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Nicht stecken bleiben. Havaianas ist auf Expansionskurs

© Dave Bennett

Sommerklassiker: Flipflop Flipflop

In Brasilien gehören Plastiklatschen von Havaianas zum Alltag wie Brot und Reis. Jetzt ist der Chef, Guillaume Prou, unterwegs, um das Sommergefühl auch nach Europa zu bringen.

Der Chef muss jetzt mal etwas klarstellen: "Wir haben diese Schuhe erfunden!" Dafür ist Guillaume Prou extra nach Europa gekommen. Prou ist CEO des brasilianischen Unternehmens Havaianas, das Zehensandalen aus Plastik herstellt – wie viele andere Firmen auch, möchte man meinen. "Wissen Sie Bescheid?", fragt der Franzose, der sein Managementhandwerk bei L'Oréal gelernt hat, jetzt in Brasilien lebt und deshalb weiß, dass Havaianas mehr sind als ein Stück Gummisohle mit einem dreieckigen Riemen, den man sich zwischen die Zehen steckt. Sie sind ein nationales Kulturgut.

Das ist schon was, ein Schuh, der millionenfach auf der ganzen Welt getragen wird, den man getrost als eine Art Ur-Schuh bezeichnen kann – und die Brasilianer sind draufgekommen? Im Jahr 1962 haben die beiden Gründer von Havaianas sich die traditionelle japanische Sandale Zori aus Bast zum Vorbild genommen und sie aus Plastik hergestellt. Das erste Modell war blau-weiß, und so blieb es auch sehr lange. Die Gummilatschen entwickelten sich zum Staatsschuh. In Brasilien trug ihn jeder, die Bewohner der Favelas ebenso wie die Superreichen auf ihren Jachten.

Die Flipflops von Havaianas wurden so populär, dass sie von der brasilianischen Regierung als Grundbedarf eingestuft wurden, zusammen mit Reis, Brot und Zucker – die wichtigsten Produkte der Brasilianer. "Brasilien hatte viele Jahre unter einer sehr unsicheren Wirtschaft zu leiden, die Hyperinflation in den siebziger Jahren war ein Albtraum, die Währungen wechselten ständig, und eine der Hauptbemühungen der Brasilianer war, die Inflation stabil zu halten", sagt Prou.

In Berlin trägt der aktuelle Chef keine Plastiklatschen – anders als auf seinem offiziellen Porträtfoto. Darauf kombiniert er sie mit einem klassischen Anzug. Das sieht nicht nach gekonntem Stilbruch aus, sondern eher nach einem Witz. Witzig will Prou auf seiner Mission durch Europa aber keinesfalls wahrgenommen werden. Schließlich sollen alle erfahren, wie wichtig Havaianas sind.

Guillaume Prou präsentiert den Latschen als die Spezialität des Hauses

Um das zu erklären, hat er Anschauungsmaterial vor sich auf dem Tisch aufgebaut. Irgendwann haben die Brasilianer die Sohlen einfach umgedreht, und schon hatten sie andersfarbige Schuhe. Als die Leute von Havaianas das sahen, brachten sie 1993 zum ersten Mal bunte Modelle heraus.

Das führt Guillaume Prou gleich mal vor, er löst den Zehenriemen aus den vorgestanzten Löchern und dreht die Sohle um. Der zweite Durchbruch in der Flipflopwelt war das Modell Brasil in den brasilianischen Farben. Es ist aus dem Jahr 1998 und wurde zur Fußballweltmeisterschaft in Frankreich eingeführt, um die brasilianische Mannschaft zu unterstützen. "Das Unternehmen war total überwältigt vom Erfolg des Modells. Alle 200 000 Paare waren sehr schnell verkauft, und es gab Millionen von Anfragen", sagt Prou. Viele Touristen kauften das Modell in Brasilien als Souvenir: "Das war der Beginn der internationalen Expansion." Der Brasil ist inzwischen eine Ikone der Marke geworden.

Nicht nur in Brasilien wurden die Flipflops Anfang der nuller Jahre plötzlich vom Standard- zum Modeartikel. Sie tauchten auf Modenschauen in Paris und Mailand auf. Spätestens seither hat fast jede Firma, die Freizeitschuhe macht, auch Flipflop-Modelle im Programm. in Deutschland wurde eine eigene Marke für die Plastiksandalen gegründet, die auch praktischerweise "Flip Flop" hieß.

Gewagt. Auch Star-Designerin Mary Katrantzou entwarf ein Modell für die Marke
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© promo

Trotzdem präsentiert Guillaume Prou den Plastiklatschen unverdrossen als die unangefochtene Spezialität seines Hauses. Auch hier gibt es jetzt mehr Riemen am Schuh, Modelle aus Leder sind neu im Sortiment ebenso wie Espadrilles, die dem französischen Chef sehr am Herzen liegen. Frankreich ist der Hauptabnehmer für die Schuhe aus Stoff, die nicht wie sonst eine Bast- sondern eine Plastiksohle haben.

"Unsere Marke hat viel mit Sommer, Strand und Ferien zu tun", sagt Prou. Da es davon nun mal in Brasilien mehr als in Deutschland gibt, geht es dem Chef vor allem ums Gefühl: "Ich finde, jeder Mensch hat das Recht auf brasilianischen Sommer. Schlüpfe in deine Gummi-Flipflops und sie bringen dich in die richtige Stimmung."

Und es stimmt, bei einigen Ländern scheint es keine Verbindung zu den Produkten von Havaianas zu geben. Aber Prou hat festgestellt, dass das nicht unbedingt entscheidend ist: "Einer unserer größten Erfolge in Europa ist Großbritannien. Die Assoziation mit Sommerwetter ist gerade in Großbritannien ein großes Thema, denn es ist wirklich eine verregnete Insel." Gerade haben dort Prominente wie Naomi Campbell und der Schuhdesigner Manolo Blahnik ihre eigenen Flipflops entworfen, damit es noch ein bisschen glamouröser wird. Das unnachahmliche Havaianas-Gefühl will Prou auch bei den Deutschen wecken und eröffnet Mitte Juli den ersten Laden – auf dem Ku’damm.

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