vielleicht ist es so bei Leuten, die bei Banken oder Unternehmensberatungen arbeiten. Aber erst einmal geht es darum, was man machen will, und dann erst, wie man es hinbekommt.

Ein Mantel aus der aktuellen Sommerkollektion 2018 von Ecoalf.
Ein Mantel aus der aktuellen Sommerkollektion 2018 von Ecoalf.

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Ist das ein Grund, warum Sie 2009 Ihre erste Firma Fun & Basics verkauft haben, die Accessoires produziert?
Um ehrlich zu sein, als ich Fun & Basics verkaufte, wollte ich im Bereich der Nachhaltigkeit arbeiten. Aber es war sehr schwer, in Spanien einen guten Job zu finden. Unglücklicherweise ist Umweltschutz kein großes Thema in Spanien, keiner unserer Politiker schenkt dem Schutz der Meere, Strände und Wälder besonders viel Aufmerksamkeit. Also habe ich mein eigenes Label gegründet. Ich glaube, das Nachhaltigste, was man tun kann, ist, gar keine natürlichen Ressourcen zu verbrauchen. Also wollte ich eine neue Generation recycelter Produkte mit hoher Qualität schaffen.

Das war schwieriger als gedacht?
Meine erste Idee war, coole recycelte Produkte zu kaufen, aber es gab nur sehr wenige, und die waren nicht modisch. Also bin ich von 2010 bis 2013 um die Welt gereist, um nach neuen Entwicklungen zu suchen. Ich konnte meine Firma erst 2014 gründen, weil ich vorher gar nicht die Textilien dafür hatte. Das Komplizierteste war, die Recyclingfirmen zu überzeugen, mit uns zusammenzuarbeiten. Es war schwierig, auch wegen der Finanzkrise. Viele Firmen waren sehr aggressiv in ihrer Preispolitik, und recycelte Stoffe sind teurer, speziell die aus recyceltem Polyester.

Was haben die Firmen für einen Hintergrund?
Viele der Firmen haben vorher mit Erdöl gearbeitet und daraus Kunststoffe gewonnen. Um ein Fischernetz herzustellen, werden mehr als 17 chemische Schritte benötigt. Von einem alten Fischernetz bis zu einem Stoff, der für unsere Jacken benutzt wird, sind es nur sieben Schritte, deshalb sparen wir viel Wasser und Energie.

Was recyceln Sie?
Ich mache aus Fischernetzen, Wasserflaschen und Kaffeebohnen Polymergarn. Wir wollten etwas für die Meere tun. Ich habe eine Menge darüber gelesen, wie viel Abfall jedes Jahr dorthin gelangt. Deshalb recycle ich vor allem Müll, den wir aus dem Meer fischen.

Wie läuft der Prozess ab?
Die Qualität des Garns hängt von der Qualität des Mülls ab. Die Plastikflasche, die ich hier habe (er hält eine Flasche hoch), wird einen Monat nach ihrer Herstellung recycelt. Wenn die Flaschen aus dem Meer gefischt werden, lagen sie da oft bis zu sechs Jahre. Sie sind von Wasser, Sand und Salz zerstört. Das Level der Verunreinigung ist also viermal so hoch wie bei dieser Flasche. Wenn die Qualität nicht gut ist, bricht das Garn. Es brauchte ein Jahr, um das zu umgehen.

Fangen die Fischer jetzt Müll statt Fischen?
Nein, unglücklicherweise fangen sie Fisch mit Müll. Früher haben sie den Abfall wieder ins Meer geworfen. Wir haben mit 160 Fischern an der Ostküste begonnen. Jetzt sammeln wir einmal in der Woche den Müll von rund 3000 Fischerbooten ein, das sind 300 Tonnen im Jahr. Im Herbst 2017 haben wir ein Projekt in Thailand begonnen, wir arbeiten dort mit der Regierung zusammen und in nur einem Monat haben wir mehr als 450 Tonnen Plastik von den Stränden eingesammelt, ich konnte es gar nicht fassen!

Müll und Meerestiere. Ein Fischer in Thailand fängt Krebse für sich und sammelt Müll für Ecoalf.
Müll und Meerestiere. Ein Fischer in Thailand fängt Krebse für sich und sammelt Müll für Ecoalf.

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Zahlen Sie für den Müll?
In Spanien zahlen wir den Fischern nichts, aber die Müllsammler in Thailand bekommen Geld. Sie leben ja davon, eigentlich sammeln sie kein Plastik, sondern Aluminium und Glas. Jetzt haben wir ein neues Projekt mit einer großen Produktionsstätte in Bangkok. Ich habe ihnen Plastiktüten von großen Discountern wie H&M und Zara geschickt und sie haben Musterteile gemacht, die zu 25 Prozent aus den gesammelten Plastikflaschen bestehen. Ich werde sie diesen Firmen zeigen, um zu sehen, ob sie die Tüten kaufen. So können die Sammler vor Ort bezahlt werden.

Wie gehen Sie vor?
Das Problem mit Ecoalf ist, dass wir das Material nicht durch die Welt transportieren wollen, deshalb verarbeiten wir den Müll aus Spanien auch dort. Und wenn wir Baumwolle in Portugal recyceln, dann verarbeiten wir sie auch dort zu T-Shirts. So machen wir es auch in Thailand, dort recyceln wir zum Beispiel auch Schalen von Garnelen.

Erzählen Sie ein wenig über Ihre Familie. Ecoalf setzt sich aus dem Begriff Eco und dem Namen ihres Sohns, Alfredo, zusammen.
Meine Mutter ist eine Aktivistin, das hat mich geprägt, und das gilt auch für meinen Sohn. Als ich ihn gefragt habe, ob er weiß, was ich mache, sagt er: Du sammelst Müll. Für ihn ist nicht wichtig, dass ich ein Modeunternehmen habe. Ich versuche auch, an Schulen von meiner Arbeit zu erzählen. Wie wir mit unserer Umwelt umgehen, hat viel mit unserer Erziehung zu tun. Je mehr wir über etwas wissen, desto mehr Geld geben wir dafür aus, eine Lösung für ein Problem zu finden, dass wir selbst verursacht haben.

Das Gespräch führte Grit Thönnissen.

Ecoalf, Alte Schönhauser Str. 5–5a in Mitte.

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