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Gesellschaft: So rum wird ein Schuh draus

Als dritter Berliner Designer entwirft Michael Sontag Schuhkollektionen für das Hamburger Unternehmen Görtz.

Zwei Wochen vor seiner Modenschau auf der Fashion Week wartet Michael Sontag auf ein Paket. Es ist wie Weihnachten. Ganz aufregt ist er, dabei kennt er den Inhalt schon. Es sind Schuhe, die er sich selbst ausgedacht hat, aber so richtig fertig, mit Schuhkarton drumherum, hat er sie noch nicht gesehen. Das Paket kommt aus Hamburg, vom Schuhhandelsunternehmen Ludwig Görtz.

Weil der Berliner Modedesigner für Görtz Schuhe entwirft, kann er seine Mode dieses Mal wieder auf der Fashion Week zeigen. In der vergangenen Saison hat er nur ein Video, in dem seine Kleider vorkamen, und eine kleine Showroompräsentation online gestellt.

Dieses Mal wird die Modenschau von Görtz bezahlt, und Sontag hat dazu zum ersten Mal genau die Schuhe, die zu seinen Kleidern passen. Der Weg dahin war nicht leicht. „Hätte ich drei Monate mehr Zeit gehabt, hätte ich noch einmal ganz andere Schuhe gemacht. Aber dann wären sie unbezahlbar geworden.“

Dass Michael Sontag den Schuh am liebsten neu erfunden hätte, kann Oliver Bremer, der Chefdesigner von Görtz, nur bestätigen: „Michael hatte hoch gesteckte Ziele, deshalb haben wir ihn nach Italien in die Fabriken geschickt. Der sollte mal seinen Leisten selber machen.“

Das Familienunternehmen Ludwig Görtz verkauft schon seit 1875 Schuhe, in Hamburg betreibt es elegante Geschäfte. Seit den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts lässt man auch eigene Schuhe herstellen, und seit knapp drei Jahren arbeitet Görtz mit Berliner Designern zusammen. Kaviar Gauche machte 2009 den Anfang.

Was sich nach Wohltätigkeit gegenüber der Berliner Modeszene anhört, ist für Görtz ein Geschäft: „Wir bieten in unseren Möglichkeiten eine Plattform, das hat gar nichts Soziales, das ist ein Geben und Nehmen“, sagt Marketingleiter Michael Jacobs. Das läuft so: Du machst ein Produkt für mich, ich verkaufe es, und dann bekommst du Geld. Im Falle von Kaviar Gauche hat das so gut funktioniert, dass die beiden Designerinnen vom Verkauf der Schuhe für ein paar Saisons leben konnten.“

Bei Görtz ist man froh, sich auf das Experiment eingelassen zu haben. Denn genau das war es für die Hamburger: „Wir sind ein traditionsreiches Unternehmen – ein Schuhhändler, kein Modeunternehmen. Daran wollten wir erst mal gar nichts ändern.“

Aber sie wollten zeigen, dass sie Design ernst nehmen. „Ein Lämpchen aufsetzen“, nennt das Michael Jacobs. Schnell war klar, dass sich Görtz auf Mode und auf Berlin konzentrieren würde. Und als sie die Designerinnen von Kaviar Gauche kennenlernten, stand auch das Konzept: „Wir wollen immer Perlen aus Deutschland“, sagt Oliver Bremer. Drei Saisons lang ließen sie Kaviar Gauche kleine Schuhkollektionen entwerfen. Darauf folgte das Designduo Perret Schaad, und jetzt darf Michael Sontag zeigen, wie er sich einen gut gemachten Schuh vorstellt.

Das Ganze hat auch etwas pädagogisch Wertvolles: „Die Designer haben ein Sendungsbewusstsein, die denken nicht an Kommerz. Sie haben das wirtschaftliche Handeln nicht gelernt“, sagt Oliver Bremer. Aber bei Görtz geht es ums „knallharte Geschäft“. Da knallen dann schon mal die Türen in der Hamburger Zentrale, wenn die kreativen Vorstellungen auf die kaufmännischen treffen.

Und trotzdem – wenn man den Hamburgern so zuhört, ist es erstaunlich, dass nicht viel mehr große, umsatzstarke Unternehmen in Deutschland mit jungen Designern zusammenarbeiten. Oliver Bremer ist sicher, dass das eine gute Möglichkeit wäre, die deutsche Mode zu stärken und dafür zu sorgen, dass den kleinen Designerfirmen nicht so schnell die Luft ausgeht. „Wir hätten auch nichts dagegen, wenn Michael Sontag außer mit uns mit einem Bekleidungshersteller kooperieren und für den eine Modekollektion machen würde.“

Oliver Bremer hat selbst lange als Designer gearbeitet, für Cerruti in Paris. Er weiß, wie schwer es ist, sich einen Namen zu machen. „Vielen Designern fehlen schlichtweg die Mentoren. So müssen sie sich jede Saison von neuem hochrappeln. Aber gute Kollektionen alleine reichen nicht, denn ohne Referenzen und Reputation ist man schnell weg vom Fenster.“

So gesehen läuft es für Michael Sontag im Moment gut: Heute ist seine Schau im Zelt der Mercedes-Benz Fashion Week an der Siegessäule. Und er freut sich schon auf die nächste Saison: „Ich habe so viel über das Schuhemachen gelernt – jetzt kann ich richtig loslegen.“

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